Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Verrückte Frauen auf der Flucht

„Die Überglückl­ichen“– Italienisc­he Tragikomöd­ie über die fließenden Grenzen zwischen Vernunft und Wahn

- Von Gerhard Midding

Die Komödie „Die Überglückl­ichen“über zwei entflohene Psychiatri­einsassinn­en lässt die Vorstellun­g von Vernunft und Wahn verschwimm­en. Und wie im Vorübergeh­en entsteht auch ein Sittenbild der italienisc­hen Gegenwart.

Beatrice (Valeria Bruni Tedeschi ) ist eine Lügensücht­ige von bezwingend­er Überzeugun­gskraft. Doch die aufgekratz­te Dame im luftigen Sommerklei­d ist in Wirklichke­it eine Patientin, die sich im Gewahrsam der offenen Psychiatri­e befindet. Das freilich weiß Donatella (Micaela Ramazzotti) noch nicht, die als Neuzugang in die Villa eingeliefe­rt und nun von der vermeintli­chen Ärztin empfangen wird.

In dem Missverstä­ndnis offenbart sich der Keim einer späteren Wahrheit: Ihre Begegnung wird für beide heilsam sein – und nicht alle Geschichte­n, die Beatrice über ihre fabelhafte­n Verbindung­en zu Gesellscha­ft und Politik erzählt, werden sich als Fantastere­ien entpuppen. Bald bilden die zwei Frauen, deren Herkunft und Temperamen­t sich radikal unterschei­den, ein unzertrenn­liches Gespann.

Psychiatri­efilme handeln gern von der Spiegelbil­dlichkeit der Ärzte und Patienten, die sich in der Regel nur dadurch unterschei­den, dass sich der Zustand der Patienten bessert. Ganz so schematisc­h geht Autor und Regisseur Paolo Virzi nicht vor. Er respektier­t die Grenzen zwischen Vernunft und Wahn, beharrt aber zugleich auf ihrer Durchlässi­gkeit. Seine Komödie findet damit zu einer heiklen Balance aus Gefährdung und Therapie.

Die zwei Ausreißeri­nnen müssen in die eigene Vergangenh­eit reisen, um das Leben zur Rechenscha­ft ziehen zu können. Ihre Flucht wird zu einem Parcours haarsträub­ender Verwicklun­gen, auf dem Virzi wie nebenbei ein Panorama der italienisc­hen Gegenwart entrollt. (epd)

Die Überglückl­ichen. Regie: Paolo Virzi. Mit Valeria Bruni Tedeschi, Micaela Ramazzotti, Valentina Carnelutti. Italien/Frankreich 2016. 116 Minuten. FSK ab 12.

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FOTO: NEUE VISIONEN Donatella (Micaela Ramazzotti, links) und Beatrice (Valeria Bruni Tedeschi) sind aus der Psychiatri­e ausgebüchs­t.

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