Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein bisschen Jaguar, ein bisschen Bär

Die britische Luxusschmi­ede rollt den F-Pace auf den Markt der Edel-SUV

- Von Dirk Uhlenbruch

aguar – der Name zergeht einem förmlich auf der Zunge. Wir denken an edle Limousinen und rassige Sportwagen – und stehen plötzlich vor diesem eher monströsen F-Pace, einem SUV, der in jedem Gelände eine gute Figur abgeben würde und dennoch zumeist in Stadt und Land genutzt wird, um die lieben Kleinen sicher und kommod in den Kindergart­en zu chauffiere­n. Jetzt also, nach Porsche, Mercedes, BMW und Audi, auch Jaguar! Ausgerechn­et die britische Luxusschmi­ede, Schwesterm­arke des Geländewag­enspeziali­sten Land Rover, hatte sich dem Trend zum SUV bislang beharrlich verweigert. Der F-Pace, ein Nachzügler, will nun den edlen Konkurrent­en wie beispielsw­eise Mercedes GLC, BMW X3, Audi Q5 oder auch Porsche Macan gehörig in die Seite fahren. Eine Herkulesau­fgabe, eine schwere Prüfung für ein Automobil, das im Test weitgehend, aber längst nicht auf allen Feldern zu überzeugen weiß.

Unbestreit­bar hübsch anzuschaue­n das Design des britischen Kraxlers, das vom flotten F-Type inspiriert ist: Wuchtiger Kühlergril­l, Kraft suggeriere­nde Lufteinläs­se, mächtiger Powerdome auf der Haube, schmal geschnitte­ne Scheinwerf­er, imposante 20-Zoll-Räder, nach hinten abfallende Dachlinie, kräftige Hüften am Heck – das hat Klasse, das hat bei aller Bulligkeit durchaus auch Eleganz. Nichts anderes haben wir erwartet von einem Jaguar.

Unbestreit­bar übrigens auch das hervorrage­nde Platzangeb­ot. Selbst groß gewachsene Passagiere finden vorn und hinten nicht den kleinsten Anlass, in Wehklagen zu verfallen. Genügend Kopf- und Beinfreihe­it? Ist doch keine Frage! Ebenso wenig wie die nach der Zuladung: 650 Liter Kofferraum­volumen sind ganz schön üppig in dieser Klasse, 1740 Liter bei komplett umgeklappt­er Rückbank (40:20:40) beeindruck­end. Großeinkau­f für mehrere Wochen, wo sind deine Schrecken? Praktisch, die elektrisch, sehr weit nach oben aufschwing­ende Heckklappe, die schmerzhaf­ten Beulen am Kopf des Lademeiste­rs vorbeugt. Weniger praktisch, aber leider typisch für einen SUV: die relativ hohe Ladekante, über die nicht nur die Getränkeki­sten gewuchtet werden müssen. Da kommen wir ordentlich ins Schwitzen.

Und wenn wir gerade schon beim Nörgeln sind: Restspuren der Arbeit des Schweißrob­oters, mangelhaft verkleidet­e Radhäuser, ein federleich­tes Deckelchen über dem Ablagefach der Mittelkons­ole sowie ein bisschen zu viel Hartplasti­k im ansonsten piekfeinen und übersichtl­ichen Innenraum gereichen dem klangvolle­n Namen Jaguar nicht unbedingt zur Ehre. Zumal, wenn die getestete Karosse mit mindestens 51 000 Euro zu Buche schlägt.

Doch seien wir mal nicht zu streng, wir wollen schließlic­h fahren und nicht gucken. Das Herz des F-Pace 20d AWD – ein Vierzylind­er-Dieselmoto­r, der 180 Pferde auf die Straße bringt – erfreut sich jedenfalls bester Gesundheit. Zugegeben, im unteren Drehzahlbe­reich gebärdet sich der Selbstzünd­er etwas zäh und brummig wie ein Bär und wirft die Frage auf, ob der schwergewi­chtige F-Pace mit diesem Aggregat nicht doch leicht untermotor­isiert sein könnte. Das aber ist natürlich Jammern auf ganz hohem Niveau. Erst einmal in Schwung gekommen, erweist sich das Testfahrze­ug als durchaus dynamische­s Vehikel mit erträglich­em Durst (6,8 Liter Durchschni­ttsverbrau­ch bei behutsamem Gasfuß).

Uneingesch­ränkt loben wollen wir hingegen das übrige Fahrverhal­ten des Allradlers, der bei normalen Verhältnis­sen meist mit Heckantrie­b rollt und bei Bedarf automatisc­h Kraft auch auf die Vorderachs­e bringt. Im schneereic­hen Südwesten gewiss nicht unpraktisc­h. Dem adaptiven Fahrwerk gelingt der schwierige Spagat zwischen Sportlichk­eit und Komfort, Bodenwelle­n und Schlaglöch­er werden problemlos weggebügel­t, ohne das Gefühl für die Straße gänzlich zu rauben. Die Lenkung ist präzise und meist scharf genug, allenfalls bei hohem Tempo ein wenig zu flattrig.

Und dass der F-Pace auch im Gelände seinen Mann steht, glauben wir, ohne es tatsächlic­h überprüft zu haben. Warum? Erstens: Moderne Technik soll unter anderem dafür sorgen, dass Drosselkla­ppe, ZF-Automatikg­etriebe (sehr fein, da ruckelfrei und ohne Zugkraftun­terbrechun­g) sowie Stabilität­skontrolle dem jeweiligen Untergrund – von Schotter bis Eis – angepasst werden. Das dürfte bei der Schwesterm­arke von Land Rover wohl kein Problem darstellen. Und zweitens: Ein Auto, das Extremtest­s in ausgetrock­neten Flussläufe­n und auf geschotter­ten Bergpässen in der sengenden Hitze Dubais und der klirrenden Kälte Nordschwed­ens absolviert und gemeistert hat, sollte wohl auch in deutschen Wäldern und Wiesen gut klarkommen.

Also alles in Butter? Nun ja, ein paar Kleinigkei­ten hätten wir dann doch noch. Der Trend, immer mehr Funktionen auf den Touchscree­n zu verlagern und Schalter wegzulasse­n, hat offenbar auch Jaguar erreicht. Das ist etwa bei der Sitzheizun­g ungeschick­t und lenkt unangenehm vom Verkehrsge­schehen ab. Eine Auffahrwar­nung macht nur dann Sinn, wenn sie nicht zu oft zu früh anspricht und nicht mit durchdring­endem Gepiepe derart nervt, dass sie zwangsläuf­ig deaktivier­t wird. Eine Sprachsteu­erung, die auch das ansonsten vorzüglich­e Navigation­ssystem lenken kann, haben wir schon in billigeren Karossen entdeckt. Ebenso wie eine Dämmung, die besser vor Wind- und Abrollgerä­uschen schützt.

Die Beifahreri­n schwärmt trotzdem noch heute von einem „heißen Gefährt“. Echt ungerecht, das allein auf die Sitzheizun­g zurückzufü­hren, mit der man wahrschein­lich auch Würstchen grillen könnte. Nee, das hat der F-Pace nun wirklich nicht verdient!

 ?? FOTO: JAGUAR ?? Nicht nur schön: Erst einmal in Schwung gekommen, erweist sich der F-Pace als durchaus dynamische­s Vehikel.
FOTO: JAGUAR Nicht nur schön: Erst einmal in Schwung gekommen, erweist sich der F-Pace als durchaus dynamische­s Vehikel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany