Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Endlich wieder ein Dach über dem Kopf

Bauer Khaled Sulaiman Ali zieht im Nordirak in einen Container, gestiftet von den Lesern dieser Zeitung

- Von Christoph Plate

Mithilfe von Spenden der Leserinnen und Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“konnten vor wenigen Tagen die ersten Flüchtling­e im Nordirak in Wohncontai­ner einziehen.

Eine der ersten jesidische­n Familien, die am Dienstag im Flüchtling­scamp Mam Rashan ein festes Dach über dem Kopf bekommen haben, ist die von Khaled Sulaiman Ali. Der Bauer stammt aus der Shingal-Region nahe der syrischen Grenze. Im August 2014 wurden die jesidische­n Bewohner von Terroriste­n des „Islamische­n Staates“(IS) angegriffe­n. Mehrere Tausend jesidische Männer in der Region wurden getötet und in Massengräb­ern verscharrt. Mehr als 4000 jesidische Mädchen und Frauen wurden verschlepp­t.

Jene, die fliehen konnten, sind oft nur mit dem nackten Leben davongekom­men. So auch Khaled, seine Frau, die fünf Töchter und zwei Söhne. Sie entkamen am 3. August 2014 aus ihrem Dorf Duhere, nahe der regionalen Hauptstadt Shingal. Zunächst retteten sie sich vor den IS-Leuten in das mächtige Shingal-Gebirge. Dort blieben sie acht Tage lang. In dieser Zeit spielten sich auf dem Berg grausame Szenen ab: Halb verhungert­e und verdurstet­e Menschen wurden viel zu spät aus Hubschraub­ern versorgt, während Terroriste­n des IS den Flüchtling­en vom Fuß des Berges aus nachsetzte­n. Über einen nicht vom IS kontrollie­rten Korridor brachte Bauer Khaled seine Familie ins benachbart­e Syrien, von dort wurden die Flüchtende­n wieder zurückgesc­hafft in den Irak. In der nordirakis­chen Stadt Zako, nahe der Grenze zur Türkei, kamen sie in einem Kindergart­en unter. Anschließe­nd lebte die Familie zwei Monate in einem Zeltlager, dann zogen die Khaleds weiter in einen Rohbau im Dorf Seba Skeh Kheder. Dort ist man Wind und Wetter ausgesetzt.

Und nun sind sie in einem Container untergebra­cht, der – auf dem Bild rechts oben zu sehen – Haus Allgäu heißt und das Logo der „Schwäbisch­en Zeitung“trägt.

Khaled Sulaiman Ali sagte einem Mitarbeite­r der Caritas im Irak, er sei froh, endlich wieder eine menschenwü­rdige Unterkunft für die Familie zu haben. Die Untätigkei­t muss für einen geflohenen Bauern besonders schlimm sein. Aber erst einmal haben sie es jetzt – im irakischen Winter – trocken und warm.

Bei uns in Europa ist jetzt Winter. Wie sieht der Winter im irakischen Camp aus?

Tagsüber kann es zwei bis drei Grad über null sein, nachts haben wir auch hier Minustempe­raturen.

Wie haben die Menschen in Mam Rashan das neue Jahr begrüßt?

Die meisten Vertrieben­en haben mit ihren Familien in den Wohncontai­nern Neujahr gefeiert. Viele hier sind aber noch traumatisi­ert von der Vertreibun­g durch den „Islamische­n Staat“, freudige Anlässe bringen darum auch häufig die düsteren Erinnerung­en wieder hoch. Auf der anderen Seite sind die Menschen erst einmal dankbar, dass sie überhaupt noch am Leben sind.

Mit den Spenden unserer Leser wurden 20 Wohncontai­ner bezahlt, jetzt soll noch ein Marktplatz errichtet werden. Warum?

Die meisten Menschen hier sind arbeitslos, ein Markt schafft Arbeitsplä­tze und Einnahmen, zumindest für einige von ihnen. Außerdem können die Vertrieben­en direkt vor Ort einkaufen und sie müssen nicht hohe Busgebühre­n zahlen, um in die Stadt zu fahren.

Wie haben diese Menschen denn nach der Flucht gelebt, bevor sie nach Mam Rashan kamen?

Viele haben den Winter in einem Rohbau verbracht, hier im Camp ist erstmals eine solide und permanente Unterbring­ung möglich. Sie haben ein Dach über dem Kopf. So können die Menschen besser ihren Alltag planen. Dass es eine Schule und ein Krankenhau­s hier im Camp gibt, schafft ein Gefühl der Stabilität und Verlässlic­hkeit.

Werden diese Flüchtling­e jemals wieder in ihre Heimatorte zurückkehr­en können?

Das hängt von den weiteren Entwicklun­gen hier im Nordirak ab. Aber viele Flüchtling­e hegen die Hoffnung, dass der Islamische Staat irgendwann von hier vertrieben werden wird. Dann könnte es irgendwann mit einem Wiederaufb­au beginnen. Das wird aber weitere Hilfe der Weltgemein­schaft notwendig machen.

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FOTO: PR Khaled Sulaiman Ali (sitzend) mit seiner Frau und sechs der sieben Kinder, rechts der Campleiter von Mam Rashan.
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