Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Italiens Fünf-Sterne-Bewegung in der Krise
Italiens EU-Gegner dürfen nicht in die Fraktion der Liberalen wechseln. Der Chef der liberalen ALDE-Fraktion im Europaparlament, Guy Verhofstadt, lehnte den Wechsel der italienischen Protestpartei Movimento 5 Stelle (M5S, Fünf-Sterne-Bewegung) von der EUkritischen Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD) in die ALDE ab. Dass die M5S, die sich selbst als transparenteste Partei Italiens tituliert, klammheimlich den Wechsel von der einen in die andere EU-Parlamentsfraktion plante, erweist sich als Existenz bedrohendes Eigentor.
Beppe Grillo, ex-Komiker und zusammen mit dem Informatikunternehmer Gianroberto Casaleggio Gründer der M5S, lehnt die EU und den Euro ab. Dass Grillo und Davide Casaleggio, Sohn des verstorbenen Gianroberto, vor Monaten damit begonnen hatten, den Wechsel von der EU-kritischen zur proeuropäischen ALDE einzufädeln, ohne die Basis zu informieren, wird lautstark kritisiert. Umfragen zufolge sind etwa 75 Prozent aller M5S-Wähler gegen den EUVerbleib. Die Vormundschaft aus Brüssel war eines der wichtigsten Argumente zur Parteigründung.
Auf Vorteile erpicht
Der Meinungswechsel bei Grillo und Casaleggio hat verschiedene Gründe. Zu offensichtlich ist die Tatsache, dass das M5S-Direktorium nur auf finanzielle und unternehmerische Vorteile erpicht war. Als Mitglied der liberalen ALDE hätte die M5S weitaus mehr Einfluss haben können als in der EFDD. Diese Fraktion wird nach dem erwarteten Ausscheiden der UKIP von Farage deutlich schwächer werden und im Parlament weniger Einfluss haben. Wohl aus diesem Grund wollten Grillo und Casaleggio rechtzeitig die Seiten wechseln. Hinzu kommt auch, dass der SoftwareUnternehmer Davide Casaleggio bei bevorstehenden Entscheidungen des Parlaments als Mitglied der ALDEFraktion auf lukrative Aufträge der EU hätte hoffen dürfen.
Der Flop im EU-Parlament ist die europaweit sichtbare Spitze einer tiefgreifenden Parteikrise. In fast allen italienischen Städten und Regionen, wo M5S Bürgermeister und Regionalpräsidenten stellt, kommt es zu Skandalen wegen Korruption und Bestechung. Die M5S, die angetreten war, um den Sumpf der traditionellen und als korrupt vorgeführten Parteien auszutrocknen, legt ein Verhalten an den Tag, das sich davon durch nichts unterscheidet.
Hinzukommen die zutiefst undemokratischen Binnenstrukturen. Obwohl sie keine gewählten Politiker sind, dominieren Grillo und Casaleggio Junior den gesamten Kurs. Die M5S-Bürgermeisterin Virginia Raggio, der es in sieben Monaten nicht gelungen ist, eine Stadtregierung mit Stadträten zusammenzustellen, die nicht gleich wieder über Skandale stürzen, ist durch einen privaten Vertrag an Grillo gebunden. Sollte sie den politischen Wünschen des Partei-Direktoriums zuwiderhandeln, muss sie 150 000 Euro Strafgeld zahlen.