Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Niedliche Nonnentrösterchen
Roggenburger Krippenausstellung zeigt, was es mit den Jesulein-Puppen auf sich hat
(mde) - Die ganze Vielfalt der Krippenkunst hat das Zentrum für Familie, Umwelt und Kultur gemeinsam mit den Kuratoren Silvia und Anton Bidell zur diesjährigen Krippenausstellung im Kloster Roggenburg zusammengetragen. Es werden 70 historische und orientalische, neapolitanische, sizilianische, schwäbische und alpenländische Krippen zu sehen sein. Neben der Krippenausstellung wird eine Sammlung von 35 kunstvoll gewickelten Fatschenkindern zu sehen sein. Die Schneidermeisterin und Sammlerin Maria Haller aus Villingen hat sie dem Kloster geschenkt.
„Fatschen“, das enge Wickeln von Babys, ist seit dem 14. Jahrhundert ein Hausmittel zur Beruhigung unruhiger Kinder. „Gefatschte“Puppen und prunkvolle Jesulein waren auch als „Nonnentrösterchen“bekannt. Die 79-jährige Sammlerin Haller erklärt die Begeisterung: „Nonnen lebten durch ihren Klostergang ihre klerikale Berufung und nahmen dafür den lebenslangen Verzicht auf Familie und Kinder in Kauf. Fatschenkinder waren für sie Freude, Trost und Gotteslob in einem. Gleichzeitig waren sie Ersatz für Kinderlosigkeit und Abbild ihrer Berufung.“
Haller hat sich nicht nur mit der Geschichte der Fatschenkinder beschäftigt, sondern als Kursleiterin auch deren kunstvolle Herstellung vermittelt. Fatschen entwickelte sich als Klosterkunst und verbreitete sich weit über die Klöster hinaus. Auch ungebundene Jesulein wurden später als Fatschenkinder in Kirchen verehrt. Nonnen kleideten die Figuren in auserlesene, verzierte Stoffe, die Gläubigen zogen in der Kirche zum ausgestellten „Christkind“, Wallfahrten entwickelten sich, Fatschenkinder dienten als Gebildebrot für Backformen und wurden am Heiligabend im Herrgottswinkel aufgestellt. Meist handelte es sich um ein in wertvolle Stoffe „eingefatschtes“Wachsfigürchen in einem kleinen Holzkasten, zum Teil mit gläserner Schauscheibe. Auch diese mit Perlen, bestickter Seide und Steinen ausgeschmückten Kästchen sind in Roggenburg zu bewundern.
Bis ins 19. Jahrhundert gehörte in den Kirchen der Brauch des „Kindleinwiegens“zur Verehrung des gefatschten Jesuleins. Die Kinder tanzten vor ihm und sangen Weihnachtslieder, nahmen das Kind aus der Krippe heraus, reichten es von Arm zu Arm und wiegten es zärtlich.