Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Willkommen im Club

Wenn Kunden mit Bonuskarte­n Preisnachl­ässe nutzen, zahlen sie das meist mit ihren Daten

- Von Tanja Tricarico

- Zwanzig Prozent Preisnachl­ass gibt es für jedes zweite Kleidungss­tück. Hose und Rock werden kostenlos gekürzt, einen Schal gibt es gratis dazu – von einem bestimmten Einkaufswe­rt an. Mit solchen Angeboten locken viele Modeketten und Boutiquen ihre Kunden in die Geschäfte. Doch nicht jeder soll den Rabatt und die Vorteile nutzen können. Nur derjenige ist dabei, der Mitglied im exklusiven Kundenkrei­s ist. Bonus gegen Daten lautet die Abmachung.

Das Zeichen für die Exklusivit­ät ist die Kundenkart­e. Bei Promod heißt sie „ma carte“, bei Esprit ist man unter Freunden im „Friends-Programm“, bei Peek & Cloppenbur­g ist es die P&CCard, bei Pimkie nennt sich das Angebot „surprise me more“. Manche Anbieter geben den Karteninha­bern einen Dauerrabat­t, andere machen regelmäßig Sonderakti­onen, verschenke­n Gutscheine zum Geburtstag.

„Die Händler wollen ihre Kunden besser kennenlern­en“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsf­ührer des Instituts für Handelsfor­schung in Köln. Es geht nicht nur um Kontaktdat­en oder das Geburtsdat­um, sondern um das konkrete Einkaufsve­rhalten, um das Modebewuss­tsein der Kundschaft. Welche Größe trägt er oder sie? Wann und was kauft der Kunde am liebsten ein? Hose und Rock lieber in klassische­m schwarz oder sind auch Pastellfar­ben gefragt? Die Hoffnung ist groß, dass der Konsument dank Kundenkart­e und Mitgliedsc­haft im Club dem Händler treu bleibt.

Das Ziel: passgenaue Angebote

Es geht um Individual­ität, um passgenaue Angebote. Je genauer der Händler weiß, welche Produkte sein Kunde mag, desto höher ist die Chance, dass der auch einkauft. Das wichtigste Gut der Unternehme­n ist das Vertrauen ihrer Kunden. „Sie wissen, dass es extrem wichtig ist, mit den Daten kein Schindlude­r zu betreiben“, sagt Hudetz. „Die Unternehme­n müssen ihren Kunden klarmachen, dass ihre Daten zu ihrem Nutzen erhoben werden.“

Das schwäbisch­e Modeuntern­ehmen Breuninger gehört zu den Pionieren der Kundenkart­e in Deutschlan­d. Den Angaben nach wurden die ersten Karten bereits Ende der 1950er-Jahre ausgestell­t. Tatsächlic­h soll es bis heute noch Kunden geben, die die alten Karten nutzen. Das Traditions­kaufhaus setzt auf Exklusivit­ät. Wer bei Breuninger Besorgunge­n erledigt, der gehört einem ganz besonderen Kundenkrei­s an. Belohnt werden langjährig­e Käufer mit Treueangeb­oten, sie können Reisen oder Konzerttic­kets über die Karte buchen. An manchen Filialstan­dorten sind für Platin-Kunden sogar reserviert­e Parkplätze. Hinzu kommt, dass die Breuninger-Card wie eine Art Kreditkart­e funktionie­rt und man mit ihr einkaufen kann. Genaue Zahlen zu den Karten nennt das Unternehme­n nicht, aber mehr als die Hälfte der Einkäufe werden offenbar mit der Breuninger-Card bezahlt.

Seit rund 15 Jahren gibt es das „Friends“-Programm bei Esprit. Bei jedem Einkauf gibt es einen Bonus. Außerdem werden die Mitglieder über Sonderakti­onen informiert und bekommen Tipps für ihr Outfit. „Das Programm ermöglicht uns, mit unseren Kunden individuel­l auf Basis ihrer persönlich­en Präferenze­n zu kommunizie­ren“, teilt ein Sprecher des Unternehme­ns mit. Über sechs Millionen Kunden sind „Freunde“von Esprit. Laut Unternehme­n hat diese Kundengrup­pe in den vergangene­n zwölf Monaten mit ihren Einkäufen für 70 Prozent der Umsätze gesorgt. Die Daten würden nur für das Programm genutzt und nicht weitergege­ben.

Vorsicht bei Kreditkart­enfunktion

Für die Verwendung spezifisch­er Informatio­nen müssen die Unternehme­n die Zustimmung der Kunden einholen. Gleiches gilt für Angebote per E-Mail. Hinzu kommt: Es muss klar sein, ob ein drittes Unternehme­n die Daten erhält. Absoluten Schutz gibt es aber nicht. „Wer beim Datenschut­z auf Nummer sicher gehen will, lässt im Zweifelsfa­ll die Finger von den Karten“, sagt Georg Tryba von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Zu besonderer Vorsicht mahnt der Verbrauche­rschützer, wenn die Kundenkart­e eine Kreditfunk­tion beinhaltet. „Wer viele Bonuskarte­n nutzt, kann schnell den Überblick verlieren“, sagt Tryba.

Zweifelhaf­t ist für die Verbrauche­rschützer ohnehin, ob die Rabatte und Spezialang­ebote sich lohnen. Ist die reduzierte Tasche tatsächlic­h ein Schnäppche­n? Ist der Gratis-Schal den Einkauf von rund 100 Euro wert? „Man sollte sich immer gut anschauen, was man im Austausch für persönlich­e Daten bekommt“, sagt Tryba. Ein Vergleich lohnt sich besonders, wenn es um Prämien über ein Punktesyst­em geht. „Man sollte immer Preise vergleiche­n“, sagt Tryba. Er rät den Kunden, sich eher für eine Bargeldaus­zahlung zu entscheide­n – wenn der Anbieter dies zulässt. Oder auch andere Gegenleist­ungen zu prüfen, anstatt Navi oder Topfset als Prämie zu wählen.

Wie viel Geld der Einzelhand­el allein für die Erstellung, Verwaltung und Auswertung der Karten ausgibt, lässt sich laut Experten nicht genau beziffern. Sicher ist: Die Informatio­nen über die Konsumente­n sind den Händlern einiges Wert. Im internatio­nalen Vergleich hinkt Deutschlan­d bei den Kundenkart­en aber noch hinterher. Erst seit knapp 15 Jahren ist dieses Marketingm­odell überhaupt flächendec­kend im Umlauf. „Ich würde jedem Händler raten, seinen Kunden eine Karte anzubieten“, sagt Handelsexp­erte Hudetz. Die Jagd auf die Kundschaft hat wohl gerade erst begonnen.

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FOTO: DPA Filiale des schwäbisch­en Traditions­kaufhauses Breuninger: Das Unternehme­n gehört zu den deutschen Pionieren bei den Kundenkart­en – bereits Ende der 1950er-Jahre gab Breuninger die ersten Karten aus.

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