Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Mit Volldampf voraus“
Jazzsänger und Entertainer Tony Bennett hat Generationen geprägt – Jetzt ist seine neue Werkschau erschienen
Pünktlich zu Weihnachten erscheint mit „Tony Bennett Celebrates 90“die aus drei Alben bestehende Werkschau des letzten großen, noch lebenden Sängers der Nachkriegszeit. Neben seinen größten Erfolgen und vielen Duetten (mit Lady Gaga, Elton John, Billy Joel, Diana Krall und vielen mehr) enthält das Album auch Aufnahmen aus dem jüngst in der New Yorker Radio City Music Hall aufgezeichneten TVSpecial „The Best Is Yet to Come“. Steffen Rüth traf Tony Bennett, der in Begleitung seiner dritten Ehefrau Susan, einer früheren Lehrerin und Vorsitzenden des TonyBennett-Fanclubs, erscheint, im Büro seiner Plattenfirma in Manhattan. Er hat eine warme, liebenswürdige Ausstrahlung, die Aura eines alten, lebensweisen Mannes. Ja, gelegentlich wiederholt er sich. Gleichwohl ist ein Gespräch mit Tony Bennett ein echter Gewinn und eine Lektion in Lebensfreude.
Mr. Bennett, Sie sind vor gut zwei Jahren zuletzt in Deutschland aufgetreten, im Berliner Admiralspalast. Erinnern Sie sich?
Tony Bennett: Natürlich. Das war ein fantastischer Abend. Das Publikum war begeistert und hingerissen. Ich wusste gar nicht, dass die Menschen in Deutschland mich so gut kennen und so gern hören. Die Leute wollten mich praktisch gar nicht mehr gehen lassen.
Schon erstaunlich. 1944 kamen Sie nach Europa, um im Krieg gegen Deutschland zu kämpfen.
Ja, ich stand als amerikanischer Soldat in Frankreich und später in Deutschland an der Front. 70 Jahre, nachdem wir uns gegenseitig töteten, ist da diese riesig große Liebe. Das ist so schön. Mir war das Vereinen und Zusammenbringen von Menschen immer sehr wichtig. Meine Musik und ich, wir stehen für Frieden und Harmonie. Für das Gemeinsame. Nicht für das Trennende.
Behalten Sie trotz der Welt da draußen ihren Optimismus?
Nun ja, es ist schon sehr exzentrisch, was da los ist. Ich bin aber ebenfalls exzentrisch genug zu glauben, dass wir Menschen uns eines Tages damit rauf besinnen werden, uns gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Die Welt verdient unsere gemeinsame Anstrengung. Denn es ist ein großes Geschenk, am Leben zu sein.
Sie stehen politisch seit jeher der Demokratischen Partei nahe. Was halten Sie von ihrem neuen Präsidenten Donald Trump?
Ich habe nicht verstanden, was er diesem Job will. Geschäftemacherei hat nichts mit dem Regieren eines Landes zu tun. Präsident zu sein, ist eine sehr große und bedeutende Aufgabe.
Sie singen praktisch schon ihr gesamtes Leben vor Publikum. Macht das immer noch Spaß?
Ja, und es wird mir nie langweilig. Ich sage immer, wie wunderbar das Leben ist. Ich interessiere mich sehr für andere Leute und liebe es, wenn sie auch Spaß haben. Auf der Bühne bin ich am glücklichsten. Ich bin überzeugt, dass das Leben dazu da ist, um genossen zu werden. Und wer Gutes tut, dem bringt das Leben auch Gutes zurück.
Sie haben 2014 mit Lady Gaga das Duett-Album „Cheek To Cheek“
veröffentlicht und kamen damit zum ersten Mal – und über 60 Jahre nach ihrer ersten Nummer-EinsSingle „Because of You“– auf den ersten Platz der US-Album-Charts. (lacht) Das war wirklich eine interessante Erfahrung. Ich liebe Lady Gaga. Sie ist eine faszinierende, tolle, hoch talentierte Frau. Wir sind beide Italo-Amerikaner, wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Ich bin inzwischen mit ihrer ganzen Familie befreundet. Ich freue mich schon auf ihren Film, das Remake des Musicals „A Star Is Born“.
Singen Sie eigentlich jeden Tag?
Ja, die Stimmbänder müssen geölt bleiben. Ich bin auch Maler. Ich habe immer was zu tun, ich will immer beschäftigt sein.
Spüren Sie nie den Wunsch, sich zur Ruhe zu setzen?
Nein, kein bisschen. Was hätte ich davon? Ich will die Menschen weiter unterhalten. Es gibt noch so viel zu lernen. Ich wachse immer noch und höre mit dem Lernen niemals auf. Ich bin immer noch sehr neugierig.
„The Best Is Yet to Come“heißt einer ihrer bekanntesten Songs.
Genau. Das Beste kommt noch! Das ist der Titelsong meines Lebens. Ich hoffe wirklich, ich halte es noch lange hier unten auf der Erde aus.
Die meisten Ihrer Songs sind schon vor vielen Jahrzehnten geschrieben worden, ihr wohl bekanntestes Lied „I Left My Heart in San Francisco“haben Sie 1962 aufgenommen. War die Qualität der Lieder früher höher?
Ich denke ja. Diese Songs sind nicht ohne Grund zu Standards geworden. Das bedeutet, sie sind zeitlos. Ich habe nie schnelle Nummern aufgenommen, nur um Geld zu verdienen. Ich habe immer stark auf Qualität geachtet. Ich singe nur Songs, die sehr gut geschrieben sind. Das Publikum verdient nichts als das Beste.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Mit Lust. Ich freue mich auf alles, was passiert. Mir geht es exzellent, ich war nie populärer als jetzt, und ich bin sehr dankbar. Ich werde weiter mit Volldampf voraus brausen.