Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Prozess-Ende ist nicht in Sicht
Versuchter Mord in Herbertingen: Verteidiger Schmitt stellt weitere Beweisanträge
Das Ende des Prozesses wegen versuchten Mordes am Landgericht Ravensburg ist weiter nicht in Sicht. Am Mittwoch stellte Verteidiger Moritz Schmitt weitere zehn Beweisanträge, um seinen Mandanten, einem 22-Jährigen mit Wohnsitz in Herbertingen, vor dem Gefängnis zu bewahren.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 22-Jährigen und seinem 27-Jährigen mutmaßlichen Komplizen vor, in der Nacht zum 19. März dieses Jahres in einem Hof in der Hauptstraße in Herbertingen zwei Männer mit Faustschlägen, Fußtritten und in zwei Socken gepackten faustgroßen Steinen so schwer misshandelt zu haben, dass zumindest eines der beiden Opfer eine lebensgefährliche Verletzung erlitt. Ihn soll ein Schlag am Kopf getroffen haben, der bei ihm einen offenen Schädelbruch verursachte. Das Motiv für die Tat könnte Habgier gewesen sein, da einer der beiden Täter laut Zeugenaussagen eine schwarze Tasche vom Tatort mitgenommen habe, die einem der beiden Opfer gehörte. Dieses Motiv wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor. Die Anklagebehörde erhob deshalb Anklage wegen versuchten Mordes.
Zweifel an der Glaubwürdigkeit
Zur Festnahme der beiden Angeklagten führte eine Blutspur, die ein Leichenhund der Polizei vom Tatort bis zur Wohnung der beiden Männer verfolgte und die Aussage eines der Opfer, einem 35-Jährigen, er habe die Täter an der Sprache erkannt. Als weiterer belastender Beweis dient ein gerichtsmedizinisches Gutachten, das eine Übereinstimmung von sichergestellten DNA-Spuren auf den Socken mit der DNA der beiden Angeklagten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nahelegt. Allerdings spricht auch einiges gegen die Beteiligung der beiden Angeklagten. Kein Zeuge hat sie als Täter identifiziert. Niemand hat die Schläge mit den in Socken gepackten Steinen beobachtet. Zudem hatte das 35-jährige Opfer, das die beiden Täter an der Sprache erkannt haben will, zur Tatzeit über drei Promille Alkohol im Blut, was die Glaubwürdigkeit seiner Aussage erheblich mindern könnte, wie es die Verteidigung mehrfach vor Gericht betonte. Und da sind noch die beiden anonymen Briefe, die bei Gericht und der Staatsanwaltschaft während des Prozesses eingingen, die die beiden Angeklagten diffamierten. Wer sie geschrieben hat, ist bislang noch unklar. Auch die angeblich gestohlene Tasche ist noch nicht aufgetaucht. Das Motiv für die Tat ist ebenfalls noch nicht eindeutig. Der 22-Jährige kann zur besagten Nacht keine Angaben machen. Er könne sich nicht mehr erinnern. Der 27-Jährige erklärte vor dem Haftrichter, er habe mit der Tat nichts zu tun. Beide Angeklagten lebten bis zu ihrer Festnahme in geordneten Verhältnissen und sind bis zum Prozessbeginn strafrechtlich nicht aufgefallen.
Strapazierte Nerven
Zur Aufhellung des Tathergangs hat die Verteidigung in den letzten drei Prozesstagen über 30 zusätzliche Beweisanträge gestellt, die das Gericht bis zum jüngsten Verhandlungstag allesamt abgelehnt hatte. Zwar hat die Verteidigung das Recht, in der Phase der Beweisaufnahme jederzeit Anträge zu stellen, die weitere Indizien oder Beweise zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen, allerdings ist die Geduld der Staatsanwaltschaft und der Kammer inzwischen strapaziert. Staatsanwalt Christian Pfuhl warf Verteidiger Schmitt gestern vor, seine Anträge dienten nur dem Zweck der Verzögerung des Verfahrens und zeigte sich zunehmend genervt. Auch der Vorsitzende Richter Jürgen Hutterer verlor kurzzeitig die Fassung, als Verteidiger Schmitt ihm „Haarspalterei“vorwarf.
Wie viele Beweisanträge die Verteidigung noch zu stellen gedenkt, ist nicht klar. Mit dem achten Verhandlungstag sollte der Prozess eigentlich zu Ende gehen. Für den Jahresbeginn hat die Kammer jetzt vier weitere Termine angesetzt. Am 9. Januar wird der Prozess am Landgericht Ravensburg fortgesetzt.