Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Warum Abschiebungen nach Nordafrika so kompliziert sind
Nur 4,4 Prozent der abgelehnten Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten mussten Deutschland verlassen
(clak/dpa) - Jahrelang wurde das Thema nur mit spitzen Fingern angefasst, doch jetzt steht es weit oben auf der politischen Agenda: die Abschiebung von Flüchtlingen, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Was ist daran so schwierig, diese Menschen in ihre Heimatländer zurückzuschicken?, fragten sich viele bereits vor einem Jahr nach der Silvesternacht in Köln – und erst recht nach dem Anschlag in Berlin. Dass der Täter, Anis Amri, aus Tunesien kam, einem Land in dem Deutsche immer noch Urlaub machen, setzte Sicherheitsbehörden und politisch Verantwortliche zusätzlich unter Druck. Doch der Weg zurück ins Heimatland ist lang und kompliziert. Dafür sprechen auch die Zahlen des Bundesinnenministeriums in Berlin.
Von Januar bis November wurden nach Ministeriumsangaben 368 Menschen nach Nordafrika abgeschoben. Im gleichen Zeitraum hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 8363 Asylanträge von Menschen aus Nordafrika negativ beschieden. Das heißt, nur 4,4 Prozent von ihnen wurden tatsächlich in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt. Das Innenministerium verweist auf verschiedene Hemmnisse, an denen die Ausreisepflicht in der Praxis oftmals scheitere. Die meisten abgelehnten Asylbewerber bekommen deshalb eine zeitweise Duldung, nur 52 000 von mehr als einer halben Million Antragsteller mit negativem Bescheid waren zuletzt ausreisepflichtig.
Wie das sein kann? Die meisten Abschiebungen scheitern daran, dass die Flüchtlinge ohne Ausweisdokumente ins Land gekommen sind – aus welchen Gründen auch immer. Für einen Asylantrag reicht es, wenn die Flüchtlinge registriert und identifiziert wurden. Sie bekommen dann vom BAMF einen „Ankunftsnachweis“. Gerade bei Menschen aus Ländern mit sehr geringer Anerkennungsquote wie den Maghreb-Staaten ist es nicht verwunderlich, wenn sie sich nicht ausweisen können. Denn letztlich erhöht dies ihre Chancen, länger in Deutschland bleiben zu können. Hingegen für Syrer und Eritreer, deren Asylanträge meist erfolgreich sind, sind Ausweisdokumente von Vorteil.
Entscheidend ist also in verschiedener Hinsicht das Herkunftsland. Wenn dessen Regierung nicht gewillt ist, den abgelehnten Asylbewerber als Bürger des Landes anzuer- kennen und ihm Ersatzpapiere auszustellen, ist es Deutschland nicht möglich, ihn dorthin zurückzuschicken. Auch der Berliner Attentäter Amri konnte nicht abgeschoben werden, weil Tunesien noch keine Papiere ausgestellt hatte. Afghanistan hingegen ist in dieser Frage kooperativer – deshalb wurden im Dezember Dutzende Afghanen in ihrs Heimatland zurückgeführt. Wenn die Zahl der Abschiebungen tatsächlich steigen soll, führt an Verhandlungen mit den Herkunftsländern folglich kein Weg vorbei.