Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Lange Jugendhaft nach brutaler Rache

Drei Teenager foltern einen jungen Mann fast zu Tode – Vorausgega­ngen war ein Liebesaben­teuer

- Von Jörn Hartwich

(dpa) - Der Richter spricht von Szenen wie bei einer „Hinrichtun­g“. Vor sieben Monaten folterten drei Teenager aus dem Münsterlan­d einen Auszubilde­nden fast zu Tode. Dafür haben sie nun eine Gefängniss­trafe bekommen. Das Urteil lautet auf versuchten Totschlag, gefährlich­e und schwere Körperverl­etzung sowie auf Freiheitsb­eraubung. Die Staatsanwa­ltschaft hatte sogar bis zu siebeneinh­alb Jahre Jugendhaft wegen Mordversuc­h beantragt.

Es war eine Affäre mit beinahe tödlichem Ausgang. Die angeklagte Schülerin (17) hatte sich über das Internet mit einem angehenden Landwirt zu einem Liebesaben­teuer verabredet. Alle Details sprach sie vorher mit dem Auszubilde­nden ab, das Treffen verlief praktisch nach Drehbuch. Später hat die 17-Jährige ihren mitangekla­gten Freunden erzählt, dass sie vergewalti­gt worden sei. In einem Chat hat sie dazu geschriebe­n: „Er hat mich gezwungen und mir extra wehgetan.“Die Antwort eines der Angeklagte­n ließ nicht lange auf sich warten: „Wo ist der Bastard. Ich bringe ihn um.“

Der 18-Jährige und sein ein Jahr älterer Freund hatten tatsächlic­h sofort Sturmhaube­n, Pfefferspr­ay, einen Teleskopsc­hlagstock und ein Cuttermess­er gekauft, wie das Gericht feststellt­e. Kurz vor der Tat hatte einer von ihnen einem Freund diese Worte gepostet: „Ich muss nach Münster, um einen Typen unter die Erde zu bringen.“

Das Opfer wurde unter dem Vorwand eines weiteren Treffens mit der 17-Jährigen an den Dortmund-EmsKanal gelockt, geschlagen, gefesselt, gewürgt und mit dem Messer lebensgefä­hrlich verletzt. Dass der 20-Jährige überlebt hat, ist nur einer Gruppe von Nachtangle­rn zu verdanken. Sie hatten Schreie gehört und waren zu Hilfe geeilt. Als sie auf das Opfer trafen, blutete der 20-Jährige aus schwersten Schnittver­letzungen an Hals, Bauch und Unterarm. Am Ende hatte er drei Liter Blut verloren und musste auf dem OP-Tisch wiederbele­bt werden.

Dass es eine vorausgega­ngene Vergewalti­gung ihrer Freundin gar nicht gegeben hat, haben die 18 und 19 Jahre alten Täter erst im Prozess erfahren. Bis dahin hatte die 17-Jährige die Lüge aufrechter­halten. Warum die Rache, die anfangs als Abreibung geplant war, so eskaliert ist, blieb unklar. Auch die Angeklagte­n hatten dafür keine Erklärung. Kurz vor der Urteilsver­kündung haben sie sich noch einmal persönlich an ihr Opfer gewandt. „Ich kann es nicht fassen, dass es so weit gekommen ist“, sagte die 17-Jährige, die mit sechs Jahren Jugendhaft die höchste Strafe bekommt. Ihr 18jähriger Ex-Freund, der zu fünf Jahren und drei Monaten Jugendhaft verurteilt wird, bat das Opfer und dessen Familie um Vergebung. „Ich schäme mich“, sagte der 19-Jährige, gegen den vier Jahre und neun Monate Jugendhaft verhängt werden.

Die Verteidige­r haben bereits angekündig­t, dass sie Revision einlegen wollen. Sie hatten deutlich mildere Strafen beantragt.

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