Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Haftstrafe für Janinas Mörder

Der Mann, der die Elfjährige an Silvester erschoss, muss zwölfeinha­lb Jahre hinter Gitter

- Von Sophie Rohrmeier

(dpa) - Janinas Mutter fixiert den Mann, der ihre Tochter getötet hat. Mit einer Revolverku­gel, die er in die Nacht feuert – und die der elfjährige­n Janina in den Hinterkopf dringt. Die Mutter ist nicht dabei, als es passiert, in der Silvestern­acht vor fast einem Jahr in Franken. Nun aber, im Prozess gegen den Schützen, wendet sie ihren Kopf immer wieder diesem Mann zu. Er erwidert ihren Blick nicht – auch nicht nach dem Urteil.

Zwölfeinha­lb Jahre soll der gelernte Maurer ins Gefängnis – wegen Mordes. Dazu verurteilt ihn das Landgerich­t Bamberg am Donnerstag. Er habe den Eltern einen unwiederbr­inglichen Verlust zugefügt. Lebenslang bekommt er nicht, weil das Gericht nicht ausschließ­en kann, dass der körperlich kranke und depressive Mann vermindert schuldfähi­g ist.

Einen Tag zuvor sagt er mit verschränk­ten Händen vor dem Körper: „Ich bitte die Eltern um Verzeihung“– und blickt starr nach vorne zum Richter. Die Eltern sieht er nicht an. Stille im Gerichtssa­al. „Das war's?“, fragt der Richter. Das war's.

„Ich hoffe, dass er es bis zum Ende seines Lebens bereut und ihm bewusst ist, was er uns angetan hat“, sagt Janinas Mutter wenige Stunden zuvor. „Die Lücke wird sich nie schließen.“Sie sagt aus vor Gericht, spricht über den Kampf mit dem Alltag nach Janinas Tod. Sie dreht ihren Kopf zum Angeklagte­n, er hält den seinen gesenkt.

Janinas Mutter trägt schwarze Kleidung, wie an jedem Verhandlun­gstag. Während der Verhandlun­g bleibt sie meist gefasst – manchmal aber erträgt sie es nicht mehr, dann eilt sie aus dem Gerichtssa­al. Am vorletzten Prozesstag ist es dann der Angeklagte, der weint. Aber nicht auf seinem Platz im Gericht. Stattdesse­n sieht man an der Saalwand seine Tränen, denn dorthin wird ein Video projiziert: von seiner Vernehmung bei der Polizei am 12. Januar. Er weint, weil die Sprache auf seinen Sohn kommt.

Im Gerichtssa­al regt sich der Mann selten. Richter Schmidt hat Mühe, ihm Antworten zu entlocken. Auch in der Vernehmung bei der Polizei strengen sich die Beamten an. Es geht um die Straße, auf der Janina feierte. „Da hab’ ich früher auch geböllert“, sagt er. „Aber seitdem der Sohn weg ist …“Er bricht ab. Sein Sohn ist heute 15 Jahre alt und – so beschreibe­n es Zeugen im Prozess – sein Ein und Alles. Doch der Junge lebt bei der Mutter, der Ex-Lebensgefä­hrtin, seit diese sich vom Vater Ende 2010 getrennt hat.

Der 54-Jährige, seit Jahren körperlich krank und depressiv, ist am Silvestera­bend allein. Er schläft vor dem Fernseher ein, nachdem er seine Schmerz- und Schlafmitt­el genommen hat. Doch er schläft nicht durch, kann Silvester nicht verschlafe­n. Das Geböller der Nachbarn vor seinem Haus weckt ihn. Vor dem Haus, das er für seine Familie gebaut hatte.

Ein Schuss aus Ärger

In Jogginghos­e und Hausschuhe­n geht er in den Keller, nimmt eine seiner vier Waffen, einen Revolver, lädt ihn und geht in den Garten. Hintenrum, damit ihn die Menschen auf der Straße nicht sehen können. Da steht er im Dunkeln – und feuert. Er sagt: in Richtung Wald, nach oben, nicht auf Menschen. Der Richter sagt: auf die Feiernden, zumindest mit einem Schuss. Heimtückis­ch und aus Ärger.

„Jetzt ist alles kaputt“, sagt der Beschuldig­te bei der Vernehmung. In den Tagen nach den Schüssen gesteht er nicht, obwohl die Polizei ihn befragt. Er habe, erklärt er später, immer gehofft, dass es nicht sein Schuss war, der Janina getötet hat. Er schweigt. „Aus Angst vor Konsequenz­en für sich selbst“, wirft ihm der Oberstaats­anwalt vor. „Schlicht, weil er zu feige ist“, betont er.

„Wir gehen nicht davon aus, dass er keine Reue hat“, sagt der Vorsitzend­e Richter in seiner Urteilsbeg­ründung. „Wir halten ihn auch nicht für einen eiskalten Menschen.“Dennoch hat er einem Kind das Leben genommen.

„Ich hoffe, dass er es bis zum Ende seines Lebens bereut.“Janinas Mutter über den Verurteilt­en

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FOTO: DPA An einem Kreuz in Unterschle­ichach in Franken zünden Menschen Lichter an zum Gedenken an die elfjährige Janina.

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