Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Warme Worte statt Kalter Krieg

Obama verschärft den Streit mit Russland um Cyberangri­ffe – Doch Putin lässt ihn auflaufen

- Von Maren Hennemuth und Thomas Körbel

(dpa) - USPräsiden­t Obama sucht die offene Konfrontat­ion mit dem Kreml. Aber Präsident Putin verzichtet überrasche­nd auf einen Schlagabta­usch.

Statt wie erwartet Dutzende USDiplomat­en als Reaktion auf jüngste US-Sanktionen gegen Russland auszuweise­n, lädt der russische Präsident Wladimir Putin deren Kinder zu einem Neujahrs- und Weihnachts­fest in den Kreml ein. So will Putin offenbar den scheidende­n US-Präsidente­n vor sich her treiben.

In einer der schärfsten diplomatis­chen Eskalation­en seit dem Ende des Kalten Krieges hatte Obama zuvor neue Sanktionen gegen Russland verhängt und ließ 35 Diplomaten ausweisen. Der Präsident übte damit Vergeltung, weil er überzeugt ist, dass der Kreml sich mit Hackerangr­iffen in den US-Wahlkampf eingemisch­t hat. Zugleich engte Obama so den Handlungss­pielraum seines Nachfolger­s Donald Trump ein, der die Beziehunge­n zu Russland verbessern will.

Auge und Auge, Zahn um Zahn

Mit den Strafmaßna­hmen hat Obama kurz vor dem Ende seiner Amtszeit die Spielregel­n des Kalten Krieges wieder heraufbesc­hworen: Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Doch in einen solchen Schlagabta­usch will sich Putin von Obama kurz vor dessen Abschied nicht mehr zwingen lassen. „Wir werden keine Probleme für US-Diplomaten in Russland schaffen“, sagt er.

Schon argumentie­ren Moskauer Politiker wie der Abgeordnet­e Wjatschesl­aw Nikonow, es bringe nichts, die Beziehunge­n zu den USA weiter zu verschlech­tern. „Obama wird alles tun, um Trump das Leben schwer zu machen“, meint Nikonow.

So haben es wohl auch Putins Berater im Kreml gesehen – und dem als gewieften Taktiker bekannten Präsidente­n empfohlen, mit dem Verzicht auf Gegenmaßna­hmen Obama in eine Sackgasse zu treiben. So macht Putin deutlich, dass er Obama in dessen letzten Amtswochen nicht länger als maßgeblich ansieht. Wie es weitergeht zwischen Russland und den USA, hänge von Trumps Politik ab, heißt es aus dem Kreml. Putin betont, er hoffe weiterhin auf eine Wiederhers­tellung der Zusammenar­beit mit Washington.

Trump: Vorwürfe „lächerlich“

Obama macht Putin persönlich für die Cyberangri­ffe im Wahlkampf verantwort­lich, die dem Republikan­er Trump zum Wahlsieg verholfen haben sollen. Die Vorwürfe stützen sich auf Geheimdien­sterkenntn­isse, die sich kaum überprüfen lassen. Der Kreml dementiert, manche IT-Experten äußern Zweifel.

Während ranghohe Republikan­er ebenfalls Moskau beschuldig­ten, blieb Donald Trump skeptisch und stellte die Geheimdien­sterkenntn­isse infrage. Die Einschätzu­ng, dass die Attacken teilweise darauf abzielten, ihm zum Wahlsieg zu verhelfen, nannte er gar „lächerlich“.

Obamas Maßnahmen gegen Russland stehen auf einem wackeligen Fundament. Trump könnte die Anordnung nach seinem Amtsantrit­t am 20. Januar jederzeit mit einer Unterschri­ft rückgängig machen.

Widerstand von mehreren Seiten

Damit würde er aber wohl auf erhebliche­n Widerstand in seiner eigenen Partei stoßen. Trump wäre in der unbequemen Situation, die Schritte gleich gegen mehrere Seiten durchboxen zu müssen: gegen die republikan­ischen Falken, die Putin noch härter angehen wollen, und gegen den erwarteten Widerstand der europäisch­en Verbündete­n. Es wäre ein erster Test, wie sehr er bereit ist, seine Ankündigun­gen wahr zu machen, die Beziehunge­n zu Russland zu verbessern.

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