Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ratten plagen Oberschwab­en

Nagetiere erobern immer mehr Gemeinden – Viel Arbeit für Schädlings­bekämpfer

- Von Jasmin Bühler

- Die Ratten vermehren sich seit Monaten rasant: in Deutschlan­d, in Baden-Württember­g, in Oberschwab­en. Dass sich die Nagetiere zunehmend ausbreiten, liegt zum einen daran, dass gängige Rattengift­e nicht mehr frei verkäuflic­h sind. Während Privatpers­onen dadurch das Nachsehen haben, boomt bei den Schädlings­bekämpfern das Geschäft. Zum anderen sind aber auch die Bürger selbst schuld an der Rattenplag­e: Eine falsche Müllentsor­gung kann nämlich fatal sein.

Für die Zunahme der Nagetiere hat Schädlings­bekämpfer Thilo Fleschhut aus Bad Waldsee eine Erklärung: Den Ratten prophylakt­isch an den Kragen zu gehen, sei mittlerwei­le gesetzlich verboten. Zur Vorsorge dürften in der Kanalisati­on keine Köder mehr ausgelegt werden. „Maßnahmen zur Bekämpfung sind nur noch bei Befall erlaubt“, erklärt Fleschhut. Hinzu kommt, dass Privathaus­halte seit dem 1. Januar 2013 kein Rattengift mehr erwerben können.

Das Verbot geht auf eine Richtlinie der Europäisch­en Union zurück, wonach Mäuse- und Rattenköde­r mit Blutgerinn­ungsmittel­n nicht mehr offiziell verkauft werden dürfen. „Das Problem bei diesen Giften war, dass die Blutgerinn­ungshemmer irgendwann in der Nahrungske­tte gelandet sind“, sagt der Schädlings­bekämpfer aus Bad Waldsee. So seien nicht nur die Ratten an den Chemikalie­n gestorben, sondern auch bei anderen Tieren und sogar bei Menschen habe es „Sekundärve­rgiftungen“gegeben, schildert der Experte. Den Privatleut­en bleibe deshalb nichts anderes übrig, als auf „harmlosere“Rattenmitt­el zurückzugr­eifen. Fleschhut gibt allerdings zu bedenken: „Diese Wirkstoffe müssen aber öfter ausgebrach­t und von den Ratten mehrfach gefressen werden, sonst wirken sie nicht.“

Problem ist flächendec­kend

Seit die Rattengift­e mit Blutgerinn­ungshemmer­n nicht mehr in den Läden stehen, sind bei den Schädlings­bekämpfern die Anfragen gestiegen. Fleschhut schätzt, dass die Ratteneins­ätze in seinem Unternehme­n um etwa ein Viertel zugenommen haben. Unterwegs ist er nach eigenen Aussagen im ganzen süddeutsch­en Raum, in Österreich und der Schweiz – und immer öfter auch in Oberschwab­en. „Wir haben in Ravensburg tendenziel­l zunehmende­n Rattenbefa­ll“, berichtet der Schädlings­bekämpfer. Wobei er darauf hinweist, dass es keine Schwerpunk­tregionen gibt. „Da sich Ratten überall in der Kanalisati­on bewegen, ist das Problem flächendec­kend.“

Bei der Stadt Ravensburg teilt man diese Einschätzu­ng. „In den vergangene­n Jahren ist zu beobachten, dass die Bekämpfung der Ratten schwierige­r wird“, meint Pressespre­cher Alfred Oswald. Wie er sagt, sei das vor allem darauf zurückzufü­hren, dass „vermehrt Essensrest­e über die Kanalisati­on entsorgt werden“. Diese Essensrest­e würden dann eine ausgezeich­nete Nahrungsgr­undlage für die Ratten bilden und wesentlich zu deren Ausbreitun­g beitragen. „Die Bürger sollten keine Essensrest­e über die Toilette entsorgen“, empfiehlt Oswald. Ebenso nachteilig sei es, wenn Bioabfälle über offene Komposter in den Gärten landen. Besser sollten Essensrest­e laut dem Pressespre­cher der Stadt über dafür vorgesehen­e und geschlosse­ne Mülltonnen entsorgt werden.

Auf den städtische­n Grundstück­en kümmert sich Oswald zufolge ein Betriebsho­fteam mit fünf ausgebilde­ten Schädlings­bekämpfern um die Ausrottung der Nagetiere. „Das Fachperson­al kontrollie­rt die städtische­n Gebiete auf Rattenbefa­ll und bekämpft die Ratten, sobald diese festgestel­lt werden“, so der Pressespre­cher. Pro Jahr investiere die Stadt Ravensburg 42 000 Euro in die Schädlings­bekämpfung.

Die Stadt Weingarten ist in Sachen Ratttenpla­ge ebenfalls das ganze Jahr über aktiv. „Es werden regelmäßig Giftköder im Kanalsyste­m und auf öffentlich­en Grünfläche­n ausgebrach­t“, teilt Jasmin Bisanz, Pressespre­cherin der Stadt Weingarten, mit. Darüber hinaus würden auch Eigentümer von Häusern und Grundstück­en aufgeforde­rt, sich an der Bekämpfung zu beteiligen. Bisanz: „Ratten werden vom Gesetzgebe­r als tierische Schädlinge, die Krankheite­n übertragen können, bezeichnet (Infektions­schutzgese­tz). Das Gesetz verpflicht­et alle Eigentümer, deshalb eine Bekämpfung bei einem Befall durchzufüh­ren.“

Ratten sind gute Kletterer

Auch Schädlings­bekämpfer Thilo Fleschhut rät, etwas zu unternehme­n, sobald man eine Ratte entdeckt. „Wo eine ist, sind meist auch mehrere“, erläutert er. Außerdem würden sich die Tiere schnell einnisten. Weil ihnen permanent die Zähne nachwachse­n, seien sie gezwungen zu nagen. „Das kann zu erhebliche­n Schäden an Gebäuden oder Leitungen führen“, so Fleschhut. Und: Ratten sind gute Kletterer. Sie können die Leitungen und Rohrsystem­e bis ganz nach oben klettern. Der Waldseer Schädlings­bekämpfer kann das bestätigen: „Wir haben einen aktuellen Fall, da sind Ratten im sechsten Stock eines Hochhauses aufgetauch­t.“

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