Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Beim Kraft-Akt so „mittendrin“
Der Österreicher wiederholt in Oberstdorf seinen Sieg von 2014 – Eisenbichler Sechster
(dpa) - Für Stefan Kraft war es ein Déjà-vu-Erlebnis der angenehmsten Art: Oberstdorf, 29. Dezember 2014, der Mann vom SV Schwarzach-Salzburg gewinnt sein erstes Weltcup-Springen. Vier Siege sind seither dazugekommen, der jüngste am Freitagabend, wieder am Schattenberg, auch diesmal zum Auftakt der Vierschanzentournee. Dass Stefan Kraft, 23 mittlerweile, vor zwei Jahren in Oberstdorf den Grundstein zum Tournee-Gesamtsieg legte, sei nur am Rande erwähnt. Er selbst wird das einzuordnen wissen. „Skispringen“, hat Stefan Kraft 2014 übrigens gesagt, „kann im Weltcup ja jeder ziemlich gut. Am Ende ist der vorn, der auch im Kopf der Beste ist.“
Vor erneut 25 500 Zuschauern war das eben Stefan Kraft mit seinen Versuchen auf erst 139, dann 134,5 Meter (308 Punkte). Kamil Stoch, Polens wiedererstarkter Doppel-Olympiasieger von Sotschi, folgte mit 2,8 Zählern Rückstand (137 und 135); Michael Hayböck (135 und 133 Meter/296,2 Punkte) bescherte der DienstreiseZimmergemeinschaft Kraft/Hayböck einen zweiten Anlass zum gepflegten Schmäh. Glückliches Österreich ...
... und landungsgeplagtes Deutschland: Platz sechs für Markus Eisenbichler, seine 135 und 133,5 Meter, sie waren aller Ehren wert. Die 293,1 Zähler aber hätten merklich mehr sein können, wäre der Wackler in Durchgang zwo Telemark geworden. So fuchste es den Sportler („Ich muss einfach normal landen – das ärgert mich extrem, so etwas“), so relativierte der Bundestrainer. Werner Schuster: „Mit dem Markus muss man zufrieden sein – der erste Sprung war richtig gut. Der zweite war vielleicht nicht mehr perfekt, aber wer macht schon zwei perfekte Sprünge?“
Zweitbester der deutschen Neun wurde Richard Freitag; auch sein 14. Rang war Punktabzügen wegen Landeschwäche geschuldet. Nachrangig da fast die dritte Unsicherheit bei Severin Freunds K.o.-Duell-Versuch. Dem Oberstdorf-Sieger von 2015 konnte Werner Schuster nach zwei Tagen keinen „richtig guten Sprung“attestieren. Platz 20 (nach 129 und 127,5 Metern) bestätigte es: Die Formsuche braucht, wie erwartet, Geduld. Severin Freund wäre der Letzte, der das nicht wüsste: „Es war von Anfang an klar, dass die Tournee zu früh kommt.“
Cene Bester der Prevz-Brüder
Andreas Wellinger (15.), Stephan Leyhe (17.), Andreas Wank (wie Severin Freund 20.) und Karl Geiger (27.) hatten überdies den Finaldurchgang erreicht, das bundestrainerliche Fazit aber hellte dieser Tatbestand nicht auf: „Es ist weder total enttäuschend noch ist es befriedigend. Es ist mittendrin.“
Kaum wesentlich freundlicher dürfte die Schattenberg-Bilanz der Gebrüder Prevc ausgefallen sein. Der 17-jährige Weltcup-Spitzenreiter Domen fand sich als 27. nach fahrigem Auftritt weit zurückgeworfen. Peter Prevc’ zehnter Rang mag grundsolide gewesen sein, doch der Mann war 2015/16 noch d-e-r Überflieger der Branche. Und dass Cene, der Mittlere und bislang am wenigsten Aufgefallene, als Achter Sloweniens Speerspitze werden würde, hatte kaum jemand erwartet. Auch Werner Schuster nicht. Merke: „Es scheint in dieser Familie nicht so einfach zu sein.“
Launig. Wie das Doppelzimmer. Österreich-Trainer Heinz Kuttin jedenfalls hatte seinen Spaß mit Kraft/ Hayböck: „Man wünscht sich’s natürlich immer. Aber es sind so viele Athleten dieses Jahr, die so eng beieinander sind. Die Burschen haben sich richtig reingefightet.“
Das Wort vom „Kraft-Akt“wäre da angebracht gewesen. Man wird es, das darf vermutet sein, noch öfter hören die kommenden Tage.