Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Polizei muss einen besseren Zugriff auf Sicherheitsdateien haben“
- Jörg Radek, Vize-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, fordert einen besseren Zugriff auf sicherheitsrelevante Informationen und mehr Kompetenzen für die Polizei, um Straftaten von Migranten wirkungsvoller verhindern zu können. Dies sagte Radek im Gespräch mit Andreas Herholz.
Anis Amri war im Visier der Ermittler und blieb dennoch auf freiem Fuß – muss es beim Umgang mit islamistischen Gefährdern Konsequenzen geben?
Es gibt mehr als 500 Gefährder in Deutschland, die rund um die Uhr überwacht werden müssen. Das geht nur mit sehr viel Personal. Eine Entlastung durch beispielsweise elektronische Fußfesseln unterliegt hohen gesetzlichen Hürden und erfolgt nur auf richterliche Anordnung. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass sich Intensivtäter nicht durch elektronische Fußfesseln stoppen lassen.
Amri soll verschiedene Identitäten haben. Wie kann man solche Verschleierungen aufdecken?
Der Verdächtige Amri hat zwölf verschiedene Identitäten. Diese Identitätsverschleierungen müssen verhindert werden. Die Polizei muss einen besseren Zugriff auf Sicherheitsdateien national und international haben. Die Klärung der Frage „Wer ist wer“darf nicht auf den bloßen Verwaltungsakt der Bleiberechtsentscheidung und die Identitätsfeststellung von Verwaltungsbehörden beschränkt bleiben. Die Sicherheitsbehörden müssen in die Lage versetzt werden, aus den Befragungen der Ausländerbehörden und des Bamf Ermittlungsansätze beispielsweise gegen Schleuserbanden oder aufgrund von terroristischen Hinweisen zu erhalten. Oder selbst Sicherheitsbefragungen im Rahmen der ausländer- und asylrechtlichen Verfahrensabläufe vorzunehmen.
Was sollte sich für die Polizei ändern?
Die Polizei muss die Möglichkeit haben, selbst sogenannte Regelabfragen vornehmen zu können. Darüber hinaus sollten die Ausländerund Asylbehörden gesetzlich dazu verpflichtet werden, Hinweise auf Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unverzüglich und verpflichtend an die Sicherheitsbehörden weiterzugeben. Nicht nur die Attacke in Berlin, auch der Sexualmord in Freiburg hat dieses Defizit offenbart. Bisher haben die Sicherheitsbehörden keinen vollen und direkten Zugang zur europäischen Flüchtlingsdatenbank Eurodac. Doch besonders zum Zwecke der Straftatverhütung und der Prävention müssen wir diese Möglichkeiten erhalten. Schon nach den Anschlägen von Paris im Jahre 2015 wurde ein europäisches Straftatenregister Ecris beschlossen. Bisher blieb es bei politischer Absicht.
Sie beklagen, dass wir unsere Sicherheit vernachlässigen. Wo muss künftig wie umgesteuert werden?
Der Bund hat jetzt für die Bundespolizei zusätzliches Personal bereitgestellt. Es kostet aber Zeit, bis diese Kräfte ausgebildet sind. Es gibt aber Bundesländer wie Thüringen, die weiter auf Kosten der Sicherheit bei der Polizei sparen. Solange einige Länder hier nicht mehr Personal einstellen, wird dort die Sicherheit vernachlässigt. Wenn wir jetzt mehr als 700 Bundespolizisten an die deutsch-österreichische Grenze abordnen, obwohl die Zahl der Migranten dort rückläufig ist, fehlt Personal an anderer Stelle, das wir dort jetzt dringender brauchen. An der Grenze zu Österreich sind mehr Polizisten im Einsatz als notwendig, weil es politisch so gewünscht ist. Wir könnten die Bahnhöfe besser schützen und präsenter an anderen Grenzen sein, wenn die Bundespolizei nicht diese überdimensionierten Einsätze in Bayern leisten müsste.