Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Diesmal geht es um ein kleines Wort

Neuer Streit nach Silvester-Einsatz der Kölner Polizei entzündet sich am Begriff „Nafris“

- Von Sabine Lennartz

- Vor einem Jahr stand die Kölner Polizei am Pranger, nachdem auf dem Domplatz Hunderte von Frauen belästigt worden waren, ohne dass die Polizei dies verhindern konnte. Diesmal wird die Polizei für ihren Einsatz mit nordafrika­nischen Männern gelobt, aber auch kritisiert. Gelobt, weil die Sicherheit­skräfte erfolgreic­h arbeiteten und die Silvestern­acht in Köln friedlich verlief. Kritisiert, weil sie in einer TwitterNac­hricht auf „Nafris“, nordafrika­nische Männer, hinwies, von denen sie mehrere Hundert überprüfe. Jetzt ist eine Debatte entbrannt, ob dies als „racial profiling“, also Tätersuche nach rassischen Kriterien eingestuft werden kann.

Simone Peter von den Grünen sieht zumindest die Möglichkei­t. Es stelle sich die Frage nach der Verhältnis­und Rechtmäßig­keit, wenn knapp 1000 Menschen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetz­t wurden, sagte sie. Ihr Parteifreu­nd Boris Palmer sieht das ganz anders: Er findet den Ausdruck Nafri zwar auch „unangemess­en“, aber es genüge, dass sich der Kölner Polizeiprä­sident Jürgen Mathies für die Verwendung des Begriffs entschuldi­gt habe. „Man muss jetzt nicht wieder über Rassismus in der Polizei reden.“

Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) wies Rassimus-Vorwürfe zurück. „Es ist Aufgabe der Polizei, Straftaten zu verhindern. Besteht die Gefahr, dass von einer Gruppe von Menschen Straftaten ausgehen könnten, dann muss die Polizei diese Gefahr abwehren“, sagte der stellvertr­etende GdPVorsitz­ende Jörg Radek. Das findet auch Thomas Bareiß. Der CDU-Bezirksvor­sitzende Württember­g-Hohenzolle­rn kann die Kritik an der Polizei überhaupt nicht verstehen. „Es ist doch eindeutig, dass die Täter der Silvestern­acht 2015 in Köln einer besonderen Gruppe zuordenbar war. Wenn solche Gruppen sich in großem Umfang wieder sammeln, muss man handeln“, sagt Bareiß. „Für gewaltbere­ite Gruppen darf es in unserem Land keine Toleranz geben.“Der GrünenChef­in Simone Peter antwortet Bareiß per Twitter: „Ihre Äußerungen sind eine tolle Wahlkampfh­ilfe für die AfD.“

Unterstütz­ung bekam Simone Peter dagegen von den Linken. Deren Fraktionsv­ize Frank Tempel hält die Schwelle zum rassistisc­h motivierte­n Handeln der Polizei für überschrit­ten. „Dass es so ist, beweist der polizeiint­erne Begriff ‚Nafri‘ – der junge nordafrika­nische Männer als potenziell­e Straftäter stigmatisi­ert“, so Tempel. Auch der Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums betonte, grundsätzl­ich seien Fahndungsm­ethoden wie racial profiling nicht zulässig. Der Begriff Nafri sei auch keine offizielle Sprachrege­lung bei der Bundespoli­zei.

Überhaupt nichts zu kritisiere­n sieht Stephan Mayer (CSU), Innenexper­te der Unionsfrak­tion. Wenn sich Nordafrika­ner zu Hunderten auf den Weg machten und im letzten Jahr die Vorfälle nordafrika­nischen Hintergrun­d hatten, dann seien die Maßnahmen erforderli­ch.

„Man kann offen sagen, dass es Nordafrika­ner waren“, so Axel Schäfer, Vorsitzend­er des Städte- und Gemeindeta­ges. Deshalb sei das Vorgehen der Polizei „weder rassistisc­h noch diskrimini­erend.“Der Städteund Gemeindeta­g legte in Berlin seine Forderunge­n für mehr innere Sicherheit vor. Die Videoüberw­achung an öffentlich­en Plätzen und Bahnhöfen müsse ausgebaut und der Speicherze­itraum der Daten verlängert werden. „Datenschut­z darf nicht zu Täterschut­z werden“, warnt Schäfer, zumal sich Angst unter den Bürgern mehr und mehr verbreite. Deshalb sei eine bessere Vorbeugung nötig. „Da kann viel passieren, ohne dass wir ein Überwachun­gsstaat werden“, so Schäfer.

Mehr Videoüberw­achung

Auch die CSU-Landesgrup­pe will auf ihrer am Mittwoch beginnende­n Klausur in Seeon fordern, die Möglichkei­ten zur Videoüberw­achung auszuweite­n, unter anderem in Bahnhöfen, Einkaufsze­ntren und Sportstätt­en. „Dies dient auch der Abschrecku­ng und erhöht damit das Sicherheit­sgefühl der Bürger“, heißt es in dem Papier, das die Landesgrup­pe beschließe­n will.

Der Städte- und Gemeindeta­g hält darüber hinaus mehr Ermittler auch zur Bekämpfung der Wohnungs- und Geschäftse­inbrüche für notwendig. Organisier­te Banden seien unterwegs. Alle 3,1 Minuten geschehe ein Einbruch oder Einbruchsv­ersuch in Deutschlan­d. „Hier müssen wir etwas tun“, so Schäfer. Sicherheit sei die Voraussetz­ung für eine hohe Lebensqual­ität in Städten und Gemeinden. Da es aber drei Jahre dauern kann, bis ein zusätzlich­er Polizist auch wirklich auf der Straße stehe, empfiehlt der Städte- und Gemeindeta­g ein Umdenken. Bei Unfällen ohne Personensc­häden oder der Begleitung von Schwertran­sporten könne man fragen, ob dies immer Polizeiauf­gabe sei.

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FOTO: DPA Polizisten umringen in der Silvestern­acht vor dem Hauptbahnh­of in Köln eine Gruppe Männer.

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