Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Warme Worte statt Kalter Krieg
Obama verschärft den Streit mit Russland um Cyberangriffe – Doch Putin lässt ihn auflaufen
(dpa) - USPräsident Obama sucht die offene Konfrontation mit dem Kreml. Aber Präsident Putin verzichtet überraschend auf einen Schlagabtausch.
Statt wie erwartet Dutzende USDiplomaten als Reaktion auf jüngste US-Sanktionen gegen Russland auszuweisen, lädt der russische Präsident Wladimir Putin deren Kinder zu einem Neujahrs- und Weihnachtsfest in den Kreml ein. So will Putin offenbar den scheidenden US-Präsidenten vor sich her treiben.
In einer der schärfsten diplomatischen Eskalationen seit dem Ende des Kalten Krieges hatte Obama zuvor neue Sanktionen gegen Russland verhängt und ließ 35 Diplomaten ausweisen. Der Präsident übte damit Vergeltung, weil er überzeugt ist, dass der Kreml sich mit Hackerangriffen in den US-Wahlkampf eingemischt hat. Zugleich engte Obama so den Handlungsspielraum seines Nachfolgers Donald Trump ein, der die Beziehungen zu Russland verbessern will.
Auge und Auge, Zahn um Zahn
Mit den Strafmaßnahmen hat Obama kurz vor dem Ende seiner Amtszeit die Spielregeln des Kalten Krieges wieder heraufbeschworen: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Doch in einen solchen Schlagabtausch will sich Putin von Obama kurz vor dessen Abschied nicht mehr zwingen lassen. „Wir werden keine Probleme für US-Diplomaten in Russland schaffen“, sagt er.
Schon argumentieren Moskauer Politiker wie der Abgeordnete Wjatscheslaw Nikonow, es bringe nichts, die Beziehungen zu den USA weiter zu verschlechtern. „Obama wird alles tun, um Trump das Leben schwer zu machen“, meint Nikonow.
So haben es wohl auch Putins Berater im Kreml gesehen – und dem als gewieften Taktiker bekannten Präsidenten empfohlen, mit dem Verzicht auf Gegenmaßnahmen Obama in eine Sackgasse zu treiben. So macht Putin deutlich, dass er Obama in dessen letzten Amtswochen nicht länger als maßgeblich ansieht. Wie es weitergeht zwischen Russland und den USA, hänge von Trumps Politik ab, heißt es aus dem Kreml. Putin betont, er hoffe weiterhin auf eine Wiederherstellung der Zusammenarbeit mit Washington.
Trump: Vorwürfe „lächerlich“
Obama macht Putin persönlich für die Cyberangriffe im Wahlkampf verantwortlich, die dem Republikaner Trump zum Wahlsieg verholfen haben sollen. Die Vorwürfe stützen sich auf Geheimdiensterkenntnisse, die sich kaum überprüfen lassen. Der Kreml dementiert, manche IT-Experten äußern Zweifel.
Während ranghohe Republikaner ebenfalls Moskau beschuldigten, blieb Donald Trump skeptisch und stellte die Geheimdiensterkenntnisse infrage. Die Einschätzung, dass die Attacken teilweise darauf abzielten, ihm zum Wahlsieg zu verhelfen, nannte er gar „lächerlich“.
Obamas Maßnahmen gegen Russland stehen auf einem wackeligen Fundament. Trump könnte die Anordnung nach seinem Amtsantritt am 20. Januar jederzeit mit einer Unterschrift rückgängig machen.
Widerstand von mehreren Seiten
Damit würde er aber wohl auf erheblichen Widerstand in seiner eigenen Partei stoßen. Trump wäre in der unbequemen Situation, die Schritte gleich gegen mehrere Seiten durchboxen zu müssen: gegen die republikanischen Falken, die Putin noch härter angehen wollen, und gegen den erwarteten Widerstand der europäischen Verbündeten. Es wäre ein erster Test, wie sehr er bereit ist, seine Ankündigungen wahr zu machen, die Beziehungen zu Russland zu verbessern.