Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Verhältnis Mensch-Tier auf dem Prüfstand
Neujahrsempfang des Kreisbauernverbands - Clemens Dirscherl: Landwirte sollen Produktionsmethoden hinterfragen
- Der Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen hat am Dreikönigstag seinen traditionellen Neujahrsempfang in der Stadthalle gefeiert. Gastredner war Clemens Dirscherl, Geschäftsführer des evangelischen Bauernwerk in Württemberg. Er sprach über „Wir und das Tier – eine christliche-ethische Perspektive“, ein Thema, „dass ihnen gehörig auf den Wecker geht“, sagte er zu den Landwirten im Saal.
Er sagte in seinem Vortrag, dass laut Bibel der Mensch unter Gottes Fürsorge vom Vegetarier im Paradies nach der Vertreibung zum Fleischesser geworden ist. Die Bibel dokumentiere, dass Tiere gehalten und genutzt würden. Doch tauge sie nicht, um das Tierrecht zu begründen, weil die Bibel das Miteinander zwischen den Menschen beschreibe, sagte Dirscherl.
Doch hätten sich die Werte in der Gesellschaft geändert. Das Tier sei zu einem emotionalen Begleiter für viele Menschen geworden, daraus habe sich ein neues Verhältnis zum Tier entwickelt. Die Tierhaltung habe sich aber entsprechend den Forschungsergebnissen der Universitäten zu einem Massengeschäft hin entwickelt, so habe die Landwirtschaft die Tiere zunehmend als Produktionsfaktor betrachtet. Es gebe zwei Perspektiven, erklärte Dirscherl. Zum einen die Wahrnehmung der Landwirte, die abends nach einem Kontrollgang zufrieden aus dem Stall gehen, zum anderen die wissenschaftlich fundierte Wahrnehmung, dass Tiere Stress, Leid, Ängste haben.
Unterschiedliche Perspektiven
Der Wertewandel bringe mit sich, dass die unterschiedlichen ethischen Perspektiven zur Kenntnis genommen werden müssten. Die Landwirte müssten sich in einer offenen Gesellschaft etwas sagen lassen und ihre Produktionsmethode hinterfragen. Doch der Umgangston der Akteure sollte verbessert werden. Auch die Verbraucher und die Märkte tragen eine Verantwortung: Die Landwirte müssten von dem Ertrag leben können. Er rief die Landwirte auf, die neue Debatte über das Verhältnis zum Tier ernstzunehmen. Sie sollten die unterschiedlichen Wahrnehmungen innerhalb der Gesellschaft hören. Er empfahl ihnen, den Dialog auf eine breite Basis zu stellen und auch mal einen Vertreter des Tierschutzes einzuladen. Kreisobmann und Vizepräsident Gerhard Glaser forderte: „Wo wir den Tierschutz dauernd verbessern, muss endlich der Bäuerinnenund Bauernschutz verbessert werden.“ In seinem Grußwort zählte Rolf Vögtle, Erster Landesbeamter, die drei „Ws“auf, die für die Landwirtschaft Herausforderungen darstellen: Das Wetter, der Welthandel und die Wähler, sprich die Politik, die die Standards bestimme. Er berichtete, dass sich die Antragssachbearbeitung wegen technischer Probleme verzögert habe, doch sei eine Auszahlung von 91 Prozent erreicht worden, womit der Landkreis weit an der Spitze des Landes stehe. Vögtle wünschte den Landwirten für 2017 auskömmliche Preise und Zufriedenheit, die man in Anbetracht der Not in der Welt durchaus empfinden könne.
Zu niedrige Fleischpreise
Bundestagsabgeordneter Thomas Bareiß (CDU) sprach über die Situation in der Welt: „Wir verstehen sie nicht und wissen nicht, wie wir reagieren sollen. Wir müssen für Frieden und Freiheit einstehen und unsere Werte verteidigen“, sagte er. Er dankte den Landwirten für ihren Einsatz auf ihren Betrieben und im Ehrenamt. Er sprach die Debatte über die „Fleischsteuer“an und sagte: „Mit uns wird es das nicht geben. Wir brauchen für die Landwirtschaft gute Rahmenbedingungen, nicht schlechtere.“Sigmaringens Bürgermeister Thomas Schärer prangerte die zu niedrigen Fleischpreise in den Theken der Einkaufsmärkte an. Das System sei falsch. Er forderte die Gesellschaft auf, nicht nur Naturschutz zu betreiben, sondern auch den Landwirten wirtschaftliche Perspektiven zu geben.