Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Trumps Angriffe auf Medien schockieren Amerika
Scharfe Kritik am künftigen US-Präsidenten nach Pressekonferenz – Wirbel um dubioses Sexdossier
- Eine gute Woche vor Beginn seiner Präsidentschaft hat sich Donald Trump in einen Schlagabtausch mit den US-Medien begeben. Seine Weigerung, eine Frage von einem CNN-Reporter anzunehmen, hat eine Diskussion über den Umgang mit Pressefreiheit in Trumps künftiger Regierung ausgelöst.
Was Trump von Journalisten hält, hat er im Wahlkampf deutlich gemacht. Auf seinen Kundgebungen gehörte es zur Routine, auf die hinter Absperrgittern versammelten Reporter zu zeigen und zu rufen, das seien die unehrlichsten Leute, die man sich vorstellen könne. Irgendwann hielt eine deutsche Wortschöpfung Einzug in das Vokabular seines Kampagnenstabs: Lügenpresse. Nach seinem Sieg, hofften manche, würde Trump disziplinierter und souveräner werden. Eine chaotische Pressekonferenz, die erste seit Monaten, hat die Hoffnungen am Mittwoch fürs Erste begraben. Der Staatsmann Donald J. Trump – man wird noch eine Weile darauf warten müssen.
„Sie sind Fake News“
Was vor allem schockierte, war die Gutsherrenart, mit der der designierte Präsident einen gestandenen Journalisten des Senders CNN abkanzelte, als wäre der ein Störenfried. Jim Acosta, ein alter Hase, hatte Trump zugerufen, dass er eine Frage stellen wolle, nachdem dieser Kritik an CNN geübt hatte. „Sie nicht“, war die Antwort. „Ihre Organisation ist grässlich.“Als Acosta insistierte, stauchte ihn der Mann am Pult zusammen wie einen Schuljungen. „Seien Sie still!“Wenn Trump seinen Sender attackiere, müsse er ihm, Acosta, schon auch eine Frage gestatten, beharrte der Reporter. „Nein, Sie kriegen keine Frage. Sie sind Fake News.“
CNN hatte als erstes Medium über ein Geheimdossier berichtet, in dem russische Quellen angeblich kompromittierendes Material über Trump zusammentrugen. Die Agenten wollen gefilmt haben, wie der Immobilienmogul 2013 im Moskauer RitzCarlton-Hotel eine Sexorgie mit Prostituierten feierte. Auf einem Bett, in dem auch schon Barack und Michelle Obama schliefen. Große US-Zeitungen wussten seit Monaten von dem dubiosen Dossier, verzichteten aber auf eine Veröffentlichung.
Am Dienstag machte CNN die Existenz der Dokumente publik, ohne in die Details zu gehen. Das veranlasste das Internetportal Buzz Feed, das Dossier auf 35 Seiten ins Netz zu stellen, wofür sich Buzz-FeedChefredakteur Ben Smith heftige Vorwürfe gefallen lassen muss. „Solange es Zweifel gibt, kann man es nicht bringen“, erinnert die „Washington Post“an eine alte Regel des Journalismus.
Dass aber Trump im Stile eines Feudalfürsten mit Reportern umspringt, hat eine Lawine der Kritik ins Rollen gebracht. Kein Journalist dürfe von einem President-elect herabgewürdigt werden, springt Shepard Smith, Anchorman bei Fox News, dem Kollegen Jim Acosta zur Seite. „Ein Präsident darf sich nicht herauspicken, auf welche Fragen er antwortet und auf welche nicht, schon gar nicht, weil er einen bestimmten Sender nicht mag“, rügt der National Press Club.
Nun ist es nicht so, dass der Tycoon den Medien nur die kalte Schulter gezeigt hätte. Im Wahlkampf bediente er sich oft und gerne der Medien, um seine Botschaft unter die Leute zu bringen. Kein anderer Kandidat war in Fernsehshows präsenter als Trump. Kein anderer griff öfter zum Telefon, um etwa den Moderatoren von Fox News oder MSNBC die Meinung zu sagen. Die hochgeachtete „New York Times“kanzelte Trump jedoch trotz eines gewissen Respekts als üble Propagandapostille ab, wenn ihm einer ihrer Artikel nicht passte.
Vor allem die Empfindlichkeit, mit der er auf Widerworte reagiert, löst kurz vor seiner Amtseinführung eine Ernüchterung aus. „Es war ein verrückter, verrückter Tag für die Politik in Amerika“, schreibt die „Washington Post“und fragt rhetorisch: „Ist das unser neuer Alltag?“