Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Tuchel klagt an
Vor dem Spiel gegen Augsburg redet sich der BVB-Coach wegen Reus’ Sperre in Rage
DORTMUND (fil) Man muss sich Thomas Tuchel als Gerechtigkeitsfanatiker vorstellen. Dagegen ist nichts einzuwenden, wieso sollte der Trainer von Borussia Dortmund eine Ungerechtigkeit auch einfach so hinnehmen? Dass die gelb-rote Karte, die Dortmunds Marco Reus im gleichsam leidenschaftlich wie hitzig geführten, hochklassigen Spiel am Freitag gegen Hoffenheim (2:2) erhielt, ungerecht(fertigt) war, daran gibt es spätestens nach Bertrachten der TV-Bilder keinen Zweifel.
Recht ist nicht gerecht
Reus war im Zweikampf mit Nadiem Amiri am Trikot gezerrt worden, woraufhin der Dortmunder dem Hoffenheimer in die Beine mehr gestolpert als gelaufen war. Schiedsrichter Benjamin Brand, der zudem vor Sandro Wagners Tor übersah, dass dieser sich mit einem beherzten Schubser den nötigen Raum geschaffen hatte, war bereits am Freitag von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke attackiert worden. Gestern redete sich vor dem Spiel gegen den FC Augsburg (20 Uhr/Sky) auch Tuchel in Rage. „Das ist absurd. Absurd! Ich habe da kein Verständnis für“, sagte er zu der Tatsache, dass Reus, gemäß den seit Jahrzehnten gültigen Regularien, heute seine Sperre absitzen muss. Tuchel dazu: „Es ist, als wärst du im Kaufhaus, und der Ladendetektiv sagt, du hast geklaut. Das Video zeigt dann, das hast du gar nicht – und du gehst trotzdem eine Woche in den Bau! Das ist absurd.“
Wahrlich, man muss sich Tuchel als Gerechtigkeitsfanatiker vorstellen. Und wenn es in diesem Fall nur um Gerechtigkeit ginge – er hätte recht. Allerdings: Noch ist im deutschen Fußball in solchen Fällen kein Videobeweis zulässig, der sogenannte Videoschiedsrichter wird gerade noch erprobt, noch gilt im DFB-Land bei Platzverweisen die Tatsachenentscheidung – die nicht unbedingt gerecht sein muss, aber eben rechtens ist. „Wenn eine Schwalbe nachträglich aufgedeckt wird, wenn ein Ellbogenschlag erst nachher gesehen wird, dann spielst du in der folgenden Woche. Marco ist gesperrt, obwohl er gar nichts getan hat. Das geht nicht“, schimpfte Tuchel noch. Verständlich, aber eben doch ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen.
Und weil Tuchel schon im Anklagemodus war, nahm er sich, nach einer entsprechenden Frage, auch noch die Journalisten zur Brust. „Ist das ein Nebenschauplatz? Wenn ich darüber rede, wird es wochenlang riesig thematisiert. Sie treiben dann doch die Sau durchs Dorf“, sagte Tuchel und widmete sich zum wiederholten Male den vielen Fouls, die seine superschnellen Edeltechniker in vielen Spielen erleiden müssen. „Es ist keine gesunde Härte, wenn du Foul spielst, sondern eine Regelübertretung. Es stört mich in der Diskussion, dass dann immer von Männersport geredet wird. Und wenn du dir erlaubst, das zu thematisieren, bist du der, der das nicht erträgt“, sagte er.
Großen Illusionen, dass dies gegen Augsburg, wo Interims-trainer Manuel Baum nach dem Sieg gegen Mönchengladbach am Samstag die zweite Bewährungschance erhält, anders werden könnte, gibt sich Tuchel gar nicht erst hin. „Die Augsburger werden ähnlich wie Hoffenheim gegen uns auftreten, das scheint ja Standard zu sein. Das belegen auch die Zahlen“, so Tuchel. Immerhin lichtet sich das wieder einmal gut gefüllte BVB-Lazarett ein wenig. Gonzalo Castro und Erik Durm kehren gegen Augsburg in den Kader zurück. Raphael Guerreiro, Sokratis, Lukasz Piszczek, Neven Subotic, Sebastian Rode und Nuri Sahin fehlen aber weiterhin verletzt. Und natürlich Reus, der ungerechterweise Gesperrte.
Weidenfeller – Passlack, Ginter, Bender, Schmelzer – Castro, Weigl – Pulisic, Götze, Dembélé – Aubameyang. – Hitz – Verhaegh, Gouweleeuw, Hinteregger, Stafylidis – Schmid, Moravek, Baier, Usami – Ji, Koo.