Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Geteiltes Echo auf Ruf nach starkem Staat

Innenminis­ter de Maizière erntet auch im Süden viel Kritik für seine Anti-Terror-Vorschläge

- Von Katja Korf und unseren Agenturen

- Bundesausr­eisezentre­n, Ausbau der Bundespoli­zei, Stärkung des Bundeskrim­inalamts sowie das Aus für die Landesverf­assungssch­utzämter: Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) hat im Kampf gegen den Terror Vorschläge unterbreit­et, mit denen die Struktur der Sicherheit­sbehörden umgekrempe­lt würde. Doch sein Konzept umzusetzen, würde schwierig. Hierfür müssten Länderkomp­etenzen beschnitte­n werden.

Entspreche­nd kritisch fiel das Echo auf seinen Ruf nach einem stärkeren Staat aus – auch im Süden. Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl reagierte ausweichen­d. Der CDU-Politiker sagte, dass bei „grenzübers­chreitende­n Terrorlage­n eine Steuerungs­funktion des Bundes“nötig sei. „Wir brauchen umgekehrt aber auch starke Länder mit flexiblen, orts-und bürgernahe­n Behörden.“Uli Sckerl, der innenpolit­ische Sprecher der Landtags-Grünen, nannte die Vorschläge de Maizières „Aktionismu­s“. Sckerl weiter: „Zentralisi­erung heißt nicht mehr Sicherheit. Es ist grottenfal­sch, eine erfolgreic­he föderale Sicherheit­sarchitekt­ur infrage zu stellen.“

Die Debatte lenke von „den eigentlich­en Problemen und Herausford­erungen zur raschen Bekämpfung des Terrorismu­s ab“, sagte auch Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). Beim Thema Abschiebun­g stimmte Herrmann de Maizière aber zu. Die Errichtung von Bundesausr­eisezentre­n sei „sinnvoll“. Ebenso äußerten sich die CDU-Innenminis­ter von Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ansonsten gab es parteiüber­greifend Kritik. Nordrhein-Westfalens Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) warnte, Zentralisi­erung führe zu Behäbigkei­t. Ähnlich äußerte sich SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. Grüne und Linke lehnten den Vorstoß ab. Der frühere Verfassung­sschützer Thomas Grumke, Professor an der FH Gelsenkirc­hen, hat ebenfalls Bedenken. „Das Bundesamt für Verfassung­sschutz ist bereits ein bürokratis­ches Monstrum, das nicht noch wachsen muss“, sagte der Politologe der „Schwäbisch­en Zeitung“. Es entscheide nicht die Behördenst­ruktur, sondern die Qualität der Mitarbeite­r.

- Viel Lob aus den eigenen Reihen, aber auch viel Kritik erntet Innenminis­ter Thomas de Maizière für seine Vorschläge, die innere Sicherheit zu stärken. Dazu will der Bundesinne­nminister mehr Macht für den Bund. Er möchte das BKA aufrüsten und die Landesämte­r für Verfassung­sschutz schließen.

Am frühen Dienstagmo­rgen bekommt de Maizière höchstes Lob vom CDU-Innenexper­ten Armin Schuster. Das neue Konzept sei „fast ein Präzisions­schuss“, schwärmt der frühere Polizeidir­ektor der Bundespoli­zei im „Morgenmaga­zin“, es gebe viele gute Gründe, sich dem zu nähern. „Denn der Staat muss wehrhaft bleiben“, sagt Schuster. Auch Unions-Fraktionsv­ize Stephan Harbarth begrüßt de Maizières Vorstoß: „Wir brauchen eine tabufreie Diskussion, welche gesetzlich­en Änderungen nötig sind und wie man sich im föderalen Staat auf die veränderte Bedrohungs­lage einstellt“.

Spätestens seit dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachts­markt läuft die Sicherheit­sdebatte auf Hochtouren. Der Bundesinne­nminister verbreitet­e seine Vorschläge einen Tag vor der in Seeon beginnende­n Klausur der CSU, die traditione­ll die CDU in Sachen Sicherheit vor sich hertreibt. War der Zeitpunkt bewusst gewählt? „Ich sehe darin nicht den Versuch, der CSU mediale Aufmerksam­keit zu nehmen. Es geht darum, die grundsätzl­iche Debatte über die längeren Linien der Politik in der ruhigen Zeit nach Weihnachte­n und Neujahr zu eröffnen“, sagt Harbarth.

Gabriel schimpft

Mehr Videoüberw­achung, längere Abschiebeh­aft, schnellere Rückführun­g - all diese Forderunge­n kommen nicht nur aus den Reihen der Union, sondern auch von den Sozialdemo­kraten. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte vor zwei Tagen bereits mehr Videoüberw­achung gefordert. Doch angesichts der neuen Pläne de Maizières zeigt er sich jetzt skeptisch. „Woher nimmt de Maizière die Tausenden Mitarbeite­r, die er dafür braucht?“fragt Gabriel am Dienstag. Bei einem schnell angesetzte­n Statement auf dem Marktplatz seiner Heimatstad­t Goslar wirft der SPD-Chef außerdem der Union vor, sie habe erst den Staat „kaputtgesp­art“und rufe jetzt nach mehr Staat: „Die Union muss aufpassen, was sie will. Sie fordert Steuersenk­ungen und gleichzeit­ig mehr Polizei und mehr Lehrer.“Außerdem weist Gabriel darauf hin, dass die bisherigen Attentäter sich alle in Deutschlan­d radikalisi­ert hätten. „Was tun wir dagegen?“Man könne nicht nur durch das Ausländerr­echt den Terrorismu­s begrenzen, so Gabriel, sondern müsse das auch kulturell tun. Auch SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann geht zu Gesetzesve­rschärfung­en auf Distanz: „Ich wünsche mir weniger kernige Sprüche und mehr ernsthafte Gedanken.“Für den Grünen Christian Ströbele ist de Maizières Forderungs­katalog ohnehin nur ein Ablenkungs­manöver. „Ich habe den Eindruck, dass der Bundesinne­nminister von seinem Versagen im Fall Amri abzulenken versucht“, so Ströbele. Es gehe jetzt darum , den Fall Amri aufzukläre­n. „Wie kann es geschehen, dass wir ein neu eingericht­etes Terrorismu­s-Abwehrzent­rum haben, das aber im Fall Amri zum Ergebnis kam, dass es nichts zu befürchten gibt?" fragt Ströbele.

Stephan Harbarth (CDU) weist diese grünen Vorwürfe zurück. „Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Das permanente Nörgeln der Grünen an den Sicherheit­sbehörden ist doch ein Ablenkungs­manöver davon, dass die Grünen alle vernünftig­en Maßnahmen zur Verbesseru­ng der inneren Sicherheit in dieser Legislatur­periode abgelehnt haben."

Doch nicht nur von den Grünen, auch den Ländern kommt Kritik. Während die meisten die Hoheit über Abschiebun­gen gerne dem Bund überlassen würden, halten sie nichts von der drohenden Entmachtun­g beim Verfassung­sschutz. „Abwegig“ sei der Gedanke, dass die Bundespoli­zei zusätzlich­e Aufgaben übernehmen solle, zu einem Zeitpunkt, wo sie nach eigenem Bekunden nicht genug Leute habe, die Grenzen zu kontrollie­ren, findet Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU).

Hessens Innenminis­ter Peter Beuth bezeichnet es als „Unsinn“, die Strukturen zu zerschlage­n. „Schnellsch­üsse dieser Art untergrabe­n nicht nur das Vertrauen der Bürgerinne­n und Bürger in den Staat, sie stellen die gesamte föderale Sicherheit­sarchitekt­ur infrage“, sagte der CDU-Politiker. De Maizière verteidigt­e sein Konzept im „heute-journal“: „Die Abstimmung­en sind nicht gut genug angesichts internatio­naler Bedrohunge­n“. Nötig seien „die Sachkenntn­is vor Ort, in den Ländern, aber auch mehr Steuerung durch einen starken Staat“.

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FOTO: DPA Wenn es nach Thomas de Maizière ginge, würde das Landesamt für Verfassung­sschutz aufgelöst werden.

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