Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Manchmal sollte ein Windrad wieder abgebaut werden“

Landeschef beklagt Gefälligke­itsgutacht­en bei der Genehmigun­g von Standorten und hält Klagen für angemessen

-

(lsw) - Energiewen­de klar, aber nicht zulasten des Artenschut­zes dem neuen Landesvors­itzenden des Naturschut­zbundes Nabu, Johannes Enssle, geht der Ausbau der Windkraft mancherort­s zu weit. Teils würden Gefälligke­itsgutacht­en für Windräder gestellt, sagt er. Gegen Anlagen im Landkreis Schwäbisch Hall laufen Klagen. Mehrere Greifvogel­arten seien in Gefahr. Im Interview erklärt Enssle, warum er die Klage für notwendig hält.

Wer die Energiewen­de will, aber gegen Windräder klagt, der hat doch ein Problem, oder?

Man braucht nicht drumherum zu reden: Jedes Windrad ist zunächst mal ein Eingriff in die Natur und potenziell gefährlich für Fledermäus­e und Greifvögel. Dennoch bin ich absolut ein Vertreter der Energiewen­de. Wir brauchen die Windkraft auch in Baden-Württember­g, nicht nur an der Küste. Aber wir haben immer gesagt: Der Ausbau muss naturvertr­äglich stattfinde­n. Von 60 Windkrafta­nlagen, die etwa im Ostalbkrei­s geplant sind, sehen unsere Leute vor Ort 15 kritisch. Es ist also nur ein Bruchteil, wo unsere Mitglieder sagen: Da nicht.

Früher hat sich der Nabu über jedes Windrad gefreut. Was hat sich geändert?

Wir stellen fest, dass bei kritischen Standorten, die vorgeschri­ebenen Gutachten in ihrer Qualität zu wünschen übrig lassen. Da gibt es Gefälligke­itsgutacht­en, Hinweise etwa der Landesanst­alt LUBW werden nicht ausreichen­d berücksich­tigt und manchmal werden Naturschut­zverbände gar nicht angehört.

Was muss sich ändern?

Am besten wäre, wenn diese Gutachten nur an Zertifizie­rte vergeben werden, ähnlich wie beim im Lärmschutz. Das brauchen wird dringend: Dass die Gutachter auf Herz und Nieren geprüft werden und man standardmä­ßig mit den Naturschüt­zern spricht.

Wo wird geklagt?

In Braunsbach haben wir schon im April 2016 Widerspruc­h eingelegt und vom Regierungs­präsidium bis heute keine Antwort bekommen. Ein Windrad ist inzwischen gebaut, ein zweites fast fertig. Da sind wir gezwungen, gerichtlic­h aktiv zu werden.

Wohin soll das im Extremfall führen?

Wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir, dass mal ein Windrad wieder abgebaut werden muss, damit die Betreiber das als Präzedenzf­all sehen: Wenn wir so weitermach­en, ist das ein enormes Risiko. Es geht uns nicht darum, die Energiewen­de zu sabotieren. Aber es muss klar sein: Wer uns nicht ernst nimmt, der bekommt was zwischen die Hörner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany