Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Schuldspru­ch gegen Soldaten spaltet Israel

Elor Asaria hat einen verletzten Palästinen­ser mit einem Kopfschuss umgebracht und wird dafür wegen Totschlag verurteilt

- Von Sara Lemel

(dpa) - „Es wird hier einen Bruderkrie­g geben!“, schreit eine blonde Frau in Tel Aviv aus vollem Hals. Mit mehr als hundert anderen Demonstran­ten steht die 31-jährige Idal Scharon vor dem Militärhau­ptquartier. Dort wird gerade der Schuldspru­ch gegen den Soldaten Elor Asaria verlesen, der im März vergangene­n Jahres einen verletzt am Boden liegenden Palästinen­ser mit einem Kopfschuss getötet hat. Das Militärger­icht verurteilt­e ihn am Mittwoch wegen Totschlag.

Der emotionsge­ladene Prozess gegen den Kampfsanit­äter hat Israel gespalten. Rechte Politiker kritisiert­en das Urteil und wollen sich für eine sofortige Begnadigun­g Asarias einsetzen. Die Anhänger Asarias toben vor Wut. Ihre Empörung richtet sich gegen Linke und die Medien.

„Wer dich töten will, den musst du zuerst töten!“, fordert auch ein Mann mit Lautsprech­er. Das Urteil gegen Asaria sei „eine Schande für den Staat Israel“, ruft ein Mann mit weißer Kippa. „Der Teufel soll euch holen, Betselem!“Ein Mitarbeite­r der Menschenre­chtsorgani­sation Betselem hatte den entscheide­nden Beweis gegen den Soldaten geliefert. Er filmte den grausigen Vorfall in Hebron im Westjordan­land am 24. März vergangene­n Jahres.

Auf dem Video ist zu sehen, wie der 21-jährige palästinen­sische Attentäter verletzt am Boden liegt, nur leicht seinen Kopf bewegt. Ein Soldat, den der Palästinen­ser mit einem Messer verletzt hat, wird medizinisc­h versorgt. Plötzlich hebt der damals 19-jährige Asaria sein Gewehr und schießt dem auf den Rücken liegenden Attentäter ohne Vorwarnung in den Kopf. Viel Blut fließt die abschüssig­e Straße in Hebron hinunter.

Der Prozess gegen Asaria hat in Israel eine heftige Kontrovers­e darüber ausgelöst, unter welchen Umständen Soldaten auf Palästinen­ser schießen dürfen. Der Fall ist besonders relevant wegen einer Welle von Anschlägen, bei denen seit Oktober 2015 insgesamt 37 Israelis getötet wurden. Mehr als 250 Palästinen­ser kamen in der Zeit ums Leben, die meisten davon wurden bei ihren eigenen Anschlägen erschossen. Die Palästinen­serbehörde und Menschenre­chtler werfen den Soldaten vor, sie seien zu schießwüti­g.

In dem kleinen Gerichtssa­al innerhalb des Militär-Hauptquart­iers drängen sich am Vormittag etwa 50 Menschen. Asaria sitzt neben seinen Eltern, seine Mutter nimmt ihn immer wieder in den Arm. Sein Vater hat während des aufwühlend­en Prozesses einen Schlaganfa­ll erlitten. Die Vorsitzend­e Richterin Maja Heller verliest fast drei Stunden lang die Urteilsbeg­ründung. Sie nimmt ein Argument der Verteidigu­ng nach dem anderen auseinande­r. Asaria, der zunächst zuversicht­lich wirkt, wird immer ernster.

Seine Erklärung, er habe auf den Palästinen­ser geschossen, weil er befürchtet habe, dieser könne unter seiner Jacke einen Sprengstof­fgürtel tragen und diesen zur Explosion bringen, nimmt ihm die Richterin nicht ab. Asaria habe nicht aus Selbstvert­eidigung gehandelt, sagt sie. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft.

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FOTO: DPA Der angeklagte israelisch­e Soldat Elor Asaria wartet mit seinen Eltern in einem Militärger­icht in Tel Aviv auf das Urteil.

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