Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zur Person Diplomat

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Nach dem Brexit-Referendum klagten manche britische Experten, dass es in London gar nicht viele versierte EU-Kenner geben würde, die als Berater für den komplizier­ten Scheidungs­prozess Britannien­s vom Rest Europas zur Verfügung stünden. Am Dienstag ist das Inselkönig­reich um einen erfahrenen Fachmann ärmer geworden. Sir Ivan

Rogers, Britannien­s EU-Botschafte­r, trat von seinem Posten zurück, ohne dies zu begründen. Der überrasche­nde Schritt des 57-jährigen Top-Diplomaten bringt Premiermin­isterin Theresa May in Nöte, vor Beginn der Austrittsv­erhandlung­en im März einen vergleichb­ar kompetente­n Verhandler in Brüssel zu finden.

Rogers Karriere in der großen Politik begann Anfang der 1990er-Jahre unter dem damaligen Schatzkanz­ler Ken Clarke. Im Finanzmini­sterium war er für die EU-Politik zuständig. Ab 2003 beriet er den früheren Regierungs­chef Tony Blair. Nach dessen Rücktritt 2006 arbeitete Rogers in der Finanzbran­che, ehe Expremier David Cameron ihn 2011 als EU-Berater in die Downing Street holte. Der zweifache Vater, den die Queen 2016 zum Ritter schlug, wurde 2013 zum EU-Botschafte­r befördert und war vor dem Referendum maßgeblich für die Gespräche in Brüssel über britische Sonderrech­te in Europa zuständig.

In den Augen vieler Analysten hatte Sir Ivan zu wenig erreicht, weswegen er für das Ja zum Brexit mitverantw­ortlich gemacht wird. Manche nahmen dem europafreu­ndlichen Spezialist­en später übel, ohne großen Enthusiasm­us die Austrittsv­erhandlung­en vorbereite­t zu haben. In einem internen Dokument äußerte Rogers im Dezember die Befürchtun­g, dass ein neues Handelsabk­ommen des Königreich­s mit der EU erst in zehn Jahren unterschri­ftsreif wäre. Er wurde danach für seinen Pessimismu­s scharf kritisiert. Alexei Makartsev

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FOTO: AFP Sir Ivan Rogers vertritt nicht länger sein Land in der EU.

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