Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein bisschen Jaguar, ein bisschen Bär
Die britische Luxusschmiede rollt den F-Pace auf den Markt der Edel-SUV
aguar – der Name zergeht einem förmlich auf der Zunge. Wir denken an edle Limousinen und rassige Sportwagen – und stehen plötzlich vor diesem eher monströsen F-Pace, einem SUV, der in jedem Gelände eine gute Figur abgeben würde und dennoch zumeist in Stadt und Land genutzt wird, um die lieben Kleinen sicher und kommod in den Kindergarten zu chauffieren. Jetzt also, nach Porsche, Mercedes, BMW und Audi, auch Jaguar! Ausgerechnet die britische Luxusschmiede, Schwestermarke des Geländewagenspezialisten Land Rover, hatte sich dem Trend zum SUV bislang beharrlich verweigert. Der F-Pace, ein Nachzügler, will nun den edlen Konkurrenten wie beispielsweise Mercedes GLC, BMW X3, Audi Q5 oder auch Porsche Macan gehörig in die Seite fahren. Eine Herkulesaufgabe, eine schwere Prüfung für ein Automobil, das im Test weitgehend, aber längst nicht auf allen Feldern zu überzeugen weiß.
Unbestreitbar hübsch anzuschauen das Design des britischen Kraxlers, das vom flotten F-Type inspiriert ist: Wuchtiger Kühlergrill, Kraft suggerierende Lufteinlässe, mächtiger Powerdome auf der Haube, schmal geschnittene Scheinwerfer, imposante 20-Zoll-Räder, nach hinten abfallende Dachlinie, kräftige Hüften am Heck – das hat Klasse, das hat bei aller Bulligkeit durchaus auch Eleganz. Nichts anderes haben wir erwartet von einem Jaguar.
Unbestreitbar übrigens auch das hervorragende Platzangebot. Selbst groß gewachsene Passagiere finden vorn und hinten nicht den kleinsten Anlass, in Wehklagen zu verfallen. Genügend Kopf- und Beinfreiheit? Ist doch keine Frage! Ebenso wenig wie die nach der Zuladung: 650 Liter Kofferraumvolumen sind ganz schön üppig in dieser Klasse, 1740 Liter bei komplett umgeklappter Rückbank (40:20:40) beeindruckend. Großeinkauf für mehrere Wochen, wo sind deine Schrecken? Praktisch, die elektrisch, sehr weit nach oben aufschwingende Heckklappe, die schmerzhaften Beulen am Kopf des Lademeisters vorbeugt. Weniger praktisch, aber leider typisch für einen SUV: die relativ hohe Ladekante, über die nicht nur die Getränkekisten gewuchtet werden müssen. Da kommen wir ordentlich ins Schwitzen.
Und wenn wir gerade schon beim Nörgeln sind: Restspuren der Arbeit des Schweißroboters, mangelhaft verkleidete Radhäuser, ein federleichtes Deckelchen über dem Ablagefach der Mittelkonsole sowie ein bisschen zu viel Hartplastik im ansonsten piekfeinen und übersichtlichen Innenraum gereichen dem klangvollen Namen Jaguar nicht unbedingt zur Ehre. Zumal, wenn die getestete Karosse mit mindestens 51 000 Euro zu Buche schlägt.
Doch seien wir mal nicht zu streng, wir wollen schließlich fahren und nicht gucken. Das Herz des F-Pace 20d AWD – ein Vierzylinder-Dieselmotor, der 180 Pferde auf die Straße bringt – erfreut sich jedenfalls bester Gesundheit. Zugegeben, im unteren Drehzahlbereich gebärdet sich der Selbstzünder etwas zäh und brummig wie ein Bär und wirft die Frage auf, ob der schwergewichtige F-Pace mit diesem Aggregat nicht doch leicht untermotorisiert sein könnte. Das aber ist natürlich Jammern auf ganz hohem Niveau. Erst einmal in Schwung gekommen, erweist sich das Testfahrzeug als durchaus dynamisches Vehikel mit erträglichem Durst (6,8 Liter Durchschnittsverbrauch bei behutsamem Gasfuß).
Uneingeschränkt loben wollen wir hingegen das übrige Fahrverhalten des Allradlers, der bei normalen Verhältnissen meist mit Heckantrieb rollt und bei Bedarf automatisch Kraft auch auf die Vorderachse bringt. Im schneereichen Südwesten gewiss nicht unpraktisch. Dem adaptiven Fahrwerk gelingt der schwierige Spagat zwischen Sportlichkeit und Komfort, Bodenwellen und Schlaglöcher werden problemlos weggebügelt, ohne das Gefühl für die Straße gänzlich zu rauben. Die Lenkung ist präzise und meist scharf genug, allenfalls bei hohem Tempo ein wenig zu flattrig.
Und dass der F-Pace auch im Gelände seinen Mann steht, glauben wir, ohne es tatsächlich überprüft zu haben. Warum? Erstens: Moderne Technik soll unter anderem dafür sorgen, dass Drosselklappe, ZF-Automatikgetriebe (sehr fein, da ruckelfrei und ohne Zugkraftunterbrechung) sowie Stabilitätskontrolle dem jeweiligen Untergrund – von Schotter bis Eis – angepasst werden. Das dürfte bei der Schwestermarke von Land Rover wohl kein Problem darstellen. Und zweitens: Ein Auto, das Extremtests in ausgetrockneten Flussläufen und auf geschotterten Bergpässen in der sengenden Hitze Dubais und der klirrenden Kälte Nordschwedens absolviert und gemeistert hat, sollte wohl auch in deutschen Wäldern und Wiesen gut klarkommen.
Also alles in Butter? Nun ja, ein paar Kleinigkeiten hätten wir dann doch noch. Der Trend, immer mehr Funktionen auf den Touchscreen zu verlagern und Schalter wegzulassen, hat offenbar auch Jaguar erreicht. Das ist etwa bei der Sitzheizung ungeschickt und lenkt unangenehm vom Verkehrsgeschehen ab. Eine Auffahrwarnung macht nur dann Sinn, wenn sie nicht zu oft zu früh anspricht und nicht mit durchdringendem Gepiepe derart nervt, dass sie zwangsläufig deaktiviert wird. Eine Sprachsteuerung, die auch das ansonsten vorzügliche Navigationssystem lenken kann, haben wir schon in billigeren Karossen entdeckt. Ebenso wie eine Dämmung, die besser vor Wind- und Abrollgeräuschen schützt.
Die Beifahrerin schwärmt trotzdem noch heute von einem „heißen Gefährt“. Echt ungerecht, das allein auf die Sitzheizung zurückzuführen, mit der man wahrscheinlich auch Würstchen grillen könnte. Nee, das hat der F-Pace nun wirklich nicht verdient!