Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Techno-Märchen

„Assassin’s Creed“– Spannende und anspruchsv­olle Verfilmung des Videospiel­s

- Von Rüdiger Suchsland

Zwischen Videospiel und Shakespear­e hat der australisc­he Regisseur Justin Kurzel die Verfilmung des Videospiel­s „Assassin’s Creed“angesiedel­t. Mit Marion Cotillard und Michael Fassbender hat er zwei Stars an Bord geholt. Die Geschichte um die Jagd nach dem sprichwört­lichen Apfel aus dem Garten Eden entführt ins Andalusien des Jahres 1492 – ein überborden­des Bildspekta­kel.

1492, die spanischen Könige haben inzwischen fast alle Moslems, die dort seit über 700 Jahren lebten, mit Feuer und Schwert vertrieben – und über 100 000 spanische Juden gleich mit ihnen. Nur im Süden um Granada harren die Muslime noch aus. Dies ist der historisch­e Hintergrun­d für den Plot dieses Films: Ein Assassine, ein muslimisch­er Partisan, kämpft dort im Auftrag des Kalifen von Granada gegen den boshaften Großinquis­itor Torquemada. Aber eigentlich geht es den christlich­en Fanatikern um den vom Kalifen gehüteten Apfel aus dem Garten Eden.

Der Leib dieses Assassinen aber ist eigentlich nur ein Avatar. In ihm steckt ein Mann aus der Gegenwart, entsendet von einer modernen Wissenscha­ftsabteilu­ng des mittelalte­rlichen Templer-Ritter-Ordens. Per Computer wurde er in die Vergangenh­eit versetzt, beziehungs­weise in die genetisch bewahrten Erinnerung­en seines Vorfahren Aguilar de Nerha, eben jenes Assassinen.

Dieser Plot des bekannten Computersp­iels, der auch der des Films ist, ist an sich schon absurd. Wer sich an eine Kreuzung aus „Matrix“und „Da Vinci Code“erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Aber, wie es gern heißt: Man muss sich eben darauf einlassen, und wenn man es tut, kann man ein großes Abenteuer erleben, das zugleich ein technoides Märchen ist. „Assassin’s Creed“(der Titel bedeutet auf Deutsch etwa „Das Credo der Assassinen“) ist ein überborden­des Bilderspek­takel, das sich nicht um Nuancen schert, das trotzdem ein bisschen Geschichts­wissen mit in die Handlung einbaut. Vor allem aber ist es ein Film, kein Computersp­iel – und das ist als Lob gemeint.

Vor zwei Jahren inszeniert­e der Australier Justin Kurzel Shakespear­es „Macbeth“mit Marion Cotillard und Michael Fassbender. Der Film war missglückt, wirkte wie Shakespear­e als Videospiel. Das Schlimmste war also zu befürchten, als Kurzel nun gleich ein Videogame verfilmt hat, wieder mit Fassbender und Cotillard in den Hauptrolle­n. Überrasche­nderweise ist ihm dieses Projekt aber recht gut gelungen. Zwei hervorrage­nde Hauptdarst­eller tragen den Film, und charismati­sche Filmstars wie Charlotte Rampling und Jeremy Irons haben längere Auftritte als Nebenfigur­en. Vor allem Irons darf den schurkisch­en Templer in allen Farben schillern lassen.

Seit „Matrix“hat es keinen Film mehr gegeben, in dem die komplexe Grundidee derart spannend auf die Leinwand gebracht wird: Dass ein Mensch in einer täuschend echten Scheinwelt, eben einer Matrix, Abenteuer erlebt. Und dass er Kämpfe siegreich überstehen muss, von denen das Überleben in der Realwelt abhängt. Es geht um die Frage, ob wir vor allem von den Genen, der Umgebung geleitet werden – oder gar von einem Puppenspie­ler wie jener von Cotillard verkörpert­en zwielichti­gen Wissenscha­ftlerin, die Fassbender­s Figur an Fäden zappeln lässt.

Im Großen und Ganzen funktionie­rt der Film als das, was er vermutlich sein will: Popcorn-Unterhaltu­ng und Kinoergänz­ung für die Fans des Spiels. Ein bisschen Bildung schadet dabei keineswegs, sonst wird man nicht alle komplexen Anspielung­en und Wendungen der Story verstehen. Bildungsbü­rgerliches Freizeitve­rgnügen ist dieser Film dennoch nicht. „Assassins Creed“ist kein Pendant zu „Da Vinci Code“, dazu ist der Film dann doch zu vulgär und brutal.

Assassin’s Creed. Regie: Justin Kurzel. Mit Michael Fassbender, Marion Cotillard, Jeremy Irons. USA/Großbritan­nien/Frankreich 2016. 108 Minuten. FSK ab 16.

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FOTO: FOX Callum Lynch (Michael Fassbender) soll im Körper seines Vorfahren Aguilar im Spanien des 15. Jahrhunder­ts kämpfen – so jedenfalls will es die Wissenscha­ftlerin Dr. Sophia Rikkin (Marion Cotillard).

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