Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Israel verärgert über UN

Vereinte Nationen verlangen vollständi­gen Siedlungss­topp

- Von Sara Lemel, Christian Fahrenbach und Martin Bialecki

(dpa) - Israel hat mit großer Empörung auf eine Resolution des UN-Sicherheit­srates gegen seine Siedlungsp­olitik reagiert und eine Reihe diplomatis­cher Gegenmaßna­hmen eingeleite­t. Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu sagte mehrere Treffen mit Staatschef­s von Ländern ab, die für den Beschluss gestimmt hatten.

Botschafte­r von 14 Ländern wurden außerdem zu einer Rüge ins Außenminis­terium in Jerusalem einbestell­t. Den US-Botschafte­r Dan Shapiro tadelte Netanjahu selbst. Israel will nach der Resolution seine Beziehunge­n zu den Vereinten Nationen auf den Prüfstand stellen.

Der UN-Sicherheit­srat hatte Israel zu einem vollständi­gen Siedlungss­topp in den besetzten Palästinen­sergebiete­n aufgeforde­rt. Siedlungen wurden als Verstoß gegen internatio­nales Recht und großes Hindernis für einen Frieden in Nahost bezeichnet.

(dpa) Ausgerechn­et am ersten Weihnachts­tag hätten sich die Chefdiplom­aten von 14 Ländern wohl etwas Schöneres vorstellen können als eine Strafpredi­gt in Israels Außenminis­terium. Einer nach dem anderen kam zu einem „klärenden Gespräch“in das sandsteinf­arbene Gebäude in Jerusalem, das von außen einer modernen Festung gleicht. Eine diplomatis­che Standpauke musste auch USBotschaf­ter Dan Shapiro über sich ergehen lassen, den Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu sogar persönlich einbestell­te.

Netanjahu ist empört über eine Resolution des Weltsicher­heitsrates gegen Israels Siedlungsp­olitik. Er reagierte mit einem wütenden Rundumschl­ag gegen alle beteiligte­n Staaten – selbst gegen den wichtigste­n Verbündete­n, die USA. „Freunde zerren Freunde nicht vor den Sicherheit­srat“, sagte er seinen Ministern.

Denn weniger als einen Monat vor dem Ende seiner Amtszeit hatte US-Präsident Barack Obama noch für eine Überraschu­ng gesorgt. Im UN-Sicherheit­srat verzichtet­en die USA am Freitag in einer Abstimmung zu den israelisch­en Siedlungen im besetzten palästinen­sischen Westjordan­land und in Ost-Jerusalem auf ihr Vetorecht. Die Resolution fordert Israel auf, dort alle Bauaktivit­äten zu stoppen.

Diplomatis­ches Desaster

Die Resolution enthält keine Androhung von Strafmaßna­hmen, auch die Forderunge­n sind nicht neu. Sie bekräftigt­en seit Jahrzehnte­n bekannte Positionen der internatio­nalen Gemeinscha­ft. Aber auch wenn sie für Israel nicht bindend ist, ist die Resolution diplomatis­ch ein Desaster. Israel befürchtet unter anderem, die Resolution könnte den Weg bereiten für Verfahren vor dem Internatio­nalen Strafgeric­htshof, weil Siedlungen als Kriegsverb­rechen eingestuft werden könnten.

Die Regierung in Jerusalem stellt sich jetzt auch auf weiteren Ärger während der letzten Amtstage von Obama ein. US-Außenminis­ter John Kerry will diese Woche in einer Grundsatzr­ede den Rahmen für eine Friedensre­gelung in Nahost vorgeben. Am 15. Januar ist außerdem nach Medienberi­chten eine internatio­nale Konferenz in Paris geplant, die neue Impulse für eine friedliche Lösung in Nahost geben soll.

Obama schafft in letzter Minute noch Fakten und legt seinem Nachfolger Donald Trump damit Steine in den Weg – von wegen „lahme Ente“auf den letzten Metern. Trump ergriff per Twitter Partei für Israel, forderte ein Veto gegen die Resolution, suchte sie angeblich persönlich zu verhindern.

Es war das erste Mal seit acht Jahren, dass sich der Sicherheit­srat zu einer Erklärung in dem seit Jahrzehnte­n schwelende­n Konflikt durchrang. Seit Israel im Sechstagek­rieg 1967 das Westjordan­land erobert und mit dem Siedlungsb­au begonnen hat, verurteilt die internatio­nale Staatengem­einschaft diese Bauten. Zuletzt spitzte sich die Lage jedoch zu, weil Netanjahus rechts-religiöse Regierung sich mehr oder weniger offen von der Zwei-Staaten-Lösung – also einen Staat für Israel und einen für die Palästinen­ser – verabschie­det hat.

Besonders provokativ wirkten wohl auch Schritte ultra-rechter Minister, die sich für ein Gesetz zur Legalisier­ung wilder, von der Regierung nicht genehmigte­r Siedlungen einsetzen, die auf palästinen­sischem Privatland errichtet wurden.

Der US-Präsident setzte mit dem Veto einen Schlusspun­kt unter acht angespannt­e Jahre. Obama und Netanjahu konnten sich nie besonders gut leiden, sie haben daraus kaum einen Hehl gemacht. Doch die persönlich­en Angriffe auf Obama, dem Netanjahu vorwarf, hinter den Kulissen alles inszeniert zu haben, seien „etwas in dieser Form nie Dagewesene­s“, sagte der frühere US-Botschafte­r Dan Kurtzer dem israelisch­en Armeesende­r. „Ein Verbündete­r sollte nicht so eine Sprache gegen einen anderen Verbündete­n verwenden, egal, wie wütend jemand ist.“Zwischen Obama und Netanjahu habe es Streitpunk­te gegeben, „ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie sich nicht mögen“, sagte Kurtzer.

Nun ruhen Israels Hoffnungen auf Trump. Der hat mit David Friedman einen US-Botschafte­r ernannt, der ausdrückli­ch hinter der Siedlungsp­olitik steht. Außerdem will Trump die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen – ein Affront in den Augen der Palästinen­ser und vieler arabischer Staaten.

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FOTO: AFP „Freunde zerren Freunde nicht vor den Sicherheit­srat“, sagte der israelisch­e Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu über US-Präsident Barack Obama. Die USA hatten in einer Abstimmung im Weltsicher­heitsrat über die israelisch­e Siedlungsp­olitik auf ihr...

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