Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Arche der Neuzeit

Durch Umweltfrev­el und Wilderei sind zahlreiche Arten vom Aussterben bedroht – Die Zoos steuern gegen, auch in Baden-Württember­g

- Von Wenke Böhm

(epd) Die Arche der Neuzeit gibt es gleich mehrfach, genauer gesagt mehr als 300-mal in Europa. Denn genau so viele Zoos beteiligen sich an Zuchtprogr­ammen wie dem Europäisch­en Erhaltungs­zuchtprogr­amm (EEP). Ziel ist es, einen möglichst gesunden Genpool von bedrohten VorzeigeTi­erarten zu erhalten. Schon jetzt leben Tiere in Zoos, die in der Wildnis kaum noch oder nicht mehr zu finden sind.

„Tiere auszuwilde­rn ist etwas ganz tolles, sehr spektakulä­r“, schwärmt Thomas Kölpin, Direktor der Stuttgarte­r Wilhelma. Doch was etwa bei Gänsegeier­n, Seeadlern und Steinböcke­n schon bestens geglückt ist, wäre bei Menschenaf­fen und Elefanten deutlich schwierige­r.

Ein großer Erfolg sei die Arabische Oryxantilo­pe. „Die war komplett ausgestorb­en“, so Kölpin. Mittlerwei­le gebe es dank der Zuchtprogr­amme wieder eine stabile Population. Auch beim Wisent hätten die Zoos dazu beitragen können, dass es inzwischen gute Bestände zum Beispiel in Polen gebe. Kölpin betont: „Wir haben eine Mitverantw­ortung für unsere Mitgeschöp­fe.“

550 Arten im Programm

Tiere freilassen zu können, gehört zu den Glücksmome­nten. „Das ist der große Augenblick, für den man ja alles tut“, sagt Matthias Reinschmid­t, Direktor des Karlsruher Zoos, der sich ebenfalls an mehreren Zuchtprogr­ammen beteiligt.

Insgesamt werden 550 Arten im EEP und im Europäisch­en Zuchtbuch verwaltet. Die Wilhelma zählt mit 100 Zuchtarten hier zu den größeren Zoos. Überrasche­nd ist das nicht, gehörte doch der frühere Direktor Wilbert Neugebauer zu den Gründern des Europäisch­en Zuchtprogr­amms. Der Karlsruher Zoo beteiligt sich mit 45 Zuchtprogr­ammen, und laut Internet ist der Heidelberg­er Zoo mit 16 EEPs im Boot. Pendants zu den europäisch­en Programmen bestehen etwa in Nordamerik­a und Australien. Für jede Art gibt es einen Koordinato­r, einen Experten. Die entspreche­nden Arten müssen dabei gar nicht in dem jeweiligen Zoo gehalten werden. Die Wilhelma hat drei Koordinato­ren: für den Großen Bilby, ein australisc­hes Beuteltier, sowie für die Ägyptische Landschild­kröte und die chinesisch­e Mangshan Viper. Der Karlsruher Zoo zeichnet seit rund 30 Jahren für die Sumatra-Orang-Utans verantwort­lich, der Heidelberg­er für Asiatische Goldkatzen.

Die Einrichtun­gen behielten ihre Eigenständ­igkeit, wenn es um ihre Zukunftspl­anung geht, sagt Kölpin. Allerdings habe man das Konzept verinnerli­cht und denke bei neuen Arten immer auch an EEP und Artenschut­z. Einzelne Entscheidu­ngen zur Zucht treffen die Gremien des europäisch­en Zoo- und Aquarienve­rband (EAZA). Nicht jedem Zoo falle es leicht, ein schönes Tier zur Fortpflanz­ung an eine andere Einrichtun­g abzugeben. Eine unumstößli­che Maxime dabei sei: „Es darf nie Geld fließen zwischen den Zoos. Das ist verboten.“

Für Kölpin ist es kein Problem, auch mal Tiere abzugeben. Wilhelmas wohl berühmtest­er Spross, Eisbär Wilbär, lebt mittlerwei­le im schwedisch­en Orsa. „Er hat dort eine tolle Fläche und einen langen Winter“, sagt der Zooleiter. Auch verstehe er sich gut mit seiner Ewa. „Es gibt gute Chancen, dass seine Mutter Corinna noch mal Oma wird.“

Reinschmid­t liebäugelt mit fliegenden Exoten. „Ich bin ein Papageienf­an. Da gibt es einen großen Anteil bedrohter Arten.“Nur rund ein Drittel sei im EEP, die deutliche Mehrheit lebe nicht in Menschenob­hut. Der Karlsruher Zoo hat in diesem Jahr Schlagzeil­en gemacht, weil er Pippi Langstrump­fs betagten Filmpapage­i „Rosalinda“zu sich genommen hat und ihm einen Altersruhe­sitz bietet.

Nicht alle Arten eignen sich zur Zucht im Zoo. Bei Meeres- und Seefischen etwa seien die Zuchterfol­ge eher „spärlich“, erklärt Kölpin. Die Larven seien winzig und lebten versteckt, das mache es schwer. Ähnliches gelte für Korallen. „Dagegen ist die Eisbärenzu­cht relativ simpel.“

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FOTO: DPA Auch die Sumatra-Orang-Utans gehören zum Europäisch­en Erhaltungs­zuchtprogr­amm (EEP).

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