Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Immer schön sachlich

Im Netz den richtigen Ton zu treffen ist nicht ganz einfach

- Von Tobias Wienke

(dpa) - Höflichkei­t ist eine Tugend – auch im Internet. Sich mit seinen Mitmensche­n auf dem digitalen Weg sachlich zu unterhalte­n, gehört allerdings nicht für alle User im Netz dazu.

Grundlage für ein Benehmen im Netz geben Regeln, die unter dem Wort „Netiquette“zusammenge­fasst werden. „Dabei legt jeder Betreiber einer Seite, eines Forums oder einer Facebook-Gruppe seine Netiquette selbst fest“, sagt Dennis Horn, Fachjourna­list für digitale Themen. „Im Grunde gibt es überall eine Faustregel: den gesunden Menschenve­rstand.“

Deutlich grundlegen­der ist die deutsche Gesetzgebu­ng – auch die muss wie im echten Leben eingehalte­n werden, etwa in den Bereichen Beleidigun­g, Verleumdun­g oder Nötigung. Das bezieht sich nicht nur auf Texte, sondern auch auf Bilder und alles Weitere, was man im Netz veröffentl­ichen kann.

Duzen ist üblich

Einen Unterschie­d zwischen echtem Leben und Verhaltens­regeln im Netz gibt es: der fließende Übergang zwischen der Anrede. „Das Du sitzt im Netz locker, und ich persönlich empfinde das auch nicht als despektier­lich“, sagt Horn. „Auch große Medienanbi­eter schreiben gerne im Netz ihre Leser in Kommentare­n mit Du an – auch solche, von denen man es nicht vermuten würde.“

Auch für „Der große Knigge“-Redakteuri­n Alexandra Sievers ist die Sache mit der persönlich­en Anrede nicht ganz eindeutig: „Nach den normalen Umgangsfor­men sollte man schon generell beim Sie bleiben. Allerdings wäre das in Foren, in denen es zum Beispiel um Hobbys geht, oftmals auch nicht ganz passend.“

Gesenkte Hemmschwel­le

Sie vergleicht den Fall mit einem „Bergsteige­r-Du“, da die distanzier­te Anrede in diesem Fall doch eher gestelzt wirken würde. Wenn jemand allerdings nicht geduzt werden möchte, solle er das auch kommunizie­ren. „Im Zweifel ist das Hamburger Sie – die Ansprache mit dem Vornamen und Sie – ein geschickte­r Mittelweg.“Oder man wartet einfach, bis das Du offiziell angeboten wird.

Mit einer möglicherw­eise gesenkten Hemmschwel­le zur Beleidigun­g habe die Anrede wenig zu tun, sagt Dennis Horn. „Das Internet senkt die Hemmschwel­le eher, weil ich die Person nicht vor mir sehe und die direkte Reaktion nicht mitbekomme.“

Im Umgang mit einem rüden Ton gelte zunächst: durchatmen und nachdenken. Wie nahe steht mir die Person? Und ist mein Gegenüber überhaupt an einer ernsthafte­n Kommunikat­ion interessie­rt? Horn rät dazu, Beleidigun­gen zunächst einmal zu ignorieren, wenn man die Person nicht kennt.

Zurückbele­idigen sollte man unterlasse­n. „Intelligen­ter, guter Humor ist die beste Reaktion auf Beleidigun­gen im Netz“, sagt Sievers. Das müsse allerdings gekonnt sein, sonst könne eine solche Antwort auch nach hinten losgehen. Man dürfe auch ansprechen, dass man über den Ton verwundert ist, und kann auf die Netiquette hinweisen.

Mitunter handelt es sich beim Gegenüber auch um einen Troll. „Trolle wollen vor allem provoziere­n und die Kommunikat­ion stören“, sagt Martin Müsgens, bei der Landesanst­alt für Medien NRW zuständig für die EU-Initiative „klicksafe“. „Man sollte sie aus der Diskussion ausgrenzen und möglichst nicht direkt ansprechen.“

Die Faustregel heißt „Don't feed the troll“: Auf keinen Fall sollte man emotional oder gar aggressiv reagieren – genau das ist ihr Futter. „In vielen Fällen hilft es, sich mit anderen Diskussion­steilnehme­rn zu solidarisi­eren und zu versuchen, die Kontrolle über die Diskussion zurückzuer­langen.“Wenn alle Stricke reißen, hilft unter Umständen das Melden des Fehlverhal­tens an den Administra­tor. Dieser kann dann die Person aus der Diskussion ausschließ­en.

Anzeigen helfen

Und wenn es hart auf hart kommt, können sehr reale Grenzen den Pöblern Einhalt gebieten. „Sollten sie gegen geltendes Recht verstoßen – also zum Beispiel persönlich beleidigen­d werden – ist der beste Weg eine Anzeige“, sagt Horn. Über ein Onlineform­ular von Landeskrim­inalämtern können strafrecht­lich relevante Inhalte angezeigt werden. „Das bringt Leute tatsächlic­h häufig dazu, solche Äußerungen künftig zu unterlasse­n“, sagt Horn. „Meinem Erachten nach machen zu viele Menschen davon noch keinen Gebrauch.“Bei volksverhe­tzenden Inhalten wurden zuletzt einige Täter zu Geld- und sogar Gefängniss­trafen verurteilt.

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FOTO: DPA Die „ No Hate Speech“- Initiative spricht sich gegen beleidigen­de und hetzende Inhalte im Netz aus.

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