Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Diese Gesichter kennt die ganze Welt
Geschwister des Biberachers Bruno Münch dienten Maria Innocentia Hummel als Vorlage
- Sie sind berühmt und stehen in Wohnungen auf der ganzen Welt: die Gesichter der Geschwister von Bruno Münch aus Biberach. Die Gesichtszüge seiner Brüder und Schwestern dienten Maria Innocentia Hummel – vor ihrem Eintritt ins Kloster hieß sie Berta Hummel – als Vorlage für ihre Kinderbilder. Der heute 70-Jährige ist das jüngste Kind der Familie Münch, deren Wurzeln in der Klostergemeinde Sießen bei Bad Saulgau liegt.
Seine erste Hummelfigur hat Bruno Münch im Alter von zehn Jahren erhalten. „Der Klosterverwalter von Sießen hat mir einen Hirten zur Erstkommunion geschenkt“, sagt Bruno Münch. Das war im Jahr 1956. Zwischenzeitlich sind einige Porzellanfiguren hinzugekommen. 30 Stück tummeln sich in einer Glasvitrine bei ihm daheim. So unterschiedlich sie alle in ihrer Gestaltung sind – eines haben die Figuren gemeinsam: Es sind die Gesichter von Bruno Münchs Geschwistern. Keine allzu große Überraschung ist deshalb, dass die Hummel-Figuren für den Biberacher „vor allem einen ideellen Wert haben.“
Beliebtes Mitbringsel
In den 1930er-Jahren kam Maria Innocentia Hummel, die im Kloster Sießen als Franziskanerin lebte, auf Bruno Münchs Mutter zu. „Sie wollte meine Geschwister malen“, erinnert er sich. Die Familie wohnte nur wenige Meter vom Kloster entfernt. „Sie machte das natürlich, weil man damals mit dem Kloster eng verbunden war“, sagt der Biberacher. Daraufhin brachte Münchs Mutter ihre Sprösslinge ins Kloster, hielt sie in den Armen während Maria Innocentia Hummel die Gesichter des Nachwuchses zeichnete. Im Jahr 1934 erhielt schließlich Franz Goebel, Mitinhaber der Porzellanfabrik W. Goebel in Rödental, die Lizenz, die Malereieen, die Kinder beim Spielen zeigen, in Figuren umzusetzen. Die ersten Feinkeramikfiguren kamen ein Jahr später auf den Markt.
Spätestens nach dem zweiten Weltkrieg, als amerikanische Soldaten die Hummel-Figuren als Mitbringsel aus Deutschland mitbrachten, wurden die meist bezopften Mädchen und rundköpfigen Jungen mit großen Kulleraugen weltbekannt. Während Maria Innocentia Hummel alle sechs Geschwister von Bruno Münch malte, wurde er nie von ihr gezeichnet. „Als ich zur Welt kam, war Schwester Maria Innocentia bereits schwer krank. Meine Mutter fürchtete, ich könnte mich anstecken“, sagt Bruno Münch. Maria Innocentia Hummel starb im November 1946 im Alter von 37 Jahren im Kloster Sießen. Nicht mehr miterlebt hat sie damit, wie der Kult um ihre Figuren immer größer wurde. 1977 gründete sich in den USA ein Hummel-Fanclub, er zählte zwischenzeitlich mehr als 200 000 Mitglieder. Sogar die ehemalige amerikanische First Lady, Betty Ford, besaß eine große Sammlung der Figuren.
Im Kloster Sießen gibt es eine Dauerausstellung im Hummelsaal über die Künstlerin. Neben der bekannten Maria Innocentia Hummel mit ihren vielfältigen Kinderdarstellungen gibt es auch eine unbekannte Seite von ihr mit Aquarellen, Porträts, einem Kreuzweg und religiöser Kunst. Verdient haben die MünchGeschwister nie an dem Hummelkult, wie Bruno Münch erzählt. „Großer Nutznießer ist das Franziskanerinnenkloster in Sießen.“Welches Gesicht seiner Geschwister welche Hummelfigur trägt, das kann Bruno Münch selten mit Sicherheit sagen. „Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich darin zum Beispiel meinen Bruder Josef erkenne“, sagt er, als er sich den Hirten genau anschaut. „Schwester Maria Innocentia hat die Gesichter generalisiert“, erläutert er. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Bei einer Figur, die ein Mädchen mit einem Ball zeigt, weiß Bruno Münch gleich: „Das ist meine Schwester Theresia.“Denn die Figur entstand erst, nachdem die Franziskanerinnen bei seiner Schwester in der Wohnung ein bis dahin ihnen unbekanntes Hummelwerk entdeckt hatten. Eine Kopie des Bildes hat auch Bruno Münch bei sich in der Küche hängen.