Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die wichtigsten Forscher des Jahres
Findige Studentin und Zika-Detektivin schaffen es in die Top 10 des Fachmagazins „Nature“
(dpa) - Das Fachmagazin „Nature“hat die zehn wichtigsten Forscher des Jahres 2016 gekürt. Ihre Arbeitsgebiete reichen von Gravitationswellen über künstliche Intelligenz bis hin zu den Rechten von Minderheiten in der Wissenschaft. „Diese Forscher haben eine wichtige Rolle in großen Wissenschaftsereignissen des Jahres gespielt – mit dem Potenzial, eine Veränderung auf globaler Ebene zu bewirken,“sagt Richard Monastersky, einer der Herausgeber des Magazins. Ein Überblick über die Leistungen der Forscher:
Künstliche Intelligenz: Als Mitbegründer der Londoner Firma Deep Mind wollte Demis Hassabis denkende Maschinen entwickeln. Zu Jahresbeginn war es dann soweit: Die Intelligenz-Software „Alpha Go“, mittlerweile von Google gekauft, besiegte den südkoreanischen Meister im Strategiespiel „Go“, Lee Sedol, ein ums andere Mal. „Go“mit seinen vielen möglichen Spielzügen galt bis zuletzt als zu komplex für Computer. Für „Nature“ein Musterbeispiel für das sich rapide beschleunigende Potenzial künstlicher Intelligenz.
Umweltschutz: Terry Hughes, einer der international führenden Korallenforscher, schlug Alarm: Das Great Barrier Reef in Australien hat die schlimmste je erfasste Korallenbleiche zu verkraften. In einer 700 Quadratkilometer großen Region starben zwei Drittel der Korallen, weil sie lebenswichtige Algen verloren hatten und durch steigende Wassertemperaturen förmlich gekocht wurden. Hughes wurde zum Sprachrohr der Umweltschützer: „Die Botschaft an die Menschen sollte sein: Das Zeitfenster, in dem wir dem Klimawandel entgegentreten können, schließt sich.“
Zika-Virus: Als in Brasilien die ersten Kinder mit zu kleinen Köpfen geboren wurden, beauftragte die Regierung die Medizinerin Celina M. Turchi, den mysteriösen Fällen im Nordosten des Landes nachzugehen. Turchi kontaktierte Fachleute aus aller Welt, bildete eine Gruppe aus Medizinern vieler Fachrichtungen. Das intensive Networking zahlte sich schließlich aus: Ein Zusammenhang zwischen einer Zika-Infektion im ersten Schwangerschaftsdrittel und der Schädel- und Hirnfehlbildung konnte nachgewiesen werden.
Kühlmittel: Dank des Niederländers Guus Velders wird das schädliche Kühlmittel und Treibhausgas FKW Schritt für Schritt aus Kühlschränken verschwinden. Der Atmosphäre-Chemiker legte bei Klimaverhandlungen in Ruanda im Herbst die entscheidenden Zahlen vor, die der Staatengemeinschaft einen schrittweisen Bann des verbreiteten Kühlmittels Fluorkohlenwasserstoff ermöglichte. Indien etwa hatte vier weitere Jahre bis zum Start des Banns verlangt – Velders rechnete das durch und fand heraus, dass dieser Aufschub keinen allzu großen negativen Effekt habe. So konnte man sich letztendlich einigen.
Künstliche Befruchtung: Als 2016 ein Baby mit drei genetischen Elternteilen zur Welt kam, erntete der US-Fruchtbarkeitsexperte John Zhang dafür Glückwünsche wie Proteste. Weil die Mutter an einer seltenen, die Zellkraftwerke (Mitochondrien) betreffenden Erbkrankheit litt, hatte Zhangs Team den noch unbefruchteten Kern der mütterlichen Eizelle entfernt und ihn in eine entkernte Spender-Eizelle mit gesunden Mitochondrien eingesetzt. Die so entstandene Zelle wurde mit dem Samen des Vaters befruchtet – neun Monate später kam ein Junge zur Welt. Da die Technik ethisch umstritten ist, hatte Zhang den Eingriff in Mexiko durchgeführt.
Gen-Schere: Die viel gefeierte Gen-Schere CRISPR-Cas9 ermöglicht Eingriffe in die DNA und das Herausschneiden bestimmter Bereiche auf relativ einfache Weise. Doch Biologe Kevin Esvelt vom Massachusetts Institute of Technology in Boston hatte Sicherheitsbedenken – die Methode könnte auch ungewollte ökologische Kettenreaktionen auslösen oder zum Bau biologischer Waffen genutzt werden. Deshalb entwickelte er das Verfahren weiter, machte es sicherer und umkehrbar – und erntet 2016 damit viel Zustimmung.
Planeten: Der Science-FictionFan und Astronom Guillem AngladaEscudé war erleichtert, als die Entdeckung des erdnächsten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems feststand. Er und sein Team konnten den Planeten Proxima b nachweisen, der den Stern Proxima Centauri umkreist. Proxima Centauri ist der nächste Nachbarstern unserer Sonne mit einem Abstand von rund 40 Billionen Kilometern.
Minderheiten: Die Kernphysikerin Elena Long erforscht den Umgang mit schwulen, lesbischen, bioder transsexuellen Wissenschaftlern. Long, selbst eine Trans-Frau, initiierte bei der Amerikanischen Physiker-Gesellschaft (APS) eine Mitgliederumfrage dazu und präsentierte die Ergebnisse: Mehr als ein Fünftel der Betroffenen, die antworteten, hatten Diskriminierung im Jobumfeld erlebt. Jetzt treibt Long die Gleichbehandlung innerhalb der APS voran.
Studien umsonst: Mit der Informatikstudentin Alexandra Elbakyan aus Kasachstan wählte „Nature“eine weitere Aktivistin für offene Wissenschaft in die Top 10. Elbakyan betreibt die Piraten-Website „Sci-Hub“, über die Studien umsonst und jenseits von Paywalls zu bekommen sind. 2015 wurde Elbakyan vom niederländischen Wissenschaftsverlag Elsevier auf Copyright-Verletzungen und Hacking verklagt. Seitdem ist sie abgetaucht und die Seite wechselt ihre Domains. Kritiker wie Unterstützer glauben, dass „Sci Hub“eine Veränderung losgetreten hat – egal ob die Website dauerhaft besteht.
Gravitationswellen: Gabriela González, geboren in Argentinien, hat beim Nachweis von Gravitationswellen eine wichtige Rolle gespielt. Die winzigen, bereits von Albert Einstein vorausgesagten Wellen stauchen und strecken den Raum. Ihr Nachweis eröffnete ein neues Kapitel in der Weltraumforschung.