Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wie Trumps Drohungen zu verstehen sind
Erklärungsansätze zu den Positionen des künftigen US-Präsidenten
- Die Nato „obsolet“, die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel „ein katastrophaler Fehler“, und für Autobauer Strafzölle von 35 Prozent: In einem Zeitungsinterview hat der gewählte US-Präsident Donald Trump kräftig ausgeteilt, die EU und Deutschland attackiert. Was steckt hinter seinen Angriffen und Drohungen? Hier einige Hintergründe.
Hält Trump die Nato wirklich für überflüssig und droht die transatlantische Sicherheitsarchitektur einzustürzen?
Mit seiner Geringschätzung der transatlantischen Allianz hatte Trump schon im Wahlkampf gepunktet. Dahinter steckt vor allem der Versuch, die Europäer zu zwingen, ihre Militärausgaben zu steigern und selbst mehr für ihre Sicherheit zu tun. Das Signal ist in der EU angekommen, gemeinsame Verteidigungsanstrengungen wurden zum Ziel erhoben, sind aber schwer zu realisieren. Würde Deutschland seinen Militäretat auf das verabredete Ziel anheben, würde dies Dutzende Milliarden pro Jahr kosten. An eine Abschaffung der Nato denkt Trump aber offenbar nicht – zumindest haben sich seine designierten zuständigen Minister öffentlich zu dem Bündnis bekannt. Mit der NatoSchelte will Trump aber auch bei Russlands Präsident Wladimir Putin punkten, mit dem er ein engeres Verhältnis anstrebt.
Führt Trumps Protektionismus zu einem Handelskrieg?
Auch die Androhungen von Strafzöllen auf US-Importe gehörten zum Wahlkampf-Tenor. Und Ford reagierte bereits, das Unternehmen will nun statt in Mexiko in den USA in eine Fabrik investieren. Experten sehen indes die Gefahr, dass der Protektionismus mit der Brechstange letztlich vor allem die Verbraucher trifft, weil sie mehr zahlen müssen. Dass Trumps Republikaner einen Handelskrieg mit dem Rest der Welt in Kauf nehmen wollen, gilt als sehr unwahrscheinlich. Der EU-Außenpolitiker Elmar Brok (CDU) mahnte im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“jedenfalls, die EU müsse in Erwägung ziehen, US-Importe mit Strafzöllen zu belegen: „Wir müssten uns wehren, die Amerikaner dürfen die Regeln nicht alleine bestimmen.“
Will Trump das Scheitern der EU?
Offenbar hofft er auf eine Schwächung der Europäischen Union. „Wenn Sie mich fragen, es werden weitere Länder austreten“, sagte er mit Blick auf den Brexit. Das ist Munition für die Rechtspopulisten in vielen EU-Ländern, die in Trump einen Verbündeten sehen. Auch die Stärke des Euro zieht er in Zweifel. Größer könnte der Kurswechsel von Barack Obama zu Trump kaum sein, der scheidende US-Präsident hatte die Europäer stets zu mehr Zusammenhalt aufgerufen.
Welches Verhältnis strebt Trump zu Merkel an?
Trump machte Merkels Flüchtlingspolitik indirekt für den Anschlag in Berlin verantwortlich. Die EU-Ausländerpolitik sieht er auch als Grund für den Brexit: Wenn die Briten „nicht gezwungen gewesen wären, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, wäre es nicht zum Brexit gekommen“. Trotz der scharfen Kritik äußerte sich Trump auch anerkennend über die Kanzlerin. „Sie ist großartig, eine großartige Anführerin.“Er respektiere und möge die Kanzlerin, „aber ich kenne sie nicht“. Zuckerbrot und Peitsche und die Androhung, auf Kosten der traditionell engen Partnerschaft mit Berlin den Schulterschluss mit Putin zu suchen. Dazu gehört auch Trumps Formulierung, bei den Russland-Sanktionen „könnte manches gehen“: Der künftige Mann im Weißen Haus könnte gezielt einen Keil zwischen die Europäer treiben. Es kommt also viel Arbeit auf Kanzlerin Angela Merkel zu, ein Vertrauensverhältnis zu Trump aufzubauen. Berichten zufolge will sie Trump im Frühjahr nach Berlin einladen. Als spätester Termin für ein Treffen der beiden gilt der G20-Gipfel im Juli in Hamburg.