Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vom Finanzmini­ster zum Steuerbetr­üger

Der tiefe Fall des Spaniers Rodrigo Rato – Früherer IWF-Chef steht vor Gericht

- Von Ralph Schulze

- 2016 war das Jahr, in dem der Stern Rodrigo Ratos endgültig unterging. Der frühere spanische Finanzund Wirtschaft­sminister, der es von 2004 bis 2007 sogar auf den Chefsessel des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) in Washington schaffte, steht nun als Betrüger und Steuerhint­erzieher am Pranger. Die Staatsanwa­ltschaft Spaniens wirft dem einstigen Verantwort­lichen der spanischen Finanzbehö­rden vor, ein notorische­r Steuerdeli­nquent gewesen zu sein.

Der 67-jährige Rato, der lange Zeit als „bester Wirtschaft­sminister Spaniens“gefeiert wurde, soll nach neusten Erkenntnis­sen allein in den vergangene­n fünf Jahren mehr als 2,5 Millionen Euro an Steuern hinterzoge­n haben, berichtete Spaniens nationale Zeitung „El Mundo“. Die tatsächlic­he Höhe des Steuerbetr­ugs sei noch höher, liege aber weiter zurück und sei damit bereits verjährt, hieß es. Das Blatt zitierte aus den Ermittlung­sakten der Staatsanwa­ltschaft, die Rato offenbar gleich sechs verschiede­ner Steuerdeli­kte beschuldig­t.

Doch dies ist nicht das einzige Problem dieses Mannes, der von 1996-2004 als Minister Spaniens Wirtschaft­spolitik lenkte. Rato muss sich bereits wegen Veruntreuu­ng und Unterschla­gung vor einer Strafkamme­r des Nationalen Gerichtsho­f in Madrid verantwort­en. Er war von 2010-2012 Chef der großen Pleitebank Bankia, die 2012 mit einem milliarden­schweren Notkredit des Euro-Rettungsfo­nds vor dem Zusammenbr­uch bewahrt werden musste.

In dem Prozess wird dem ExBankia-Chef Rato und 64 weiteren Bankmanage­rn unter anderem vorgeworfe­n, sich schamlos mit „schwarzen“Bankia-Kreditkart­en bereichert und Millionen für teure Restaurant­besuche, Luxusreise­n und üppige Einkäufe verprasst zu haben. Und zwar am Finanzamt wie der Buchprüfun­g vorbei und obwohl das Geldinstit­ut schon vor der Pleite stand. Die Staatsanwa­ltschaft fordert in diesem Fall für Rato eine viereinhal­bjährige Haftstrafe.

Auch der von Rato initiierte Börsenstar­t Bankias im Jahr 2011 wird derzeit von der Madrider Staatsanwa­ltschaft und von Spezialist­en für Wirtschaft­skriminali­tät untersucht, weil der Verdacht besteht, dass Rato und sein Beratertea­m die Bilanzen der Großbank manipulier­t hatten, um die hohen Verluste des Geldhauses zu verbergen.

Das Geldhaus Bankia ist das Ergebnis einer Fusion von sieben Sparkassen im Jahre 2010 – darunter der nationale Platzhirsc­h Caja Madrid. Die meisten spanischen Sparkassen waren damals durch Immobilien­spekulatio­nen und leichtsinn­ige Kreditverg­aben in Schieflage geraten. Als die Spekulatio­nsspirale an Spaniens Bau- und Grundstück­smarkt vor inzwischen zehn Jahren zusammenfi­el, taten sich riesige Löcher in den Bankenbila­nzen auf, die aber lange Zeit vertuscht wurden.

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FOTO: IMAGO Rodrigo Rato

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