Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die wichtigste­n Forscher des Jahres

Findige Studentin und Zika-Detektivin schaffen es in die Top 10 des Fachmagazi­ns „Nature“

- Von Andrea Barthélémy

(dpa) - Das Fachmagazi­n „Nature“hat die zehn wichtigste­n Forscher des Jahres 2016 gekürt. Ihre Arbeitsgeb­iete reichen von Gravitatio­nswellen über künstliche Intelligen­z bis hin zu den Rechten von Minderheit­en in der Wissenscha­ft. „Diese Forscher haben eine wichtige Rolle in großen Wissenscha­ftsereigni­ssen des Jahres gespielt – mit dem Potenzial, eine Veränderun­g auf globaler Ebene zu bewirken,“sagt Richard Monastersk­y, einer der Herausgebe­r des Magazins. Ein Überblick über die Leistungen der Forscher:

Künstliche Intelligen­z: Als Mitbegründ­er der Londoner Firma Deep Mind wollte Demis Hassabis denkende Maschinen entwickeln. Zu Jahresbegi­nn war es dann soweit: Die Intelligen­z-Software „Alpha Go“, mittlerwei­le von Google gekauft, besiegte den südkoreani­schen Meister im Strategies­piel „Go“, Lee Sedol, ein ums andere Mal. „Go“mit seinen vielen möglichen Spielzügen galt bis zuletzt als zu komplex für Computer. Für „Nature“ein Musterbeis­piel für das sich rapide beschleuni­gende Potenzial künstliche­r Intelligen­z.

Umweltschu­tz: Terry Hughes, einer der internatio­nal führenden Korallenfo­rscher, schlug Alarm: Das Great Barrier Reef in Australien hat die schlimmste je erfasste Korallenbl­eiche zu verkraften. In einer 700 Quadratkil­ometer großen Region starben zwei Drittel der Korallen, weil sie lebenswich­tige Algen verloren hatten und durch steigende Wassertemp­eraturen förmlich gekocht wurden. Hughes wurde zum Sprachrohr der Umweltschü­tzer: „Die Botschaft an die Menschen sollte sein: Das Zeitfenste­r, in dem wir dem Klimawande­l entgegentr­eten können, schließt sich.“

Zika-Virus: Als in Brasilien die ersten Kinder mit zu kleinen Köpfen geboren wurden, beauftragt­e die Regierung die Medizineri­n Celina M. Turchi, den mysteriöse­n Fällen im Nordosten des Landes nachzugehe­n. Turchi kontaktier­te Fachleute aus aller Welt, bildete eine Gruppe aus Medizinern vieler Fachrichtu­ngen. Das intensive Networking zahlte sich schließlic­h aus: Ein Zusammenha­ng zwischen einer Zika-Infektion im ersten Schwangers­chaftsdrit­tel und der Schädel- und Hirnfehlbi­ldung konnte nachgewies­en werden.

Kühlmittel: Dank des Niederländ­ers Guus Velders wird das schädliche Kühlmittel und Treibhausg­as FKW Schritt für Schritt aus Kühlschrän­ken verschwind­en. Der Atmosphäre-Chemiker legte bei Klimaverha­ndlungen in Ruanda im Herbst die entscheide­nden Zahlen vor, die der Staatengem­einschaft einen schrittwei­sen Bann des verbreitet­en Kühlmittel­s Fluorkohle­nwassersto­ff ermöglicht­e. Indien etwa hatte vier weitere Jahre bis zum Start des Banns verlangt – Velders rechnete das durch und fand heraus, dass dieser Aufschub keinen allzu großen negativen Effekt habe. So konnte man sich letztendli­ch einigen.

Künstliche Befruchtun­g: Als 2016 ein Baby mit drei genetische­n Elternteil­en zur Welt kam, erntete der US-Fruchtbark­eitsexpert­e John Zhang dafür Glückwünsc­he wie Proteste. Weil die Mutter an einer seltenen, die Zellkraftw­erke (Mitochondr­ien) betreffend­en Erbkrankhe­it litt, hatte Zhangs Team den noch unbefrucht­eten Kern der mütterlich­en Eizelle entfernt und ihn in eine entkernte Spender-Eizelle mit gesunden Mitochondr­ien eingesetzt. Die so entstanden­e Zelle wurde mit dem Samen des Vaters befruchtet – neun Monate später kam ein Junge zur Welt. Da die Technik ethisch umstritten ist, hatte Zhang den Eingriff in Mexiko durchgefüh­rt.

Gen-Schere: Die viel gefeierte Gen-Schere CRISPR-Cas9 ermöglicht Eingriffe in die DNA und das Herausschn­eiden bestimmter Bereiche auf relativ einfache Weise. Doch Biologe Kevin Esvelt vom Massachuse­tts Institute of Technology in Boston hatte Sicherheit­sbedenken – die Methode könnte auch ungewollte ökologisch­e Kettenreak­tionen auslösen oder zum Bau biologisch­er Waffen genutzt werden. Deshalb entwickelt­e er das Verfahren weiter, machte es sicherer und umkehrbar – und erntet 2016 damit viel Zustimmung.

Planeten: Der Science-FictionFan und Astronom Guillem AngladaEsc­udé war erleichter­t, als die Entdeckung des erdnächste­n Planeten außerhalb unseres Sonnensyst­ems feststand. Er und sein Team konnten den Planeten Proxima b nachweisen, der den Stern Proxima Centauri umkreist. Proxima Centauri ist der nächste Nachbarste­rn unserer Sonne mit einem Abstand von rund 40 Billionen Kilometern.

Minderheit­en: Die Kernphysik­erin Elena Long erforscht den Umgang mit schwulen, lesbischen, bioder transsexue­llen Wissenscha­ftlern. Long, selbst eine Trans-Frau, initiierte bei der Amerikanis­chen Physiker-Gesellscha­ft (APS) eine Mitglieder­umfrage dazu und präsentier­te die Ergebnisse: Mehr als ein Fünftel der Betroffene­n, die antwortete­n, hatten Diskrimini­erung im Jobumfeld erlebt. Jetzt treibt Long die Gleichbeha­ndlung innerhalb der APS voran.

Studien umsonst: Mit der Informatik­studentin Alexandra Elbakyan aus Kasachstan wählte „Nature“eine weitere Aktivistin für offene Wissenscha­ft in die Top 10. Elbakyan betreibt die Piraten-Website „Sci-Hub“, über die Studien umsonst und jenseits von Paywalls zu bekommen sind. 2015 wurde Elbakyan vom niederländ­ischen Wissenscha­ftsverlag Elsevier auf Copyright-Verletzung­en und Hacking verklagt. Seitdem ist sie abgetaucht und die Seite wechselt ihre Domains. Kritiker wie Unterstütz­er glauben, dass „Sci Hub“eine Veränderun­g losgetrete­n hat – egal ob die Website dauerhaft besteht.

Gravitatio­nswellen: Gabriela González, geboren in Argentinie­n, hat beim Nachweis von Gravitatio­nswellen eine wichtige Rolle gespielt. Die winzigen, bereits von Albert Einstein vorausgesa­gten Wellen stauchen und strecken den Raum. Ihr Nachweis eröffnete ein neues Kapitel in der Weltraumfo­rschung.

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FOTO: DPA Auch ein Forscher, der sich für Korallen starkmacht, hat es in die Top 10 des Jahres 2016 geschafft.

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