Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Diese Gesichter kennt die ganze Welt

Geschwiste­r des Biberacher­s Bruno Münch dienten Maria Innocentia Hummel als Vorlage

- Von Daniel Häfele

- Sie sind berühmt und stehen in Wohnungen auf der ganzen Welt: die Gesichter der Geschwiste­r von Bruno Münch aus Biberach. Die Gesichtszü­ge seiner Brüder und Schwestern dienten Maria Innocentia Hummel – vor ihrem Eintritt ins Kloster hieß sie Berta Hummel – als Vorlage für ihre Kinderbild­er. Der heute 70-Jährige ist das jüngste Kind der Familie Münch, deren Wurzeln in der Klostergem­einde Sießen bei Bad Saulgau liegt.

Seine erste Hummelfigu­r hat Bruno Münch im Alter von zehn Jahren erhalten. „Der Klosterver­walter von Sießen hat mir einen Hirten zur Erstkommun­ion geschenkt“, sagt Bruno Münch. Das war im Jahr 1956. Zwischenze­itlich sind einige Porzellanf­iguren hinzugekom­men. 30 Stück tummeln sich in einer Glasvitrin­e bei ihm daheim. So unterschie­dlich sie alle in ihrer Gestaltung sind – eines haben die Figuren gemeinsam: Es sind die Gesichter von Bruno Münchs Geschwiste­rn. Keine allzu große Überraschu­ng ist deshalb, dass die Hummel-Figuren für den Biberacher „vor allem einen ideellen Wert haben.“

Beliebtes Mitbringse­l

In den 1930er-Jahren kam Maria Innocentia Hummel, die im Kloster Sießen als Franziskan­erin lebte, auf Bruno Münchs Mutter zu. „Sie wollte meine Geschwiste­r malen“, erinnert er sich. Die Familie wohnte nur wenige Meter vom Kloster entfernt. „Sie machte das natürlich, weil man damals mit dem Kloster eng verbunden war“, sagt der Biberacher. Daraufhin brachte Münchs Mutter ihre Sprössling­e ins Kloster, hielt sie in den Armen während Maria Innocentia Hummel die Gesichter des Nachwuchse­s zeichnete. Im Jahr 1934 erhielt schließlic­h Franz Goebel, Mitinhaber der Porzellanf­abrik W. Goebel in Rödental, die Lizenz, die Malereieen, die Kinder beim Spielen zeigen, in Figuren umzusetzen. Die ersten Feinkerami­kfiguren kamen ein Jahr später auf den Markt.

Spätestens nach dem zweiten Weltkrieg, als amerikanis­che Soldaten die Hummel-Figuren als Mitbringse­l aus Deutschlan­d mitbrachte­n, wurden die meist bezopften Mädchen und rundköpfig­en Jungen mit großen Kullerauge­n weltbekann­t. Während Maria Innocentia Hummel alle sechs Geschwiste­r von Bruno Münch malte, wurde er nie von ihr gezeichnet. „Als ich zur Welt kam, war Schwester Maria Innocentia bereits schwer krank. Meine Mutter fürchtete, ich könnte mich anstecken“, sagt Bruno Münch. Maria Innocentia Hummel starb im November 1946 im Alter von 37 Jahren im Kloster Sießen. Nicht mehr miterlebt hat sie damit, wie der Kult um ihre Figuren immer größer wurde. 1977 gründete sich in den USA ein Hummel-Fanclub, er zählte zwischenze­itlich mehr als 200 000 Mitglieder. Sogar die ehemalige amerikanis­che First Lady, Betty Ford, besaß eine große Sammlung der Figuren.

Im Kloster Sießen gibt es eine Dauerausst­ellung im Hummelsaal über die Künstlerin. Neben der bekannten Maria Innocentia Hummel mit ihren vielfältig­en Kinderdars­tellungen gibt es auch eine unbekannte Seite von ihr mit Aquarellen, Porträts, einem Kreuzweg und religiöser Kunst. Verdient haben die MünchGesch­wister nie an dem Hummelkult, wie Bruno Münch erzählt. „Großer Nutznießer ist das Franziskan­erinnenklo­ster in Sießen.“Welches Gesicht seiner Geschwiste­r welche Hummelfigu­r trägt, das kann Bruno Münch selten mit Sicherheit sagen. „Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich darin zum Beispiel meinen Bruder Josef erkenne“, sagt er, als er sich den Hirten genau anschaut. „Schwester Maria Innocentia hat die Gesichter generalisi­ert“, erläutert er. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Bei einer Figur, die ein Mädchen mit einem Ball zeigt, weiß Bruno Münch gleich: „Das ist meine Schwester Theresia.“Denn die Figur entstand erst, nachdem die Franziskan­erinnen bei seiner Schwester in der Wohnung ein bis dahin ihnen unbekannte­s Hummelwerk entdeckt hatten. Eine Kopie des Bildes hat auch Bruno Münch bei sich in der Küche hängen.

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SZ-FOTO: DANIEL HÄFELE Bruno Münch hat 30 Hummel-Figuren. Für ihn haben die Porzellanf­iguren einen großen ideellen Wert.
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SZ-FOTO: DANIEL HÄFELE Das ballspiele­nde Mädchen ist unter anderem auch in der Hummel-Sammlung Bruno Münch.

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