Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Leben in der Bruchbude
Unter katastrophalen Bedingungen leben zwei junge Syrer in der Unteren Stadt in Ehingen
- Zwei Brüder aus Syrien haben in der Unteren Stadt in Ehingen eine Wohnung gefunden. Der Zustand der zwei Zimmer ist katastrophal, nur ein Raum kann beheizt werden, im anderen ist es bitterkalt. 750 Euro Miete werden monatlich für die Absteige fällig. Diese Wohnsituation ist in dem Gebiet kein Einzelfall. In einigen Häusern sind die Unterkünfte verwahrlost.
Über die Lampen ihrer Smartphones beleuchten die Brüder aus Syrien den Flur mit der schmalen steilen Stiege zum zweiten Obergeschoss. Lampen gibt es nicht, die Stiege gleicht eher einer Leiter. In dem Dachgeschoss ist Laminat verlegt, der durchhängt, ständig hat man das Gefühl, durch den Boden durchzubrechen. Ihre Lebensmittel haben die beiden 22-jährigen und 28-jährigen Männer auf dem einzigen Möbelstück in einem der beiden Zimmer aufgestellt. Es ist so kalt hier, dass sie keinen Kühlschrank brauchen. Den Ofen in dem Raum können sie nicht nutzen. Das Abzugsrohr ragt in den Raum und ist nicht angeschlossen. Im kleinen Nebenraum stehen zwei Betten und ein Sofa. Stromkabel haben die Brüder selbst verlegt. Nur ein Laken verhängt die Tür, hält die Wärme im Raum, die ebenfalls von einem Ofen kommt. 750 Euro Miete jeden Monat zahlt das Jobcenter für die Wohnung. Küche und Bad teilen die Brüder mit zwei weiteren Mietparteien. Der Mietvertrag ist auf Altpapier gedruckt. Manche Wörter sind beim Druck abgeschnitten worden. Die beiden jungen Männer sagen, dass sie das Wohnangebot nur angenommen hätten, um in der Innenstadt bleiben zu können. Etwa ein Jahr haben sie in der Unterkunft des Alb-Donau-Kreises, die als Alte Molke bekannt ist, gelebt. Dann hätten sie in eine Anschlussunterkunft ziehen sollen, was die beiden nicht wollten. Mit Internet und Handyverbindung wäre es dort schwer geworden, begründen die Brüder ihre Entscheidung. Für sie sind das die einzigen Wege, den Kontakt zur Familie nach Syrien zu halten.
Feuerstelle ist brandgefährlich
Thomas Sontheimer, Kaminkehrer und Stadtrat, war diese Woche in der Wohnung. Er ist absolut schockiert von den Zuständen. „Ich habe dort eine Feuerstelle vorgefunden, die brandgefährlich ist“, sagt er. Es sei ein Wunder, dass noch keine Rauchwolken über der Unteren Stadt aufgestiegen seien. Dass die beiden Öfen nicht auf einer feuerfesten Steinplatte stünden, sei noch das geringste Problem. „Diese Feuerstelle ist nicht erlaubt, geschweige denn angemeldet.“Zum ersten Mal in seiner Zeit als Stadtrat hat er nach dem Besuch persönlich bei Oberbürgermeister Alexander Baumann angerufen und um Hilfe gebeten. Sontheimer will verhindern, dass weitere Menschen in dem verwahrlosten Haus leben müssen. „Ich schäme mich wirklich, wie da mit den Flüchtlingen umgegangen wird.“
Enar Gemeinder vom Helferkreis hat sich der beiden jungen Männer angenommen. „Über den Winter kann man die beiden hier unmöglich wohnen lassen“, sagt sie und ist erschrocken darüber, dass das Jobcenter in Ehingen überhaupt bereit war, die Mietkosten und die Kaution für diese Unterkunft zu übernehmen. „Da muss doch mal jemand schauen, was da für Wohnungen angeboten werden.“
Die Geschäftsstellenleiterin Karin Mohr vom Jobcenter in Ehingen kennt den Fall und sagt, dass sie die beiden jungen Männer vor der Wohnung gewarnt habe. „Wir haben aber keine Handhabe“, ergänzt sie. Denn die beiden Syrer seien volljährig und könnten daher selbst zivilrechtliche Verträge abschließen. Passen Kaltmiete und Quadratmeterzahl, werden die Kosten übernommen. Bis zu 395 Euro Kaltmiete für 45 Quadratmeter für eine Person übernimmt das Amt im Bereich Ehingen. Vorgelegt werden von den Bezugsberechtigten nur die Mietbescheinigungen. „Uns ist bewusst, dass die Mietpreise für Flüchtlinge deutlich überzogen sind“, sagt Karin Mohr. Sie weiß auch, dass in bestimmten Bereichen in Ehingen Menschen unter katastrophalen Bedingungen leben. „Diese Menschen tun sich schwer, eine Wohnung auf dem freien Markt zu kriegen und bevor sie gar nichts finden, unterschreiben sie die Mietverträge für solche Wohnungen.“Im Nachgang kämen dann oft Beschwerden, aber Karin Mohr kann den Menschen dann nur raten, sich anwaltlich beraten zu lassen, um schnell wieder aus dem Vertrag rauszukommen.
Inzwischen haben die beiden Männer eine Wohnung in Allmendingen in Aussicht. Noch gibt es Probleme mit der Höhe der Miete, die nicht zum Regelsatz des Amts passt, aber Enar Gemeiner hofft, dass die beiden möglichst bald aus der Absteige ausziehen können und sich alles zum Guten wendet.