Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Strom teurer, Gas billiger
Gasversorger geben sinkende Preise nur zum Teil weiter
(AFP) - Stromkunden in Deutschland müssen vom Jahreswechsel an mehr zahlen als ein Jahr zuvor. Im Schnitt steigen die Kosten um ein Prozent, wie das Vergleichsportal Verivox am Mittwoch mitteilte. Für eine drei- bis vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden ergäben sich im Schnitt Zusatzkosten von elf Euro.
Anders ist das beim Gas – hier halte „der Trend flächendeckend sinkender Gaspreise“weiter an, erklärte das Vergleichsportal. Zwischen Januar 2016 und Januar 2017 werde Gas im Durchschnitt rund sieben Prozent billiger. Eine Trendwende hin zu höheren Preisen sei „derzeit nicht zu befürchten“, erklärte Verivox.
Grund sind vor allem die sinkenden Einkaufspreise bei den Gasversorgern, die ihre niedrigeren Kosten allerdings nicht vollständig an die Kunden weitergeben. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt.
- Die Gaspreise in Deutschland sind auf dem niedrigsten Stand seit 2010. Eine Studie im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion zeigt allerdings, dass die Versorger in den vergangenen Jahren ihre Gewinnmargen ausgeweitet und ihre Preise nicht in dem Maße gesenkt haben, wie sich ihre Beschaffungskosten verringerten. „Der Trend bei den Preissenkungen ist erfreulich. Aber die gesunkenen Einkaufspreise beim Gas sind immer noch nicht gänzlich bei den privaten Haushalten angekommen“, erklärte Grünen-Expertin Bärbel Höhn, Chefin des Umweltausschusses im Bundestag, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Sind das Nachrichten für Millionen von Gaskunden? Rasmus Buchsteiner beantwortet die wichtigsten Fragen zur Preisentwicklung.
Wie verbreitet ist Heizen mit Gas in Deutschland?
Gas ist der mit Abstand wichtigste Energieträger für Raumwärme in Deutschland. Fast jede zweite Wohnung – 49 Prozent – wird mit Gas geheizt. Bei Neubauten sind es mit 46 Prozent etwas weniger. Im Südwesten werden nach einer Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft rund 32 Prozent der Wohnungen mit Gas geheizt.
Wie haben sich die Beschaffungskosten für Gas entwickelt?
Die Beschaffungskosten der deutschen Gashändler sind seit 2012 um knapp die Hälfte gefallen. Das zeigt die Studie des Beratungsbüros „Energycomment“, die die Grünen in Auftrag gegeben haben und die der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. Von Anfang 2015 bis Mitte 2016 sanken die Einkaufspreise um 30 Prozent auf etwa 1,5 Cent je Kilowattstunde.
Wie sehen die Preis-Perspektiven für Verbraucher aus?
2016 habe der Preis für 20 000 Kilowattstunden rund 1440 Euro betragen, heißt es aus der Branche. Das entspreche in etwa dem Jahresverbrauch eines Vier-Personen-Haushalts und sei der niedrigste Wert seit Juli 2010. Bereits zu Beginn der Heizsaison 2016/2017 hätten viele Versorger die Preise gesenkt. Die Preissenkungen in diesem Zeitraum würden bei durchschnittlich 6,5 Prozent liegen. Von den niedrigeren Gaspreisen könnten etwa 13 Millionen Haushalte profitieren, die meisten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Sie dürften sich über bis zu 650 Euro Ersparnis pro Jahr freuen.
Sind die Preise überhöht?
Die neue Studie kommt zu einem differenzierten Bild. Demnach seien bei einer Durchschnittsbetrachtung für ganz Deutschland mögliche Kostensenkungen durch niedrigere Einkaufspreise im Jahr 2014 kaum, 2015 fast vollständig und 2016 zum großen Teil an die Verbraucher weitergegeben worden. In diesem Jahr hätte ein Musterhaushalt mit 20 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch angesichts gesunkener Kosten der Versorger etwa 30 Euro weniger zahlen müssen als tatsächlich fällig wurden, 2015 fünf Euro weniger. Dabei haben die Versorger ihre Bruttomargen ausgeweitet. Die Industrie profitiert deutlich stärker von Preissenkungen: Seit 2012 gingen die Preise für Unternehmen um 25 Prozent zurück, für Haushaltskunden jedoch nur um drei Prozent.
Wo profitieren private Gaskunden derzeit am stärksten?
In der Studie zeigen sich regionale Unterschiede. In Berlin, Sachsen und Hamburg profitierten Gaskunden 2015 und 2016 überdurchschnittlich stark von Preissenkungen infolge niedrigerer Einkaufspreise. In Nordrhein-Westfalen zahlten Haushalte 64 Euro mehr, als bei einer 1:1Weitergabe des Preisvorteils zu erwarten gewesen wäre, in Mecklenburg-Vorpommern 46 Euro mehr, in Niedersachsen 43 Euro mehr, in Baden-Württemberg 41 Euro mehr, in Brandenburg 29 Euro mehr und in Bayern 28 Euro mehr.
Was bringt ein Anbieterwechsel?
Deutschlandweit können private Gaskunden im Schnitt zwischen 75 Versorgern wählen. Doch die Zahl derer, die tatsächlich wechseln, stagniert seit 2010. Sie lag 2015 bei 1,1 Millionen, was 9,2 Prozent aller Haushaltskunden entspricht, ein Teil davon bedingt durch Umzüge. Laut Studie liegen die Preisunterschiede nicht selten bei mehr als zehn Prozent.