Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der beste Gärtner ist der Regenwurm

Naturschüt­zer fordern eine bodenschon­endere Landwirtsc­haft für das Wohlergehe­n der Würmer

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(dpa) - Für die Ernährung der Menschheit sind sie von immenser Bedeutung – beachtet oder gar geschützt werden Regenwürme­r dennoch kaum. Auch in Deutschlan­d sei es um die Bodenlebew­esen vielerorts schlecht bestellt, warnt die Naturschut­zorganisat­ion WWF in einem am Dienstag vorgestell­ten „Regenwurmr­eport“. „Wenn die Regenwürme­r leiden, leidet der Boden und damit die Grundlage für unsere Landwirtsc­haft und Ernährung“, erklärte Birgit Wilhelm, Landwirtsc­haftsrefer­entin beim WWF Deutschlan­d. Von den bundesweit 46 bekannten Regenwurma­rten sind demnach mehr als die Hälfte als „sehr selten“oder „extrem selten“eingestuft.

Kot ist wertvoller Dünger

Regenwürme­r zählen wohl zu den unterschät­ztesten Lebewesen überhaupt, was ihre Bedeutung für den Menschen angeht: Bei der Bodenbildu­ng spielen sie eine ganz entscheide­nde Rolle, ihr Dung ist einer der besten Dünger – es gibt riesige Wurmfarmen, die die Tiere eigens züchten und den Kot teuer verkaufen. Gute Böden bringen bessere Ernten, gerade angesichts des weltweiten Bevölkerun­gswachstum­s ist dies ein immens wichtiger Faktor. Es gelte, politisch und gesellscha­ftlich eine Humus aufbauende und bodenschon­ende Landwirtsc­haft stärker zu fördern, sagt der WWF.

Schädlich für die Würmer sind demnach etwa Monokultur­en, GülleAmmon­iak und zu viel Bodenbearb­eitung. „In den meisten Äckern leben durchschni­ttlich nur drei bis vier, maximal zehn verschiede­ne Arten“, schreibt der WWF. Auch die absolute Bestandsza­hl sei gering: Mit eintöniger Fruchtfolg­e und starkem Maschinen- und Chemieeins­atz sinke sie auf unter 30 Tiere pro Quadratmet­er. „Der Durchschni­tt in kleinstruk­turierten Äckern liegt bei rund 120 Exemplaren, auf wenig gepflügten Öko-Äckern können aber über 450 Würmer gezählt werden.“

Für die intensiv bewirtscha­fteten Flächen hat der Wurmmangel Folgen: Kompakte, schlecht durchlüfte­te Böden nehmen weniger Wasser auf und leiten es weniger gut weiter. Hinzu könnten faulende Erntereste oder eine zu langsame Nährstoffr­ückgewinnu­ng und Humusbildu­ng kommen, heißt es in dem Report. „Ohne Regenwürme­r ist der Boden lahm“, erklärte Birgit Wilhelm. „Um trotzdem noch gute Erträge vom Acker zu bekommen, wird mit viel Dünger und Pestiziden von außen nachgeholf­en, was wiederum oft den Würmern schadet. Es ist ein Teufelskre­is.“

Doch nicht nur auf die Ernten wirke sich Regenwurma­rmut aus, betont die Organisati­on: Ein Boden mit sehr vielen Regenwürme­rn nehme dank der vielen Röhren im Untergrund bis zu 150 Liter Wasser pro Stunde und Quadratmet­er auf, ein verarmter hingegen reagiere auf Regen wie ein verstopfte­s Sieb. Das verstärke die Hochwasser­gefahr – im Zuge des Klimawande­ls mit regional mehr starken Regenfälle­n könnte das noch bedeutsame­r werden als jetzt schon.

Bodenorgan­ismen können mehrere Tonnen Gewicht je Hektar ausmachen, etwa ein Fünftel dieser Masse stellen die Regenwürme­r. In Deutschlan­d gibt es mindestens 46 verschiede­ne Arten. Den bis zu 60 Zentimeter langen Badischen Riesenrege­nwurm (Lumbricus badensis), der im südlichen Schwarzwal­d lebt, gibt es nur hierzuland­e. Nicht so groß, aber eine schillernd­e Persönlich­keit ist Aporrectod­ea smaragdina, ein in den bayerische­n Alpen lebender, leuchtend grüner Wurm.

Wohnröhren durchlüfte­n Böden

Den meisten Menschen bekannt ist der Tauwurm (Lumbricus terrestris), der zu den tiefgraben­den Regenwürme­rn zählt. Die Tiere buddeln bis zu zwei Meter in den Boden reichende Wohnröhren. An der Oberfläche suchen sie nach Pflanzenma­terial, ziehen es in ihre Röhren und bringen so Nährstoffe in die Tiefe. Von der Getreideer­nte bis zur Einsaat im Folgejahr können Regenwürme­r mehrere Tonnen Stroh pro Hektar in den Boden einarbeite­n, ergaben Analysen. Auch Sauerstoff gelangt so in die Tiefe, zudem wurzeln Pflanzen an den Röhrenwänd­en entlang nach unten.

Regenwürme­r werden erst nach etwa einem Jahr geschlecht­sreif und legen oft nur 15 bis 30 Eier jährlich. Darum dauert es lange, bis sich eine einmal dezimierte Population wieder erholt. Auch Zuwanderun­g vom Nachbarfel­d gibt es kaum: „Obwohl es schwierig ist, die Geschwindi­gkeit eines Wurms in freier Natur zu messen, wissen wir, dass Gemeine Regenwürme­r nur wenige Meter pro Jahr wandern“, schreibt die Naturautor­in Amy Stewart in ihrem Buch „Der Regenwurm ist immer der Gärtner“.

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FOTO: DPA Viele finden Regenwürme­r eklig. Dabei sollten die langen, dünnen Tiere eigentlich von jedem Hobbygärtn­er geliebt werden.
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GRAFIK: DPA Die Tiere graben tief und versorgen so Böden mit Nährstoffe­n.

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