Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Löwe braucht Ruhe

Severin Freund musste wegen eines grippalen Infekts aus der Vierschanz­entournee aussteigen

- Von Joachim Lindinger

INNSBRUCK - 116,5 Meter am Bergisel, unter den 50 Qualifizie­rten Rang 47 – der fast prototypis­ch misslungen­e Versuch am Dienstagna­chmittag sollte Severin Freunds letzter gewesen sein bei der 65. Vierschanz­entournee. Am Abend noch informiert­e der Deutsche Skiverband (DSV) mit Sperrfrist die Nachrichte­nagenturen, am frühen Mittwoch machte die Neuigkeit dann die Runde. Er habe sich, so wird Severin Freund in der DSV-Mitteilung zitiert, „von Sprung zu Sprung schlechter gefühlt“und sich folglich von Teamarzt Mark Dorfmüller untersuche­n lassen. „Der diagnostiz­ierte einen grippalen Infekt und hat mir eine Pause und Ruhe verordnet.“Hieß: Heimreise noch am Dienstag, kein Wettkampf in Innsbruck, keiner in Bischofsho­fen. „Es ist das erste Mal“, so der Gesamtzwei­te des Vorjahres weiter, „dass ich aus einer laufenden Tournee aussteigen muss.“Beim zehnten Dabeisein. „Das ist zwar bitter, aber da es in der Saison noch einiges zu holen gibt, wäre es unklug, nicht auf den eigenen Körper zu hören.“

22. war der 28-Jährige vom WSV DJK Rastbüchl nach durchwachs­enen Auftritten in Oberstdorf (Platz 20) und Garmisch-Partenkirc­hen (Platz 21) im Tournee-Halbzeitkl­assement gewesen. Aufgrund einer Hüftarthro­skopie mit einem Defizit an Trainingss­prüngen in die Saison gegangen, hatte er überzogene Erwartunge­n stets mit Nachdruck gebremst: Der unverhofft starke Weltcup-Auftakt auf seiner Lieblingss­chanze in Kuusamo mit Rang zwei und einem Sieg könne kein Maßstab sein, sagte Severin Freund. Geduld sei gefordert, auch und gerade bei der Tournee: „Mein Ziel ist es, an der Stabilität meiner Sprünge zu arbeiten und über den Tourneever­lauf besser zu werden. Mein Fokus liegt ganz klar auf einem nachhaltig­en Formaufbau.“

Den gab es nicht. Zu lange brauchte die Umstellung auf das jeweils nächste Schanzenpr­ofil, zu weit weg waren die Freund'schen Versuche in Training und Qualifikat­ion von einem tragenden Fundament. Allenfalls Schadenbeg­renzung war so in den Wertungsdu­rchgängen noch möglich. Den Schaden kennen Bundestrai­ner und Athlet: die Sprungausl­ösung, an Höhe fehlt es gleich nach dem Tisch. Werner Schuster: „Severin verliert den Schwerpunk­t und muss dann immer eine Kompensati­onsbewegun­g machen. Dadurch kommt er viel zu flach weg und muss in der Luft kämpfen wie ein Löwe.“

Ohne jeden Erfolg in Innsbruck. 116,5 Meter! Verflogen war danach auch der letzte Rest Optimismus. „Im Moment ist arg viel Zufall dabei. Das nervt extrem.“Also Heimreise. Gesund werden, Kopf frei(er) bekommen. Und wann wieder einsteigen? Die Nordische Weltmeiste­rschaft in Lahti beginnt am 22. Februar. Sie bleibt das Ziel. Mit Werner Schusters Worten: „Ich habe keinen Grund, grundsätzl­ich daran zu zweifeln, dass Severin bis zur WM in Form kommt. Ob er dann wirklich in Medaillenf­orm ist, steht noch in den Sternen.“

Das weiß auch Severin Freund nicht. Was der allerdings weiß: „Aufgesteck­t wird auf keinen Fall!“

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FOTO: IMAGO Severin Freund

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