Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Seit 40 Jahren arbeiten Frauen für Frauen
Die Untermarchtaler Vinzentinerinnen sind seit vier Jahrzehnten in Tansania aktiv
- 230 tansanische Schwestern sind inzwischen in dem afrikanischen Land für die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul aus Untermarchtal aktiv. Die Schwerpunkte ihres Tuns sind vor allem die Frauenarbeit, Bildung und Gesundheit. An 23 Station in Tansania, vor allem im Südwesten, sind sie tätig.
Schon seit 1960 sind die Vinzentinerinnen in Tansania aktiv. Sie haben hier Schulen, Kindergärten, Gesundheitseinrichtungen und Haushaltsschulen eröffnet. Hier folgen die Vinzentinerinnen dem Grundgedanken von Vinzenz von Paul, der den Orden einst gründete, damit die Schwestern raus gehen und den Bedürftigen helfen. „Bei unserer Arbeit sind wir auf Spenden angewiesen, ohne das könnten wir den Menschen vor Ort kaum helfen“, sagt Schwester AnnaLuise Kotz, die die Missionsprokura seit fünf Jahren leitet und zuständig für die korrekte Verwendung der Spendengelder ist. Bis auf einen Teil der Gehälter der Krankenschwestern und Lehrerinnen werde alles über Spenden finanziert.
Auch um die Kranken vor Ort versorgen zu können, sei Unterstützung notwendig. „In Tansania müssen die Behandlungen und Medikamente selbst bezahlt werden, das können sich nur die Wenigsten leisten“, erklärt die Schwester, die erst im November von einem mehrwöchigen Aufenthalt in Afrika zurückgekommen ist. Die Region, in der die Schwestern aktiv sind, sei sehr arm und die Aids-Rate sehr hoch. „Die Medikamente sind für die Menschen aber zu teuer“, so Schwester AnnaLuisa.
Die Infrastruktur im Land ist sehr schlecht. Der Großteil der Menschen lebt von der Landwirtschaft. Es gibt so gut wie keine Industrie, die Arbeitsplätze schafft. „Weil die Kinder bei der Arbeit gebraucht werden, gehen nur wenige zur Schule“, berichtet die Vinzentinerin. Schulbildung sei aber enorm wichtig, um irgendwann regelmäßige Arbeit zu finden. Der Staat übernimmt allerdings nur die Kosten für die siebenjährige Volksschule. Für weiterführende Schulen muss Schulgeld bezahlt werden, was oft die finanziellen Möglichkeiten der Familien übersteigt. Frauen und Mädchen müssten so ausgebildet werden, dass sie sich allein versorgen können. An der Haushaltsschule des Ordens lernen sie beispielsweise die Herstellung von Schmuck, Taschen oder Körben, die sie dann verkaufen können. „Mit den Männern ist es sehr schwierig. Sie haben ihren neuen Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden. Sie können keine Hirten mehr sein und finden auch keine andere Beschäftigung“, erzählt die Schwester. So säßen die Männer häufig zuhause, während sich die Frauen um Haus, Essen, Kinder und die Felder kümmern.
Projekt im Kinderheim
Eines der aktuellsten Projekte des Ordens ist ein Kinderheim. „In dem kleinen Waisenhaus haben wir vor vier Jahren mit zwei bis drei Kindern angefangen. Inzwischen leben dort etwa 19, deshalb platzt es aus allen Nähten. Die Kinder schlafen teilweise zu zweit oder dritt in einem Bett“, so Anna-Luisa Kotz. Ein neues Haus müsse her und das werde richtig teuer. Zwar seien die Personalkosten deutlich günstiger als in Deutschland, das Material sei dafür umso teurer, schließlich müsse es meist sehr weit zu den Baustellen transportiert werden.
Ein weiteres, sehr dringendes Thema, sei die Trinkwasserversorgung für Mkenda an der Grenze zu Mosambik. Hier leben viele Menschen, die während des Bürgerkrieges vor rund 20 Jahren nach Tansania geflohen sind. Seit 2012 bauen dort zwei tansanische Schwestern eine Station auf. Eine ist zuständig für den Aufbau von Kindergarten und Grundschule, die andere versorgt in einer Art Erste-Hilfe-Station Kranke. „Die Arbeit ist schwierig, weil es keine Stromversorgung oder fließendes Wasser gibt“, berichtet Anna-Luisa Kotz. Das Wasser werde aus dem Grenzfluss Ruvuma geholt, der auch als Viehtränke und zum Wäsche waschen diene. „Außerdem gibt es dort Krokodile, was sehr gefährlich werden kann“, so die Schwester. Es sollen zwei Leitungen, eine für die Station und eine für die Bevölkerung, gelegt werden. Weil die Quelle mehrere Kilometer entfernt ist, belaufen sich die geschätzten Kosten hierfür auf rund 20 000 Euro.
230 Schwestern
230 Schwestern beheimatet der Orden inzwischen in Tansania. „Die meisten Stationen werden von einheimischen Schwestern geleitet“, sagt Anna-Luisa Kotz. Das sei vor allem deshalb hilfreich, weil sie die politischen Begebenheiten im Land viel besser kennen und verstehen würden. Die Türen der Einrichtungen stünden Menschen aller Konfessionen offen, betont die Schwester.
Die Tansanier seien stolz darauf, eines der wenigen Länder zu sein, das die Unabhängigkeit ohne Krieg erreicht hat. Aber Schwester AnnaLuisa Kotz befürchtet, dass sich das womöglich ändern könnte, weil auch in Tansania die Unterschiede zwischen Arm und Reich stetig größer würden. „Das schürt Neid“, fürchtet sie.
„In Kisuaheli gibt es kein Wort für Zukunft“, sagt die Vinzentinerin, deshalb sei es eine der größten Herausforderungen den Menschen beizubringen, für harte Zeiten vorzusorgen.