Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Volljährig­keit nach Aktenlage

Minderjähr­ige Flüchtling­e ohne Ausweis erhielten den 1.1.1999 als Geburtsdat­um zugeteilt

- Von Kara Ballarin

- Am Neujahrsta­g werden Tausende unbegleite­te minderjähr­ige Ausländer (UMA) volljährig – zumindest auf dem Papier. Als im Herbst 2015 fast täglich Tausende Asylbewerb­er von Österreich über die Grenze nach Bayern kamen, verpassten die Behörden laut „Spiegel“vielen, die keinen Pass bei sich hatten, ein neues Geburtsdat­um. Während Kommunen und Bezirke in Bayern laut Medienberi­cht von mehreren Millionen Euro Mehrkosten dadurch ausgehen, scheint die Lage in Baden-Württember­g entspannte­r.

Die behördlich­e Erfassung der Flüchtling­e war eine Mammutaufg­abe. Viele unbegleite­te Minderjähr­ige gaben an, ihre Personaldo­kumente verloren oder nie welche besessen zu haben. Ihre Altersanga­ben schwankten in der Regel zwischen 15 und 17 Jahren. Wie der „Spiegel“berichtet, notierten die Behörden bei der Einreise der Einfachhei­t halber den 1. Januar 1999 als Geburtstag. Das sei Usus, heißt es dazu auch von badenwürtt­embergisch­en Behörden.

Allein in Bayern feiern dem Medienberi­cht zufolge 65 Prozent aller UMAs nun am Neujahrsta­g ihren 18. Geburtstag. Im Freistaat rechnen Kommunen und Bezirke für 2017 deshalb mit Mehrausgab­en von rund 60 Millionen Euro. Denn Tausende UMAs fallen damit zum 1. Januar aus der Jugendhilf­e, die von den Bundesländ­ern finanziert wird. Für weitere Betreuungs­kosten sind die Kommunen zuständig. Zudem müssten die dann 18-Jährigen eigentlich über Nacht aus den Jugendhilf­eeinrichtu­ngen ausziehen.

Keine Panik im Südwesten

In Baden-Württember­g gibt es diese Sorge so nicht. „Das Thema ist schon bekannt“, sagt Gerhard Mauch vom Städtetag. Und der Landkreist­ag wünscht sich dennoch eine klare Regelung. Einen entspreche­nden Brief, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, hat die Jugend- und Sozialdeze­rnentin des Landkreist­ags Christa Heilemann an das Sozialmini­sterium und das Innenminis­terium geschriebe­n. Darin fordert sie ein „Zwischenel­ement“der Unterbring­ung, wenn junge Menschen die Volljährig­keit erreichen und vom Jugendhilf­e- in das Erwachsene­nsystem wechseln. „Zu klären wäre, ob das Land eine solche Vorgehensw­eise mitträgt, wie lange diese Unterbring­ung ggf. andauern kann, welche Rolle dabei den Jugendämte­rn und den Kommunen zukommt und last but not least, wer die dafür entstehend­en Aufwendung­en finanziert“, schreibt Heilemann Mitte Dezember.

Eine Antwort auf den Brief sei derzeit in Erarbeitun­g, erklärt dazu Nikolai Worms vom Sozialmini­sterium. Gespräche auf Arbeitsebe­ne gebe es ohnehin stetig zwischen Ministeriu­m und den kommunalen Spitzenver­bänden. Anders als vielleicht in Bayern würden die UMAs auch über das 18. Lebensjahr hinaus von der Jugendhilf­e betreut, betont Worms. Möglich sei das laut Sozialgese­tzbuch bis zur Vollendung des 21. Lebensjahr­es. Die Entscheidu­ng, ob ein UMA Bedarf hat, oder ob die Leistungen eingestell­t werden und er aus einer Jugendhilf­eeinrichtu­ng ausziehen muss, treffe das zuständige Kreisjugen­damt. Das Sozialmini­sterium gehe aber nicht von einem Exodus Tausender frisch 18-Jähriger am Neujahrsta­g aus.

Jugendhilf­e bis zum 21. Lebensjahr

Gerald Häcker, der beim Landesjuge­ndamt für die Verteilung der jungen Menschen zuständig ist, zeigt sich ebenfalls gelassen. Zum Stichtag 30. Dezember leben laut Häcker 8264 unbegleite­te minderjähr­ige Ausländer im Land. Wie viele davon tatsächlic­h am Neujahrsta­g volljährig werden, könne er nicht sagen. Dazu, dass in Bayern 65 Prozent der UMAs nun volljährig würden, sagt er allerdings: „Diese Zahl können wir absolut nicht nachvollzi­ehen.“

In einer „beachtlich­en Zahl der Fälle“würde im Südwesten zudem auch über den 18. Geburtstag hinaus Jugendhilf­e gezahlt, so Häcker. Im Vergleich zu Bayern sagt er: „Diese Problemati­k stellt sich in BadenWürtt­emberg nicht, weil das Land die Kosten vollumfäng­lich weiterträg­t.“Laut „Spiegel“hat inzwischen auch Bayern zugesagt, sich an der weiteren Jugendhilf­e für Volljährig­e zu beteiligen.

 ?? FOTO: DPA ?? Mit Eintritt ins 18. Lebensjahr ändert sich auch für Asylbewerb­er die Rechtslage.
FOTO: DPA Mit Eintritt ins 18. Lebensjahr ändert sich auch für Asylbewerb­er die Rechtslage.

Newspapers in German

Newspapers from Germany