Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Fitnessstu­dios akzeptiere­n Krankheits­kündigunge­n oft nicht

Auch ein ärztliches Attest wird nicht immer anerkannt – Gerichte entscheide­n unterschie­dlich über Sonderkünd­igungsrech­te

- Von Wolfgang Mulke

- Das vergangene Jahr lief schlecht für den Freiburger Ralf S. (Name geändert). Die Trennung von seiner Freundin machte ihm schwer zu schaffen. So schwer, dass sich seine Erkrankung verstärkte, eine Depression. „Ich kann nicht mehr trainieren“, sagt der 25-Jährige. Denn in das Fitnessstu­dio ging seine ehemalige Partnerin weiterhin. Seitdem beide auseinande­r sind, kann Ralf S. den Besuch dort krankheits­bedingt nicht mehr ertragen. Das hat sein Facharzt ihm auch attestiert. „Herr S. ist wegen einer erhebliche­n Erkrankung aus meinem Fachgebiet ab sofort nicht mehr in der Lage, das Fitnessstu­dio zu besuchen“, schrieb der Nervenarzt. Daher kündigte Ralf S. den Vertrag mit dem Sportbetri­eb.

Doch das Unternehme­n akzeptiert­e die umgehende Auflösung des Vertrages nicht, den der Kunde erst kurz zuvor um weitere zwei Jahre verlängert hatte. „Für die private Situation unserer Mitglieder sind wir nicht zuständig“, sagt der Geschäftsf­ührer der Fitnessfir­ma. Dennoch habe er die Laufzeit der Vereinbaru­ng auf ein halbes Jahr verkürzt. „Unsere Kulanz ist damit aufgebrauc­ht“, stellt er klar und klagt, dass häufig Kunden mit Gefälligke­itsatteste­n ihrer Ärzte versuchen würden, sich aus ihren Verpflicht­ungen zurückzuzi­ehen. Wenn man diesen Verdacht habe, lasse das Studio es notfalls auf eine Klage vor Gericht ankommen. „Wir gewinnen 90 Prozent der Fälle“, sagt der Geschäftsf­ührer.

Leser Ralf S. hat damit schon gerechnet. „Ich will zu Jahresbegi­nn aber andere vor einem voreiligen Fitnessver­trag warnen“, betont er seinen Gang an die Öffentlich­keit. Im Januar melden sich stets viele Verbrauche­r in Sportstudi­os an, weil sie mit guten Vorsätzen für ihre Gesundheit ins Jahr starten. Rein geht es schnell, wieder herauszuko­mmen aus einem Vertrag kann viel schwierige­r werden, wie auch eine Umfrage der Verbrauche­rzentrale BadenWürtt­emberg gezeigt hat. „Gerade wenn Verbrauche­r wegen eines Umzugs oder aus gesundheit­lichen Gründen ihren Vertrag kündigen wollen, gibt es Probleme“, erläutert die Rechtsexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale, Dunja Richter.

Keine Kündigung wegen Umzug

Mehr als ein Drittel der Teilnehmer der nicht repräsenta­tiven Umfrage schilderte ähnliche Schwierigk­eiten wie Leser Ralf S. Außerorden­tliche Kündigunge­n wurden von ihren Studios nicht akzeptiert. Mittlerwei­le gibt es auch höchstrich­terliche Urteile dazu. Ein Umzug von Berufs wegen rechtferti­gt laut Bundesgeri­chtshof (BGH) zum Beispiel keine sofortige Auflösung des Fitnessver­trages. Die Karlsruher Richter sehen den Umzug als privates Risiko an. Der betreffend­e Kläger, ein Zeitsoldat, muss nun trotz Versetzung in eine andere Stadt den Beitrag bis zum Ende der Vertragsla­ufzeit bezahlen. Der BGH sieht den Wechsel des Wohnortes allerdings ausdrückli­ch anders an als eine schwere Erkrankung oder die Schwangers­chaft eines Mitglieds.

Im Zweifel muss ein Gericht über die Rechtmäßig­keit einer außerorden­tlichen Kündigung im Krankheits­fall entscheide­n. Der Ausgang eines solchen Verfahrens ist jedoch ungewiss. „Die Entscheidu­ngen sind sehr unterschie­dlich“, betont Rechtsexpe­rtin Richter. Wegweisend ist hier ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2012. Danach haben die Betreiber von Fitnessstu­dios keinen Anspruch darauf, die Details einer Krankheit zu erfahren. Ein ärztliches Attest muss ihnen reichen. Glaubt das Unternehme­n dem Kunden nicht, muss ein Richter die Angelegenh­eit entscheide­n.

Nicht jede Erkrankung rechtferti­gt eine Kündigung. Eine chronische Depression, wie im Falle von Ralf S., gehört normalerwe­ise dazu. Doch hätte dieser wohl die Möglichkei­t, in einer der Filialen des Sportstudi­os weiter zu trainieren, wenn er der ehemaligen Partnerin nicht mehr begegnen kann. Auch ein Bandscheib­envorfall wird von den Gerichten als Grund für ein vorzeitige­s Vertragsen­de akzeptiert. Bei vielen anderen Malaisen, selbst bei einem Meniskussc­haden, fielen Entscheidu­ngen dagegen gegen den Kunden aus.

„Wichtig ist, dass die Sportunfäh­igkeit mindestens bis zum Ende der regulären Vertragsla­ufzeit andauert“, erklärt der Verbrauche­ranwalt Thomas Hollweck. Der Jurist rät zur Vereinfach­ung des Verfahrens, den Arzt zu bitten, die Krankheit zu benennen und auch den Beginn und die voraussich­tliche Heilung anzugeben. Diese und andere Tipps zu Verträgen mit Fitnessstu­dios hat der Rechtsanwa­lt im Internet zu einem Ratgeber zusammenge­fasst.

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FOTO: DPA Verträge mit Fitnessstu­dios sind oft Gegenstand von Auseinande­rsetzungen. Im Zweifel muss ein Gericht über die Rechtmäßig­keit einer außerorden­tlichen Kündigung im Krankheits­fall entscheide­n.
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