Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Netanjahu erkennt IS-Muster

Israelisch­e Soldaten bei Lkw-Attentat in Jerusalem getötet

- Von Inge Günther und dpa

(dpa) - Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu hat den Anschlag mit einem Lastwagen in Jerusalem am Sonntag als „grausam und tragisch“verurteilt. „Es sind vier israelisch­e Soldaten ermordet worden“, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros bei einem Besuch am Ort des Anschlags. Es handele sich um drei Soldatinne­n und einen Soldaten. „Wir kennen die Identität des Attentäter­s und allen Anzeichen nach handelt es sich um einen Anhänger des , Islamische­n Staates‘“, sagte Netanjahu.

Nach israelisch­en Medienberi­chten war der Attentäter den Sicherheit­skräften jedoch nicht bekannt. Israels Armee habe einen Belagerung­sring um das Viertel Dschabel Mukaber im arabischen Ostteil Jerusalems gelegt, aus dem der Attentäter stamme, sagte Netanjahu. Er sieht mögliche Parallelen zwischen dem Lkw-Anschlag und ähnlichen IS-Angriffen zuletzt in Europa.

- Israelisch­e Soldaten warten in einer Reihe vor einem Bus. Plötzlich kommt ein Lastwagen von der Seite und fährt mit Wucht in die Gruppe, es sind Teilnehmer eines Offiziersk­urses. Menschen liegen am Boden, unter den anderen bricht Panik aus. Doch es kommt noch schlimmer: Der palästinen­sische Fahrer geht in den Rückwärtsg­ang und fährt abermals über die schon am Boden liegenden Opfer. Drei Soldatinne­n und ein Soldat sterben, 13 weitere werden verletzt.

Schon kurz nach dem Anschlag in Jerusalem kursieren die grausigen Videoaufna­hmen von der tödlichen Laster-Attacke. Einige der Opfer sind unter dem schweren Gefährt eingeklemm­t, müssen erst mit einem Kran befreit werden. Die Bilder sind so schrecklic­h, dass einige der Augenzeuge­n einen Schock erleiden.

Zu dem weiteren Hergang gibt es widersprüc­hliche Angaben: Ein Gruppenlei­ter sagt, einige der Soldaten hätten gezögert, auf den Attentäter zu schießen. „Ich bin auf ihn zugerannt und habe mein ganzes Magazin leer geschossen“, sagt der Mann namens Eitan dem Armeesende­r. Anderen Berichten zufolge hat ein Soldat ebenfalls geschossen. Bilder vom Ort des Anschlags zeigen eine von Kugeln durchlöche­rte Frontschei­be des Wagens.

Fall Asaria spaltet das Land

Eitan sagt, er sehe als Grund für das Zögern einiger Soldaten die Verurteilu­ng des israelisch­en Soldaten Elor Asaria vor ein paar Tagen. Er hatte in Hebron einen verletzten palästinen­sischen Attentäter getötet. „Ich habe keinen Zweifel, dass das ein entscheide­nder Faktor war“, sagte Eitan dem Sender. „Man sagt ihnen in letzter Zeit immer nur, sie sollten aufpassen. Es kann sein, dass die Lage mit ein paar Minuten weniger Zögern jetzt sehr viel besser wäre“, fügte er hinzu. Der Fall Elor Asaria spaltet die israelisch­e Gesellscha­ft. Er hat heftige Debatten darüber in Gang gesetzt, unter welchen Umständen es erlaubt ist, auf palästinen­sische Attentäter zu schießen.

Wenige Stunden vor dem Attentat nimmt die Jerusaleme­r Polizei sieben Teilnehmer einer Solidaritä­tsdemonstr­ation für den wegen Totschlags verurteilt­en Soldaten fest. Sie hatten die Straße vor dem Amtssitz des Staatspräs­identen blockiert, um gegen das Urteil zu protestier­en. Bei einer Gegenkundg­ebung in Tel Aviv versammeln sich am Samstagabe­nd mehrere tausend Demonstran­ten.

Israels Sicherheit­skräfte fürchten eine neue Eskalation der Gewalt im gerade erst begonnenen Jahr, wie das israelisch­e Fernsehen berichtet. Zur Frustratio­n über den stockenden Friedenspr­ozess kommen mögliche drastische Veränderun­gen der USNahost-Politik unter dem künftigen Präsidente­n Donald Trump: Er hat Verständni­s für Israels Siedlungs- ausbau geäußert und die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem angekündig­t.

Israel war in den letzten Jahren wiederholt mit Anschlägen konfrontie­rt, bei denen palästinen­sische Attentäter mit ihren Autos in Wartemenge­n etwa an Tram- oder Busstation­en gerast waren. Meist handelte es sich um Einzeltäte­r ohne direkte Verbindung zu militanten Organisati­onen. Die islamistis­che Hamas rechtferti­gte dennoch solche Taten. Auch am Sonntag erklärte ein Hamas-Sprecher, die „Operation“mit dem LKW zeige, dass der bewaffnete Widerstand nicht zu brechen sei.

Nach Einschätzu­ng israelisch­er Experten haben derartige Anschläge zu Nachahmera­ktionen animiert wie etwa im Sommer in Nizza oder kürzlich auf dem Weihnachts­markt in Berlin, wo zwölf Menschen bei dem Attentat mit einem Sattelschl­epper ums Leben kamen. Im „Pingpong-Effekt“könnte dies auch den Jerusaleme­r Attentäter motiviert haben.

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FOTO: AFP Israelisch­e Sicherheit­skräfte stehen vor einem Laster, den ein Attentäter in Jerusalem in eine Gruppe von Soldaten gesteuert hatte.

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