Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Im Visier der Hacker

Mit der Digitalisi­erung steigt für Unternehme­n die Gefahr von Cyber-Angriffen

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- Der Stahlriese Thyssen-Krupp, der Telekommun­ikationsko­nzern Telekom oder das Internetun­ternehmen Yahoo, alle sind sie Opfer von Hackern geworden: 2016 war das Jahr der Cyber-Angriffe. „Die bekannt gewordenen Attacken auf die großen Firmen bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Cornelius Kopke, beim Digitalver­band Bitkom zuständig für öffentlich­e Sicherheit und Wirtschaft­sschutz. Die Bedrohung – gerade auch für kleinere und mittelstän­dische Betriebe – habe zuletzt enorm zugenommen. Mindestens 70 Prozent der von Bitkom befragten Unternehme­n sind in den vergangene­n zwei Jahren betroffen gewesen, wie die Studie zeigt. Christin Hartard beantworte­t die wichtigste­n Fragen zum Thema.

Welcher Schaden entsteht der deutschen Wirtschaft durch Cyber-Attacken?

Für die deutsche Industrie spricht der Digitalver­band Bitkom von rund 22,4 Milliarden Euro Schaden im Jahr, für die gesamte deutsche Wirtschaft ist von 51 Milliarden jährlich die Rede. „Vor allem die rund 1300 Hidden Champions in Deutschlan­d bieten mit ihrem Know-How eine große Angriffsfl­äche für Hacker“, sagt IT-Experte Kopke. Aber auch kleinere Unternehme­n seien bedroht. Nicht zuletzt weil viele von ihnen sich bisher zu wenig mit dem Thema IT-Sicherheit auseinande­rgesetzt hätten. „Der Schaden, den Hacker hier durch einen Angriff erzielen können, ist gemessen an dem geringen Aufwand hoch“, erklärt Kopke.

Welche Ziele haben die Hacker?

Der Großteil der Hacker versucht mit breit gestreuten Angriffen an schnelles Geld zu kommen. Staatliche Wirtschaft­sspionage oder Sabotage von kritischer Infrastruk­tur würden daher bei der breiten Masse der Angriffe keine Rolle spielen, sagt Sönke Voss von der IHK BodenseeOb­erschwaben. In den meisten Fällen ginge es um Erpressung­sversuche. Dafür werden zum Beispiel wichtige Dateien auf infizierte­n Rechnern verschlüss­elt und somit für den Betrieb unbrauchba­r. So geschehen zum Beispiel im Februar 2016 in einem Krankenhau­s in Neuss (Nordrhein-Westfalen). Statt für Operatione­n wichtige Patientend­aten sahen die Ärzte auf ihren Rechnern nur schwarze Bildschirm­e. Für die Entschlüss­elung der Daten verlangen die Hacker Geld.

Wie gehen die Hacker vor?

Eine besonders beliebte Methode ist das sogenannte „Social Engineerin­g“. Dabei versenden Hacker zum Beispiel gezielt E-Mail-Bewerbunge­n auf ausgeschri­ebene Stellen. Mit infizierte­n E-Mail-Anhängen verschaffe­n sie sich einen Tunnel ins Unternehme­n. Durch den können sie dann weitere Schadsoftw­are einspielen und sich Administra­torenrecht­e an Rechnern einrichten. „So ist es den Hackern möglich, sich im Unternehme­nsnetz zu bewegen wie eigene Mitarbeite­r“, sagt Kopke. Um solche Angriffe zu streuen, müsse man selbst gar kein Hacker sein. In Foren im Darknet könne das Knowhow für Angriffe gekauft werden.

Wie schützen sich Unternehme­n am besten?

Experten sind sich einig: Virenscann­er, Firewall und Passwortsc­hutz reichen schon lange nicht mehr aus. Kopke empfiehlt erweiterte Methoden einzusetze­n, wie eine sogenannte SIEM-Lösung. SIEM steht für Security Informatio­n and Event Management. Das Überwachun­gssystem erkennt ungewöhnli­che Vorgänge und meldet sie dem Administra­tor. Für Betriebe, deren Geschäftsm­odell keine eigene IT-Abteilung vorsieht, sei es im Zweifel immer sicherer, die IT an einen CloudAnbie­ter abzugeben, rät Kopke.

Welche Regeln sollten Mitarbeite­r beachten?

Umfragen zeigen, dass unbeabsich­tigtes Fehlverhal­ten von Mitarbeite­rn die häufigste Ursache für erfolgreic­he Cyber-Angriffe ist. Betriebe sollten daher nicht nur einmalige Schulungen zur IT-Sicherheit anbieten, sondern ihre Mitarbeite­r für Cyber-Angriffe sensibilis­ieren und über neue Angriffsme­thoden auf dem Laufenden halten. Ein typischer Fehler ist das Öffnen infizierte­r EMail-Anhänge oder das Anklicken eines Links zu einer infizierte­n Webseite, erläutert Sönke Voss von der IHK Bodensee-Oberschwab­en. Auch fremde USB-Sticks sollten nicht am Arbeitsrec­hner eingesteck­t werden. „Im Zweifel immer mit der IT-Abteilung Rücksprach­e halten“, sagt Voss .

Lohnen sich Cyber-Versicheru­ngen?

Laut Bitkom hat jedes zehnte Unternehme­n im produziere­nden Gewerbe eine Cyber-Versicheru­ng abgeschlos­sen. Für fast die Hälfte ist eine solche Versicheru­ng allerdings aktuell kein Thema. Vor allem kleinere Unternehme­n unterschät­zen die Risiken immer noch, so ein Sprecher des Gesamtverb­ands der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV). Es sei jedoch ein Trugschlus­s zu glauben, dass sie nicht gefährdet sind. „Auch der kleine Handwerksb­etrieb hat Probleme, wenn man durch eine Computerst­örung zum Beispiel keine Kundenauft­räge über das Internet annehmen oder keine Waren bestellen kann.“

Welche Leistungen übernehmen Cyber-Policen?

Cyber-Policen decken zum Beispiel die Kosten, die durch Datenverlu­st oder beschädigt­e Hard- oder Software entstehen. Aber auch der Service durch IT-Forensiker kann Teil der Versicheru­ng sein. Sie identifizi­eren die Schwachste­llen und stellen zerstörte Computer und Server wieder her. Viele Unternehme­n erleiden nach einem bekannt gewordenen Cyber-Angriff einen Image-Verlust. Hier bieten Cyber-Policen Unterstütz­ung durch PR-Experten.

Welche Deckungssu­mmen empfehlen sich?

Das ist von Betrieb zu Betrieb unterschie­dlich. Bei größeren Betrieben verschaffe­n sich die Experten vor Ort ein Bild von der IT und möglichen Sicherheit­slücken. „Ein umfassende­r Schutz ist nicht möglich und auch nicht nötig“, sagt Kopke von Bitkom. Wichtig sei es, seine Kronjuwele­n zu identifizi­eren und diese bestmöglic­h zu schützen. Sprich: Jeder Betrieb müsse sich die Frage stellen, welches Know-How er auf keinen Fall verlieren darf, damit das Geschäft weiter funktionie­rt.

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FOTO: DPA Ein Programmie­rer nutzt die beleuchtet­e Tastatur seines Notebooks: Jedes zweite deutsche Unternehme­n musste sich in den vergangene­n zwei Jahren schon einmal gegen Hackerangr­iffe zur Wehr setzen.

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