Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Über 300 Jahre Wirtshaustradition
Riedlinger Wirtshausgeschichte: Die Geschichte des „Schwanen“reicht bis ins Jahr 1686
- In den Archivalien der Stadt Riedlingen lassen sich in einem Zeitraum von knapp 400 Jahren über 60 verschiedenen Wirtshausnamen feststellen. Eine stolze Zahl, wobei man natürlich davon ausgehen muss, dass nicht alle Wirtschaften zur gleichen Zeit existiert haben. In der Oberamtsbeschreibung von 1827 werden für Riedlingen immerhin 31 aktive Wirtschaften und 18 Bierbrauereien genannt. Nur wenige Wirtschaften sind bis heute davon übrig geblieben, von den Brauereien hat keine überlebt. In nächster Zeit werden drei Traditionswirtschaften entweder abgebrochen oder umfunktioniert: Der „Schwanen“wird zu Wohnungen umgebaut, der „Mohren“wird abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt und auf die „Brücke“wartet dasselbe. Alle drei Betriebe hatten eine lange und wechselreiche Geschichte. In Beiträgen werden auszugsweise Gegebenheiten aus der Geschichte der Riedlinger Wirtshäuser veröffentlicht. Heute geht es um den „Schwanen“(Mühlvorstadt 3).
„I. M.“für Jacob Mezger
Erhaben und fast adelig schmückt ein sehr altes Hauszeichen die Eingangstür des Schwanenwirtshauses. Es stammt aus dem Jahre 1583 und deutet sehr wahrscheinlich auf die Erbauungszeit hin. Schon 1603 lässt sich Jacob Mezger, wohl identisch mit dem Erbauer des Hauses, in einer Urkunde des Stadtarchivs nachweisen. Seine Initialen sind es wohl, die mit I. M. auf dem Hausschild erhalten blieben. Das Beil im sprechenden Wappen weist auf den Beruf Metzger hin, die zwei Schabeisen auf den Beruf des Rotgerbers.
Ab 1686 wird Johann Martin Mezger Schwanenwirt genannt. Er war auch Stadtrat. Ab 1738 ist dessen Sohn Joseph Mezger Rat und Schwanenwirt. Er wird auch mit „Herr“angeredet, was nur Bürgern der gehobenen Klasse zustand. Aber offensichtlich hat diese Generation der Familie nicht sehr wirtschaftlich gearbeitet, denn ab 1741 nimmt der Schwanenwirt mehrmals Kapital von verschiedenen Stellen auf, 1753 sogar zweimal vom Reichs-Gotteshaus Marchtal in Höhe von je 1000 Gulden. Mehrere Grundstücke hatte Mezger bereits verkaufen müssen. Er vergantete 1754.
Schlechter Wirtschafter
Ab 1761 lässt sich Xaver Hägele, Sohn des Kreuzwirts von Unlingen, nachweisen. Er wurde um 300 Gulden als Bürger aufgenommen und heiratete die „verwitwete Königwirtin Anna Maria Müllerin auf allhiesige Schwanenwirtsbehausung“. Hägele muss ebenfalls nicht der beste Wirtschafter gewesen sein. Er nahm mehrere Darlehen auf und wurde 1772 angezeigt, weil er Bier braute ohne dies anzugeben und ohne die gesetzlich vorgeschrieben Taxierung zuzulassen. Der Braumeister rechtfertigte sich insofern, dass er mit „Feldgeschäften beladen gewesen sei und seine Hausfrau und die Domestiquen die Meldung unterlassen hätten“. Natürlich zog das Fehlverhalten eine Geldstrafe nach sich.
1776 wird Hägele erneut aktenkundig. Um seine Finanzen muss es sehr schlecht bestellt gewesen sein, sonst hätte er nicht den Versuch unternommen, den Viehzoll zu umgehen: „Xaver Hägele verkauft an die Unlinger Klosterfrauen 3 Boschen [Jungrind] und 1 Kalb und bringt diese auf verbotenem Weg durch das Unterwasser dorthin. Er entzog sich dadurch dem Zoll. Muss 1 fl 50 x nachbezahlen und wird für das Vergehen eingeturmt.“Nach mehreren Schuldaufnahmen und Immobilienverkäufen musste Xaver Hägele 1793 aufgeben. Er verkaufte an die Familie Sendele „seine in folgenden Stücken beschriebenes Anwesen: Die halbe Behausung zum Schwanen, das darin befindliche Bräuhaus samt Bräugeschirr und Branntweinschaften, die halbe Scheuer samt Stallung, dann eine dreifache Schweinsteig [Schweinestall], nebst allen dabei befindlichen Plätzen um 2000 Gulden.“ Bräumeister und Schwanenwirt Conrad Sendele schließlich bringt auch den anderen Hausteil zwei Jahre später um weitere 2000 Gulden in seinen Besitz. „Dafür musste er dem Verkäufer lebenslang 18 Stück Kühe unentgeltlich füttern und darf ein eigenes Schwein im Stall halten.“
1971 endet die Wirtshausgeschichte
1810 heiratete Konrad Schmid aus Daugendorf die Tochter des Konrad Sendele und übernimmt den Schwanen. Nach dessen Tod übernimmt 1840 der Sohn Felix die Wirtschaft samt Ökonomie. Interessant ist die Aufstellung der Erbmasse: „4 Pferde 350 fl [Gulden], 4 Kühe 120 fl, 7 rindernde Kuhboschen 140 fl, 3 Kälber 24 fl, 1 Mutterschwein 24 fl, 3 Läuferschweine 15 fl, 3 Wägen, 1 Bernerwäglechen, 2 Pflüge, 3 Eggen, Pferdegeschirr zusammen 150 fl, 2 vollständig aufgemachte Gastbetten 100 fl und 4 andere 100 fl.“1873 stirbt Felix Schmid, die Witwe wirtet weiter und verkauft das Anwesen 1889 an den Bierbrauer Karl Funk. Dieser veräußert es 1892 an Johann Georg Narr aus Thüringen.
1971, bis nach dem Gallusmarkt, hatte der „Schwanen“geöffnet. Über 300-jährige Wirtshaustradition ging zu Ende. Die Landwirtschaft trieb Helmut Mayer, der letzte Schwanenwirt, jedoch noch einige Jahre um. Er hatte einen der letzten Viehbestände in der Stadt und Schwanenwirts Kühe im Unterwasser waren ein Begriff. Ältere Generationen erinnern sich auch noch an die Bewirtung im Schwanenkeller, der in die Daugendorfer Höhe oberhalb der heutigen Sanaklinik gegraben war und beim Straßenbau B 312 verfüllt wurde.