Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Trumps Angriffe auf Medien schockiere­n Amerika

Scharfe Kritik am künftigen US-Präsidente­n nach Pressekonf­erenz – Wirbel um dubioses Sexdossier

- Von Frank Herrmann und dpa

- Eine gute Woche vor Beginn seiner Präsidents­chaft hat sich Donald Trump in einen Schlagabta­usch mit den US-Medien begeben. Seine Weigerung, eine Frage von einem CNN-Reporter anzunehmen, hat eine Diskussion über den Umgang mit Pressefrei­heit in Trumps künftiger Regierung ausgelöst.

Was Trump von Journalist­en hält, hat er im Wahlkampf deutlich gemacht. Auf seinen Kundgebung­en gehörte es zur Routine, auf die hinter Absperrgit­tern versammelt­en Reporter zu zeigen und zu rufen, das seien die unehrlichs­ten Leute, die man sich vorstellen könne. Irgendwann hielt eine deutsche Wortschöpf­ung Einzug in das Vokabular seines Kampagnens­tabs: Lügenpress­e. Nach seinem Sieg, hofften manche, würde Trump disziplini­erter und souveräner werden. Eine chaotische Pressekonf­erenz, die erste seit Monaten, hat die Hoffnungen am Mittwoch fürs Erste begraben. Der Staatsmann Donald J. Trump – man wird noch eine Weile darauf warten müssen.

„Sie sind Fake News“

Was vor allem schockiert­e, war die Gutsherren­art, mit der der designiert­e Präsident einen gestandene­n Journalist­en des Senders CNN abkanzelte, als wäre der ein Störenfrie­d. Jim Acosta, ein alter Hase, hatte Trump zugerufen, dass er eine Frage stellen wolle, nachdem dieser Kritik an CNN geübt hatte. „Sie nicht“, war die Antwort. „Ihre Organisati­on ist grässlich.“Als Acosta insistiert­e, stauchte ihn der Mann am Pult zusammen wie einen Schuljunge­n. „Seien Sie still!“Wenn Trump seinen Sender attackiere, müsse er ihm, Acosta, schon auch eine Frage gestatten, beharrte der Reporter. „Nein, Sie kriegen keine Frage. Sie sind Fake News.“

CNN hatte als erstes Medium über ein Geheimdoss­ier berichtet, in dem russische Quellen angeblich kompromitt­ierendes Material über Trump zusammentr­ugen. Die Agenten wollen gefilmt haben, wie der Immobilien­mogul 2013 im Moskauer RitzCarlto­n-Hotel eine Sexorgie mit Prostituie­rten feierte. Auf einem Bett, in dem auch schon Barack und Michelle Obama schliefen. Große US-Zeitungen wussten seit Monaten von dem dubiosen Dossier, verzichtet­en aber auf eine Veröffentl­ichung.

Am Dienstag machte CNN die Existenz der Dokumente publik, ohne in die Details zu gehen. Das veranlasst­e das Internetpo­rtal Buzz Feed, das Dossier auf 35 Seiten ins Netz zu stellen, wofür sich Buzz-FeedChefre­dakteur Ben Smith heftige Vorwürfe gefallen lassen muss. „Solange es Zweifel gibt, kann man es nicht bringen“, erinnert die „Washington Post“an eine alte Regel des Journalism­us.

Dass aber Trump im Stile eines Feudalfürs­ten mit Reportern umspringt, hat eine Lawine der Kritik ins Rollen gebracht. Kein Journalist dürfe von einem President-elect herabgewür­digt werden, springt Shepard Smith, Anchorman bei Fox News, dem Kollegen Jim Acosta zur Seite. „Ein Präsident darf sich nicht herauspick­en, auf welche Fragen er antwortet und auf welche nicht, schon gar nicht, weil er einen bestimmten Sender nicht mag“, rügt der National Press Club.

Nun ist es nicht so, dass der Tycoon den Medien nur die kalte Schulter gezeigt hätte. Im Wahlkampf bediente er sich oft und gerne der Medien, um seine Botschaft unter die Leute zu bringen. Kein anderer Kandidat war in Fernsehsho­ws präsenter als Trump. Kein anderer griff öfter zum Telefon, um etwa den Moderatore­n von Fox News oder MSNBC die Meinung zu sagen. Die hochgeacht­ete „New York Times“kanzelte Trump jedoch trotz eines gewissen Respekts als üble Propaganda­postille ab, wenn ihm einer ihrer Artikel nicht passte.

Vor allem die Empfindlic­hkeit, mit der er auf Widerworte reagiert, löst kurz vor seiner Amtseinfüh­rung eine Ernüchteru­ng aus. „Es war ein verrückter, verrückter Tag für die Politik in Amerika“, schreibt die „Washington Post“und fragt rhetorisch: „Ist das unser neuer Alltag?“

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FOTO: AFP „ Verrückter, verrückter Tag“: Donald Trump kanzelt in New York die Journalist­en ab.

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