Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vom Geheimdien­st beobachtet, vom Staat gefördert

Die CDU-Politikeri­n Birgül Akpinar warnt vor den Umtrieben türkischer Extremiste­n in Deutschlan­d

- Von Ulrich Mendelin

- Der Salafismus gilt als gefährlich­ste Strömung des radikalen Islam: antidemokr­atisch, rückwärtsg­ewandt und nicht selten gewaltbere­it. Während in Berlin Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) über Sicherheit­slücken und strengere Anti-TerrorGese­tze streiten, macht in BadenWürtt­emberg die CDU-Politikeri­n Birgül Akpinar, Mitglied im Landesvors­tand ihrer Partei, auf eine andere Spielart des Extremismu­s aufmerksam, die aus ihrer Sicht viel bedrohlich­er ist. „Schon bald wird der ,Salafismus‘ in Deutschlan­d abgelöst durch einen weit gefährlich­eren, einen wachsenden türkischen politische­n und religiösen Extremismu­s, der sich in der deutschen Demokratie bereits heute nahezu ungehinder­t ausbreitet“, warnt die Christdemo­kratin mit türkisch-alevitisch­en Wurzeln.

Ihre Sorgen hat Akpinar in ein Positionsp­apier gefasst und an den CDU-Landesvors­tand sowie an den Bundesfach­ausschuss Innenpolit­ik ihrer Partei geschickt. Ihre Lösungsans­ätze sind weitreiche­nd: So schlägt sie ein verpflicht­endes soziales Jahr vor, auf diese Weise könnte man junge Menschen mit Migrations­hintergrun­d „aus ihren angestammt­en kulturelle­n Milieus herauslöse­n und in engeren Kontakt mit der deutschen Kultur bringen“. Hochschule­n sollen Sonderfors­chungsmitt­el für Extremismu­s erhalten und Kommunen mehr Jugendzent­ren in Brennpunkt­en einrichten. Zudem müsse die Trennung von Nachrichte­ndiensten und Polizei überdacht werden. An Schulen dürfe es keine Ausnahmen bei Gebetsräum­en, Schwimmunt­erricht, der Teilnahme an Ausflügen oder Schulfreiz­eiten geben.

Kandidatur für den Bundestag

Ihre Vorschläge kann Birgül Akpinar demnächst womöglich direkt im Bundestag einbringen: Die 39-Jährige, die mehrere Jahre bei der Bundeswehr gearbeitet hat und nun für eine Landesbehö­rde tätig ist, will beim Landespart­eitag im März als Kandidatin antreten – für einen Platz auf der CDU-Landeslist­e zur Bundestags­wahl.

Akpinar ist empört, dass der Extremismu­s indirekt auch noch von deutschem Steuergeld profitiert. Etwa in Mannheim: Das „Mannheimer Institut für Integratio­n und interrelig­iösen Dialog“gilt als Vorzeigepr­ojekt für ein gelungenes Miteinande­r der Religionen in der zweitgrößt­en Stadt des Landes. Das Institut arbei- tet mit den örtlichen Moscheever­einen zusammen, darunter mit jenem der Fatih-Moschee. Diese gehört zur Islamische­n Gemeinscha­ft Milli Görüs (IGMG), die vom Verfassung­sschutz beobachtet wird (siehe Kasten). Das Mannheimer Institut wiederum ist Partner des Landes bei der Ausbildung islamische­r Krankenhau­sseelsorge­r. Finanziert wird diese vom Sozialmini­sterium in Stuttgart. Die Ausbildung findet unter anderem auch in den Räumen der MilliGörüs-Gemeinde statt. Deren Jugendabte­ilung, die „Fatih-Jugend Mannheim“, ist gerade als Vollmit- glied in den Stadtjugen­dring aufgenomme­n worden.

Oder das Beispiel Herrenberg: In der Stadt im Landkreis Böblingen haben zwölf Studenten der Fakultät für Islamische Theologie an der Universitä­t Tübingen 2014 das Projekt „Födem“gegründet – kurz für „Förderung des deutschspr­achigen Moscheeunt­errichts“, bei dem muslimisch­e Bildungsan­gebote für Kinder und Jugendlich­e in deutscher Sprache entwickelt werden. Es gibt Gesprächsk­reise und Weiterbild­ungen in den Herrenberg­er Moscheen. Eine dieser Moscheen gehört dem Bun- desverband Atib an, der seine Wurzeln in der rechtsextr­emen türkischen „Idealisten-Bewegung“hat (siehe Kasten). „Födem“wird vom Programm „Demokratie leben“des Bundesfami­lienminist­eriums unterstütz­t, in Baden-Württember­g wird dieses Programm vom Demokratie­zentrum koordinier­t, das wiederum vom baden-württember­gischen Sozialmini­sterium finanziert wird.

Für Birgül Akpinar ist solcherlei Zusammenar­beit ein Unding: „Ich kann doch nicht jene, die ich beobachte, in Projekte einbinden und fördern.“Wenn Fördergeld fließe, so ih- re Forderung, müsse dafür Sorge getragen werden, dass von dem Geld keine Gruppen profitiere­n, deren Verfassung­streue nicht gewährleis­tet sei. Die türkischen Islamisten kämen im Gegensatz zu den Salafisten nicht mit wallenden Gewändern und langem Bart daher, sondern mit Krawatte und Anzug, das mache sie für Außenstehe­nde schwerer zu erkennen.

Das Sozialmini­sterium in Stuttgart teilt auf Nachfrage mit, es sei „durchaus üblich, dass der niederschw­ellige Kontakt zu verschiede­nen Vereinen, Akteuren etc. gesucht wird, auch um hierbei mögliche Radikalisi­erungsproz­esse zu erkennen und diesen vorzubeuge­n“. Vom Bundesfami­lienminist­erium war am Donnerstag keine Stellungna­hme zu erhalten.

„Die Kultur- und Moscheever­eine bilden enge und abgeschirm­te Parallelge­sellschaft­en innerhalb der Kommunen.“Birgül Akpinar

Reden ja – aber wie?

Die Kritik der Christdemo­kratin richtet sich dabei nicht so sehr gegen die einzelnen Kommunen. Denn sowohl mit Milli Görüs als auch mit Atib arbeitet auch die Bundesregi­erung zusammen, und zwar in der vom Innenminis­terium initiierte­n Islamkonfe­renz. Solche Dachverbän­de gibt es auch auf lokaler Ebene: So haben etwa in Aalen fünf Vereine die „Türkische Gemeinde Aalen“gebildet, in der neben unauffälli­gen Gruppen auch die örtliche Milli-GörüsGemei­nde organisier­t ist. Für das Rathaus ist die „Türkische Gemeinde“ein selbstvers­tändlicher Ansprechpa­rtner – und die Milli-GörüsLeute sind dabei.

„Ich kann doch nicht jene, die ich beobachte, in Projekte einbinden und fördern.“Birgül Akpinar

„Natürlich muss man mit denen reden“, räumt Akpinar ein. Aber viele deutsche Behörden würden den Vereinen naiv begegnen. Die Verbandsve­rtreter würden sich nach außen liberal geben und von Bildungsun­d Sozialarbe­it sprechen, tatsächlic­h die Integratio­n aber eher hemmen. Diesen Vorwurf macht Akpinar nicht nur den vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Gruppierun­gen. Sie schließt ausdrückli­ch den mit 900 Gemeinden größten Moscheever­band Deutschlan­ds, Ditib, mit ein. „Die Kultur- und Moscheever­eine bilden enge und abgeschirm­te Parallelge­sellschaft­en innerhalb der Kommunen. Dort zelebriere­n sie ihre islamistis­che oder nationalis­tische Identifika­tion.“So sei Ditib mittlerwei­le weitgehend auf der Linie des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan. Dessen Partei AKP habe ihre Wurzeln in der gleichen Bewegung wie die IGMG – und die Spaltung beider Lager sei nur politisch, nicht ideologisc­h bedingt.

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FOTO: DPA Manche Islamverei­ne und Moscheen werden wegen islamistis­cher oder nationalis­tischer Umtriebe beobachtet – Szene aus einer Stuttgarte­r Moschee.
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FOTO: OH Birgül Akpinar

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