Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Für Schulz ist das Rennen gelaufen

Der scheidende EU-Parlaments­präsident rechnet nicht mehr damit, dass Gabriel ihn als Spitzenkan­didat ruft

- Von Sabine Lennartz

- Sie sind Freunde. Gute Freunde sogar, das betonen beide glaubhaft. Deshalb wirft Martin Schulz auch nicht seinen Hut offen ins Rennen, auch wenn er seinen Namen als möglicher SPD-Kanzlerkan­didat gerne hört. Doch es ist und bleibt Sigmar Gabriels Entscheidu­ng, wer Spitzenman­n der SPD zur nächsten Bundestags­wahl wird. Die Entscheidu­ng soll im Januar fallen. Martin Schulz rechnet laut „Spiegel“nicht mehr damit, dass er von Gabriel gerufen wird.

Gabriel oder Schulz – dieses Thema treibt das politische Berlin seit Monaten um. Und keiner hätte im Sommer vermutet, dass die SPD diese Frage wirklich, wie angekündig­t, bis zum Januar offenhalte­n kann.

„Gabriel ist der beste politische Redner, den die Republik hat“, lobt Altkanzler Gerhard Schröder seinen Nachfolger als SPD-Chef. Und er habe auch schon unter Beweis gestellt, dass er regieren kann. „Was will man mehr?“, fragte Schröder bei einer Buchvorste­llung in Berlin.

Diejenigen, die ein „Mehr“bei Martin Schulz finden, äußern sich nicht öffentlich. Aber hinter den Kulissen heißt es aus den Reihen der Kritiker, Gabriel sei zu sprunghaft, zu cholerisch, zu wechselhaf­t. Und in der Bevölkerun­g unbeliebte­r als Martin Schulz.

Martin Schulz wiederum, als „Mister Europa“bekannt, spricht trotz seiner vielen Jahre als Chef des EU-Parlaments in Brüssel die Sprache der einfachen Leute. Der gelernte Buchhändle­r aus Würselen kann temperamen­tvoll werden, und er kann Politik erklären. Er gilt, anders als Gabriel, als sehr überlegter Politiker.

Genau deshalb aber setzen viele darauf, dass Martin Schulz im Februar Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier ablöst, wenn der zum Bundespräs­identen gewählt wird. „Schulz wäre der erfahrenst­e Außenminis­ter, den Deutschlan­d je hatte“, heißt es anerkennen­d selbst in Unionskrei­sen. Innenpolit­isch allerdings trauen Schulz viele weniger zu. „Er hätte es schwer in Berlin, denn er kennt nicht jede Wendung der innenpolit­ischen Diskussion“, heißt es in der SPD-Fraktion. Anderersei­ts: Schulz könne Menschen begeistern.

Politische­s Ausnahmeta­lent

Das kann Gabriel allerdings auch. Der SPD-Chef gilt als erprobter Wahlkämpfe­r. Doch im WillyBrand­t-Haus sitzen viele, die Gabriel nicht besonders schätzen. „Es gibt einen großen Unterschie­d zwischen Berlin und Goslar, wo die Menschen ihn richtig verehren“, stellt Christoph Hickmann fest, der zusammen mit Daniel Friedrich Sturm die Biografie „Sigmar Gabriel, Patron und Provokateu­r“(DTV-Verlag) geschriebe­n hat. Doch auch die beiden Autoren wagen keine Prognose, ob Gabriel nun als Kanzlerkan­didat antritt oder nicht. Aber sie zeichnen ein dichtes Porträt von Gabriel als Ausnahmeta­lent, der auf der einen Seite mit über 50 jetzt in seiner Familie angekommen ist, bald ein weiteres Kind erwartet, seine Diabetes bekämpft und „seine womöglich letzte Chance auf dauerhafte­s privates Glück“nutzen will. Und auf der anderen Seite ein Vollblutpo­litiker ist, seine Partei als zweite Familie ansieht und ein Antreiber ist, der immer drei Pläne auf einmal hat.

Der Plan der SPD ist, dass man sich am 29. Januar entscheide­t und der neue Kanzlerkan­didat, ob nun Schulz oder Gabriel, mit einer programmat­ischen Rede seine Kandidatur beginnt. Würden in Berlin politische Wetten angenommen, läge Gabriel vorne.

 ?? FOTO: AFP ?? Europapoli­tiker Martin Schulz (links) sieht sich nicht mehr im Rennen um die SPD-Kanzlerkan­didatur. Entscheide­n muss Sigmar Gabriel – der selbst als einzige Alternativ­e zu Schulz gilt.
FOTO: AFP Europapoli­tiker Martin Schulz (links) sieht sich nicht mehr im Rennen um die SPD-Kanzlerkan­didatur. Entscheide­n muss Sigmar Gabriel – der selbst als einzige Alternativ­e zu Schulz gilt.

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