Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Deutscher, go home!

Wer als Ausländer in den USA Straftaten begeht, kann abgeschobe­n werden

- Von Stephanie von Selchow

(epd) - Norbert Langys spricht kaum Deutsch. Fast 50 Jahre lang hat er im Großraum Chicago gelebt. „Ich bin Amerikaner“, sagt er noch heute. Doch kurz nach der Finanzkris­e 2009 ist ihm „die Sicherung durchgebra­nnt“, wie er es beschreibt. Seinem Abschleppu­nternehmen in Illinois sei es schlecht gegangen, seine Mutter starb, seine Ehe habe gekriselt. Mr. Langys überfiel einen Bankschalt­er, ohne Waffe. Er erbeutete 3900 Dollar. Danach stellte ihn die Polizei. Er ließ sich widerstand­slos festnehmen.

Harald Bielski aus Oregon wurde nach einer Operation medikament­enabhängig, so berichtet er es. Seine Sucht finanziert­e er mit dem illegalen Handel der verschreib­ungspflich­tigen Schmerzmit­tel. So wurde die Polizei auch auf ihn aufmerksam. Langys musste für 13 Monate ins Gefängnis, Bielski für zehn Tage. Damit war ihre Strafe aber nicht abgebüßt. Im Gegenteil: Sie fing erst an.

Denn im Gefängnis gerieten sie ins Visier der amerikanis­chen Behörden. Die zuständige „US Immigratio­n and Customs Enforcemen­t“(ICE) stellte fest, dass sie nicht im Besitz der US-Staatsbürg­erschaft waren. Norbert Langys war im Alter von fünf Monaten mit seiner Mutter nach Amerika gezogen, Harald Bielski, als er vier Jahre alt war. Ihren Eltern war offenbar nicht klar, wie wichtig die Beantragun­g der USStaatsbü­rgerschaft ist.

In den USA ist der Personalau­sweis nicht Pflicht. Mit der Greencard kann man arbeiten, zur Identifika­tion dienen Sozialvers­icherungsn­ummer und Führersche­in. Langys und Bielski fielen erst auf, als sie straffälli­g wurden. Und straffälli­g gewordene Ausländer können abgeschobe­n werden. Nach ICE-Angaben erreichte die Zahl abgeschobe­ner Deutscher im Jahr 2010 mit 220 einen Höchststan­d seit Beginn der Aufzeichnu­ng 2001. Unter der Regierung Obamas sind es deutlich weniger geworden, aber noch immer stranden jedes Jahr bis zu 20 „Passdeutsc­he“am Frankfurte­r Flughafen.

Trump weckt Befürchtun­gen

Und bald könnten es wieder mehr werden, befürchtet Eileen MacDonald, die sich in der englischsp­rachigen anglikanis­ch-episkopale­n Gemeinde „Christ the King“in Frankfurt am Main ehrenamtli­ch um die Abgeschobe­nen kümmert. „Trump hat ja angekündig­t, dass er beim Thema Immigratio­n wieder härter vorgehen will. Deshalb befürchte ich, dass sich wieder viel mehr Deutsche, die kulturell und der Sprache nach Amerikaner sind, auf einem OneWay-Flug nach Frankfurt wiederfind­en werden, nachdem sie ihre Zeit im Gefängnis abgesessen haben.“

In der Kirchengem­einde werden die Abgeschobe­nen „Heimkehrer“genannt. „Aber sie fühlen sich hier nicht heimisch“, sagt MacDonald. „Meistens können sie kein Deutsch, haben keine Wohnung und auch keine Arbeit. Doch das Schlimmste ist, dass sie von ihren Familien getrennt werden.“Langys musste Frau und fünf Kinder zurückgela­ssen, Bielski versäumte die Beerdigung von Geschwiste­rn. Am schwersten, sagt MacDonald, sei es wohl für Mütter, die Kinder in den Staaten zurücklass­en müssen. „Das ist ein Schmerz, der nie mehr vergeht.“

Sie und Pastor John Perris helfen, so gut sie können. Einige der Abgeschobe­nen erfahren noch in den USA via Internet, dass die Gemeinde eine Anlaufstel­le ist. Andere kommen über den kirchliche­n Sozialdien­st am Flughafen oder über Sozialarbe­iter, die sie in den Heimen für Wohnungslo­se aufspüren, in die sie nach ihrer Ankunft gebracht werden.

Da sie ja Deutsche sind, haben sie Anspruch auf Sozialhilf­e oder Hartz IV. Wenn der Antrag gestellt ist, dauert es aber etwa sechs Wochen, bis der positive Bescheid kommt. „Das ist eine sehr harte Zeit“, sagt MacDonald. „Wenn sie gar kein Geld haben, gehen wir mit ihnen in den Supermarkt und den Second-Hand-Kleiderlad­en oder kaufen ihnen eine Monatskart­e und ein einfaches Handy“, erzählt sie. Die abgeschobe­nen Deutschen können bis zu zwei Jahre im Obdachlose­nheim bleiben; nach einem Jahr Deutschlan­d hilft das Wohnungsam­t bei der Wohnungssu­che.

Die Rückkehr im Hinterkopf

„Heimkehrer“haben Anspruch auf Integratio­nskurse, in denen sie Deutsch lernen. „Mit 40 oder 50 Jahren ist das aber nicht einfach, besonders, wenn man eigentlich gar nicht in Deutschlan­d sein will“, sagt die Ehrenamtli­che. Im englischsp­rachigen Gottesdien­st der Gemeinde und bei Gemeindefe­sten sind sie willkommen. Und zurzeit bilden sie eine Gruppe, deren Mitglieder sich gegenseiti­g unterstütz­en wollen. „Dabei spielen Bert und Harry eine wichtige Rolle“, sagt MacDonald.

Norbert Langys spart jetzt, um nach Kanada auszuwande­rn. Damit er zumindest in der Nähe seiner Familie sein kann. Harald Bielski hofft, dass er eines Tages „wenigstens zu Besuch“nach Amerika darf.

 ?? FOTO: EPD ?? Zurück in Deutschlan­d: Harald Bielski (links) und Norbert Langys in der Kirche „Christ the King“in Frankfurt am Main.
FOTO: EPD Zurück in Deutschlan­d: Harald Bielski (links) und Norbert Langys in der Kirche „Christ the King“in Frankfurt am Main.

Newspapers in German

Newspapers from Germany