Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Endlich wieder ein Dach über dem Kopf
Bauer Khaled Sulaiman Ali zieht im Nordirak in einen Container, gestiftet von den Lesern dieser Zeitung
Mithilfe von Spenden der Leserinnen und Leser der „Schwäbischen Zeitung“konnten vor wenigen Tagen die ersten Flüchtlinge im Nordirak in Wohncontainer einziehen.
Eine der ersten jesidischen Familien, die am Dienstag im Flüchtlingscamp Mam Rashan ein festes Dach über dem Kopf bekommen haben, ist die von Khaled Sulaiman Ali. Der Bauer stammt aus der Shingal-Region nahe der syrischen Grenze. Im August 2014 wurden die jesidischen Bewohner von Terroristen des „Islamischen Staates“(IS) angegriffen. Mehrere Tausend jesidische Männer in der Region wurden getötet und in Massengräbern verscharrt. Mehr als 4000 jesidische Mädchen und Frauen wurden verschleppt.
Jene, die fliehen konnten, sind oft nur mit dem nackten Leben davongekommen. So auch Khaled, seine Frau, die fünf Töchter und zwei Söhne. Sie entkamen am 3. August 2014 aus ihrem Dorf Duhere, nahe der regionalen Hauptstadt Shingal. Zunächst retteten sie sich vor den IS-Leuten in das mächtige Shingal-Gebirge. Dort blieben sie acht Tage lang. In dieser Zeit spielten sich auf dem Berg grausame Szenen ab: Halb verhungerte und verdurstete Menschen wurden viel zu spät aus Hubschraubern versorgt, während Terroristen des IS den Flüchtlingen vom Fuß des Berges aus nachsetzten. Über einen nicht vom IS kontrollierten Korridor brachte Bauer Khaled seine Familie ins benachbarte Syrien, von dort wurden die Flüchtenden wieder zurückgeschafft in den Irak. In der nordirakischen Stadt Zako, nahe der Grenze zur Türkei, kamen sie in einem Kindergarten unter. Anschließend lebte die Familie zwei Monate in einem Zeltlager, dann zogen die Khaleds weiter in einen Rohbau im Dorf Seba Skeh Kheder. Dort ist man Wind und Wetter ausgesetzt.
Und nun sind sie in einem Container untergebracht, der – auf dem Bild rechts oben zu sehen – Haus Allgäu heißt und das Logo der „Schwäbischen Zeitung“trägt.
Khaled Sulaiman Ali sagte einem Mitarbeiter der Caritas im Irak, er sei froh, endlich wieder eine menschenwürdige Unterkunft für die Familie zu haben. Die Untätigkeit muss für einen geflohenen Bauern besonders schlimm sein. Aber erst einmal haben sie es jetzt – im irakischen Winter – trocken und warm.
Bei uns in Europa ist jetzt Winter. Wie sieht der Winter im irakischen Camp aus?
Tagsüber kann es zwei bis drei Grad über null sein, nachts haben wir auch hier Minustemperaturen.
Wie haben die Menschen in Mam Rashan das neue Jahr begrüßt?
Die meisten Vertriebenen haben mit ihren Familien in den Wohncontainern Neujahr gefeiert. Viele hier sind aber noch traumatisiert von der Vertreibung durch den „Islamischen Staat“, freudige Anlässe bringen darum auch häufig die düsteren Erinnerungen wieder hoch. Auf der anderen Seite sind die Menschen erst einmal dankbar, dass sie überhaupt noch am Leben sind.
Mit den Spenden unserer Leser wurden 20 Wohncontainer bezahlt, jetzt soll noch ein Marktplatz errichtet werden. Warum?
Die meisten Menschen hier sind arbeitslos, ein Markt schafft Arbeitsplätze und Einnahmen, zumindest für einige von ihnen. Außerdem können die Vertriebenen direkt vor Ort einkaufen und sie müssen nicht hohe Busgebühren zahlen, um in die Stadt zu fahren.
Wie haben diese Menschen denn nach der Flucht gelebt, bevor sie nach Mam Rashan kamen?
Viele haben den Winter in einem Rohbau verbracht, hier im Camp ist erstmals eine solide und permanente Unterbringung möglich. Sie haben ein Dach über dem Kopf. So können die Menschen besser ihren Alltag planen. Dass es eine Schule und ein Krankenhaus hier im Camp gibt, schafft ein Gefühl der Stabilität und Verlässlichkeit.
Werden diese Flüchtlinge jemals wieder in ihre Heimatorte zurückkehren können?
Das hängt von den weiteren Entwicklungen hier im Nordirak ab. Aber viele Flüchtlinge hegen die Hoffnung, dass der Islamische Staat irgendwann von hier vertrieben werden wird. Dann könnte es irgendwann mit einem Wiederaufbau beginnen. Das wird aber weitere Hilfe der Weltgemeinschaft notwendig machen.