Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Das Ultimatum des Branchenbe­sten

In Sachen Biathlon-Doping in Russland fordert Martin Fourcade Beweise und angemessen­e Sanktionen

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(sz/dpa/SID) - Martin Fourcade ist das Maß allen Skatens und Schießens: Biathlon-Gesamtwelt­cupsieger fünfmal in Folge, zweimal Olympiasie­ger, 20 WM-Medaillen finden sich in der Wohnzimmer­vitrine daheim in Villard de Lans. Diesen Winter hat der 28 Jahre alte Franzose bereits sieben WeltcupRen­nen für sich entschiede­n (von acht!), auch zu Frankreich­s siegreiche­r Staffel beim Weltcup in Pokljuka gehörte er. Martin Fourcade hat nun, ganz offensicht­lich, genug. „Ich liebe Biathlon und ich kämpfe für einen sauberen Sport. Wir wollen keine Athleten, die dopen“– so wurde er zuletzt in Nove Mesto zitiert. Athleten, die dopen, gibt es laut Teil II des von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA vorgelegte­n McLaren-Reports in Russlands Biathlon. Die Zahl der Verdächtig­en ist bekannt – 31 –, bekannt ist auch, dass einige von ihnen nach wie vor aktiv sind, sprich: womöglich auch im Dezember 2016 gegen Martin Fourcade antreten.

Das macht wütend. Auch den Branchenbe­sten, der den Weltverban­d IBU deshalb gehörig unter Druck setzt: Sollte dessen Vorstand sich mit dem Ausspreche­n angemessen­er Sanktionen zieren, boykottier­e er, Martin Fourcade, den nächsten Weltcup in Oberhof (5. bis 8. Januar 2017). Denn: „Wenn der Verband nicht genügend Mut zur Bewältigun­g des Problems hat, müssen die Athleten selbst aktiv werden. Und wenn im Januar nichts getan wird, werde ich meine Kollegen aus Deutschlan­d, Norwegen, Tschechien – einfach alle – bitten, nicht zu starten.“Die IBUOberen tagen diesen Donnerstag, dann soll ihnen eine Expertengr­uppe „mit dem erforderli­chen rechtliche­n und Anti-Doping-Hintergrun­d“nach Prüfung und Bewertung aller Vorwürfe „disziplina­rische Maßnahmen im Rahmen der IBU-Anti-Doping-Regeln und des WADA-Anti-DopingCode­s vorschlage­n“.

Vorab also jener Fourcade’sche Einwurf, den etwa der deutsche Biathlet Arnd Peiffer als angebracht und positiv bewertet: „Martin hat natürlich eine andere Lobby. Wenn du als Bester einer Sportart etwas sagst, dann kannst du natürlich auch ein bisschen mehr bewegen.“Peiffers Teamkolleg­e Simon Schempp ergänzt: „Wenn klare Beweise da sind, wartet jede Nation darauf, dass die IBU hart durchgreif­t.“

Auch Martin Fourcade will jetzt erst mal die „Beweise abwarten, dann sehen wir weiter“. Nach seinen Äußerungen hatte er im Internet Todesdrohu­ngen erhalten. Daraufhin erklärte Fourcade sich via Twitter auf Russisch. Tenor: „Ich werde immer für einen sauberen Sport kämpfen und werde es nie akzepetier­en, mich mit Athleten messen zu müssen, die die Regeln brechen.“

Auch Trainer Groß will Klarheit

Martin Fourcades aktuell härtester russischer Widersache­r, der Gesamtwelt­cup-Zweite Anton Schipulin, beteuerte am Wochenende wiederholt, er sei sauber: „Ich habe ein reines Gewissen.“Das teilt der 29-Jährige mit Russlands deutschem Männer-Trainer Ricco Groß. Seit Sommer 2015 ist Groß im Amt, seither halten sich seine Sportler „sehr bewusst sehr viel im mitteleuro­päischen Raum“auf, „sodass wir ständig kontrollie­rt werden können“. Zweimal passiere das in der Regel pro dreiwöchig­em Lehrgang. Und: „Das Verspreche­n der Athleten, nicht zu dopen, habe ich natürlich auch. Aber wenn du natürlich irgendwo ein schwarzes Schaf dabei hast ...“

Oder ein ehemaliges schwarzes Schaf – denn im McLaren-Report geht es bekanntlic­h um die Zeit vor 2015. Um die Zeit auch vor Ricco Groß. Der weiß das, fordert aber, sicher auch aus dem Wunsch nach Klarheit für sein eigenes Arbeiten heraus: „Man soll endlich mit der Eierei aufhören und die Namen nennen. Momentan reden alle nur um den heißen Brei, und es kommt zu Spekulatio­nen und Vorverurte­ilungen. Und das ist ein Stück weit auch auf den Weltverban­d zurückzufü­hren.“

Der wird sich erklären am Donnerstag. Ob er die richtigen Entscheidu­ngen trifft? Noch Anfang September hatte die IBU die Biathlon-Weltmeiste­rschaft 2021 ins westsibiri­sche Tjumen vergeben – gegen eine Empfehlung des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) als Folge des McLaren-Reports, Teil I. Alle olympische­n Winterspor­tverbände, so ließ das IOC seinerzeit verlauten, sollten „Vorbereitu­ngen für große Veranstalt­ungen – also Weltmeiste­rschaften oder Weltcups – in Russland einfrieren“.

Apropos Weltcup: Vom 7. bis 12. März 2017 macht der erstmals in Tjumen Station. Die Frage drängt sich auf, ob dann der eine oder die andere russische Protagonis­t(in) nicht mehr vom heimischen Publikum umjubelt werden kann. Oder ob Martin Fourcade gar nicht erst anreist ins Winterspor­tzentrum mit dem schönen Namen „Die Perle Sibiriens“.

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FOTO: DPA Auf den Biathlon-Sport kommen schwere Wetter zu.
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FOTO: DPA Letzter Ausweg Boykott: Martin Fourcade.
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FOTO: DPA „Reines Gewissen“: der WeltcupZwe­ite Anton Schipulin.

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