Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Expressionist Nolde soll Tausende anziehen
Ravensburger Kunstmuseum erwartet zur neuen Ausstellung 15 000 Besucher
(vin) - Emil Nolde gilt als einer der führenden Expressionisten. Aber viele kennen nur seine – eher kitschigen – Blumenbilder, die in den 1950er-Jahren an jeder deutschen Spießbürger-Wohnzimmerwand hingen. Im Ravensburger Kunstmuseum wird ab kommender Woche ein anderer, aufregender, innerlich zerrissener Nolde gezeigt. „Emil Nolde. Der Maler“ist nach der Max-PechsteinSchau schon die zweite Ausstellung eines Künstlers von Weltformat innerhalb eines Jahres in Ravensburg.
Mehr als 50 Ölgemälde aus allen Schaffensperioden und einige Radierungen werden noch bis 5. Februar zu sehen sein – in Kooperation mit dem Brücke-Museum Berlin, wo die Ausstellung bis vor Kurzem gezeigt wurde, und der Nolde-Stiftung Seebüll. Obwohl die Ausstellungsdauer eher kurz ist, rechnet Museumsleiterin Nicole Fritz mit 15 000 Besuchern. Vorsichtig gerechnet. Die Berliner Ausstellung wurde für Ravensburg etwas modifiziert, soll sie doch mit Werken aus der „Cobra“-Bewegung aus der Selinka-Stiftung korrespondieren. „Wir haben die Figuren in den Vordergrund gestellt“, sagt Nicole Fritz.
Fantasiefiguren auf Postkarten haben tatsächlich den Grundstein für die Karriere des deutsch-dänischen Künstlers (1867–1956) gelegt. „Er ließ sie auf hunderttausend Postkarten drucken, die sich innerhalb von zehn Tagen verkauft haben“, so Fritz. Anstatt weiter kommerziell zu arbeiten, verwandte Nolde das Geld dazu, freier Künstler zu werden. Naturgeister und Fantasiewesen – so etwas Spannendes verbinde man nicht mit Emil Nolde. Die Heimatverbundenheit und Sehnsucht nach dem Ländlichen einerseits und die Faszination der Großstadt mit ihren Verführungen andererseits haben sein Werk deutlich geprägt. Beides wird bei der Ausstellung deutlich.
Ein Raum unter der Überschrift „Entdeckung der Farbe“wird einen Nolde zeigen, der „beinahe wie Van Gogh“gemalt hat, wie Fritz erläutert. Von 1906 bis 1907 war er Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“– mit peitschenden, bewegten Pinselstrichen schwelgte er orgiastisch in Farbe.
Die Ausstellungsmacher verschweigen aber auch nicht die dunklen Seiten des Ausnahmekünstlers: Nolde war fasziniert von der völkischen Idee des Nationalsozialismus und ein überzeugter Antisemit. Während Propagandaminister Joseph Goebbels ein Fan von ihm war, konnte Adolf Hitler, der selbst in seiner Jugend keinen Erfolg als Kunstmaler hatte, die Bilder des Expressionisten nicht leiden. 1937 wurden 1052 Werke von Nolde in deutschen Museen beschlagnahmt. In der verfemenden Ausstellung „Entartete Kunst“war Nolde der am stärksten vertretene Künstler. Weiterer Beleg für die Zerrissenheit Noldes ist, dass er trotz der Ablehnung seiner Werke durch das nationalsozialistische Regime bis zum bitteren Ende 1945 mit diesem sympathisierte.
1946 verkehrten sich die Verhältnisse. Trotz seiner Parteimitgliedschaft wurde Nolde vom Entnazifizierungsausschuss Kiel entlastet, eben weil die Nazis seine Kunst als entartet diffamiert hatten. „In den Führungen gehen wir ganz offen mit dem Thema um“, sagt Fritz. Die Ausstellung „Emil Nolde. Der Maler“im Ravensburger Kunstmuseum dauert bis 5. Februar. Sie ist täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr geöffnet (auch an den Feiertagen), donnerstags bis 19 Uhr. Der Eintritt kostet sieben, ermäßigt vier Euro. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre zahlen nichts.