Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mexiko droht soziale Explosion
Mindestens sechs Tote, Dutzende Verletzte, Hunderte geplünderte Geschäfte, 1500 Festnahmen und eine wütende Bevölkerung: Das Jahr ist nicht einmal zwei Wochen alt, aber schon jetzt droht in Mexiko eine soziale Explosion. Vordergründig geht es um eine Benzinpreiserhöhung. Aber dahinter steckt der lange aufgestaute Ärger über die Regierung angesichts von Korruption, Teuerung, Absturz der Währung und gleichzeitiger Arroganz der politischen Klasse.
Der Funke, der die jüngsten Proteste ausgelöst hat, war eine Benzinpreiserhöhung von 20 Prozent zum Jahreswechsel. Diese zog eine ganze Folge von Preisanstiegen nach sich: Strom, Gas und der Nahverkehr kosten seit vergangener Woche zwischen vier und 20 Prozent mehr. Und die Inflation bekommen vor allem die 50 Millionen Mexikaner zu spüren, die ohnehin schon jeden Peso zweimal umdrehen müssen.
Die Spritpreiserhöhung falle in einen Moment, in dem die Bevölkerung die Nase voll von Bestechlichkeit und Bereicherung der politischen Klasse habe, sagt María Antonia Casar, Präsidentin vom Verband „Mexikaner gegen Korruption und Straflosigkeit“(MCCI). Ähnlich sieht das der Politologe Gerardo Esquivel von der Hochschule „Colegio de México“. Selbst in den Krisenzeiten der 1980er-Jahre und während der Wirtschafts- und Finanzkrise 1994 sei die soziale Spannung nicht so groß gewesen, so Esquivel.
Diffuse Angst vor Wirtschaftskrise
Zu alldem gesellt sich der künftige US-Präsident Donald Trump mit seinen Drohungen und Erpressungsversuchen. Die kürzlich abgesagte 1,6Milliarden-Dollar-Investition des Autobauers Ford hat bei den Mexikanern eine diffuse Angst geschürt. Sie wissen zu gut, dass das ökonomische Wohlergehen ihres Landes zu einem Gutteil von den USA abhängt. 80 Prozent aller mexikanischen Exporte gehen in die USA. Mehr als die Hälfte aller Direktinvestitionen kommen aus den Vereinigten Staaten. Hunderttausende Arbeitsplätze hängen an den US-Wirtschaftsbeziehungen. Macht Trump all seine Ankündigungen wahr, könnte die zweitgrößte Volkswirtschaft des Landes in eine tiefe Krise rutschen.
Präsident Enrique Peña Nieto wandte sich in seiner Hilflosigkeit an die Bevölkerung und wollte Handlungsstärke demonstrieren. Er entließ Außenministerin Claudia Ruiz Massieu und holte einen seiner Vertrauten zurück, den er erst vor vier Monaten als Finanzminister entlassen hatte. Luis Videgaray soll nun als Außenminister die Kontakte zu Trump koordinieren. Kaum einer in Mexiko versteht das. Videgaray war das Kabinettsmitglied, das Peña Nieto im US-Wahlkampf zu einer Einladung Trumps nach Mexiko geraten hatte. Der Besuch geriet zum politischen Desaster, Videgaray musste gehen. Nun wird er auf einen noch wichtigeren Posten zurückgeholt.
„Es zeigt, wie allein der Präsident knapp zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit ist“, sagt Politologe Esquivel. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem er die größte Herausforderung seiner Karriere bewältigen muss.