Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Geschichte von Flucht und Exil
Ein erstaunlich reifer Debütroman ist der 28-jährigen Shida Bazyar gelungen. „Nachts ist es leise in Teheran“erzählt die Geschichte einer aus dem Iran nach Deutschland geflüchteten Familie, beginnend mit dem Sturz des Schahs. Vier Familienmitglieder berichten über vier Jahrzehnte hinweg aus ihrer jeweils eigenen Perspektive und setzen damit Marksteine im Fluss der Zeit.
1979 lässt die Autorin Vater Behsad zu Wort kommen und gewährt damit Einblicke in die Träume eines jungen, idealistischen Mannes und in den beklemmenden Übergang vom revolutionären Überschwang in ein neuerliches Terrorregime unter Ajatollah Chomeini. 1989 ist es Mutter Nahid, die auf ihr Familien- und Studentenleben in Teheran zurückblickt und sich als Mutter von zwei kleinen Kindern im fremden Deutschland zurechtfinden muss.
Tochter Laleh übernimmt 1999 die Fortsetzung der Erzählung. Sie ist mit köstlich humoresk geschilderten Schul- und Liebesnöten ganz in der neuen Heimat angekommen und doch zwischen den Welten zu Hause. Noch weiter ist die Entfremdung zur elterlichen Heimat bei Bruder Mo gediehen, der in seinem deutschen Studenten-Lotterleben 2009 plötzlich mit den Studentenunruhen in Teheran konfrontiert wird.
Shida Bazyar zeichnet ein vielschichtiges Bild dieser Familie im Exil, lässt die Figuren in ihrer jeweils eigenen Sprache erzählen. Die junge Autorin, die als Tochter von Exil-Iranern in Deutschland geboren wurde und in Hildesheim Literarisches Schreiben studierte, kann dabei erkennbar auf Erzählungen ihrer eigenen Familie zurückgreifen, hat jedoch auch sorgfältig aus vielen Quellen recherchiert. Eingebettet in eine interessant zu lesende Familiengeschichte bietet das Buch eine Menge Stoff zum Nachdenken: Erfahrungen von Revolution und Repression, Flucht und Exil, Heimat und Fremde, geschichtliche Fakten und gut beobachtete Alltagsszenen im vertrauten Deutschland, im fremden Iran. Absolut lesenswert.