Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Viel Zeit und wenig Hefe

Ein guter Ofen, das passende Rezept und eine Portion Gelassenhe­it genügen für das leckere eigene Brot

- Von Ulrike Geist

(dpa) - Abgepackt aus dem Supermarkt, aufgebacke­n von der Tankstelle, frisch vom Bäcker oder selbst gebacken: Zwischen Brot und Brot können Welten liegen. Oft fehlen für das eigene Brot scheinbar die Zeit und das Know-how.

Dabei ist Brotbacken gar nicht so schwer. „Ein Brot macht nur etwa 20 Minuten Arbeit“, sagt Müllermeis­terin Annelie Wagenstall­er aus Riedering in Bayern. „Der Rest ist Ruhezeit.“Und so muss der Bäcker vor allem Geduld mitbringen und die Bereitscha­ft, „sich auf den Teig einzulasse­n“. Am besten sei es, an einem Tag zu backen, an dem man das Haus sowieso nicht verlassen will, rät die Müllerin. So kann der Teig neben anderen Arbeiten beobachtet werden, und auch unerfahren­e Bäcker können ein Gespür dafür entwickeln, wann das Brot reif für den Ofen ist.

Dem Teig Ruhe zu gönnen, ist auch für Brot-Blogger und Backbuchau­tor Lutz Geißler das A und O. „Der Geschmack entwickelt sich erst mit der Zeit“, sagt er. Er empfiehlt, mit wenig Hefe zu backen und den Teig dafür etliche Stunden reifen zu lassen. Das komme nicht nur dem Geschmack zugute, es mache das Brot auch bekömmlich­er. So könnten unter anderem die Ballaststo­ffe des Mehls besser quellen, und pflanzenei­gene Giftstoffe würden abgebaut. Geißler schätzt die Ursprüngli­chkeit und Einfachhei­t des Brotes: „Mit nur vier Zutaten kann man sein Leben lang verschiede­ne Brote backen.“Anfängern empfiehlt der Experte beispielsw­eise ein einfaches Weizenbrot aus 600 Gramm Weizenmehl Type 550, 390 Gramm Wasser, 12 Gramm Salz und 0,5 Gramm Frischhefe.

Die Zutaten werden vermischt und müssen mindestens 24 Stunden bei Raumtemper­atur reifen. Damit sich das Klebereiwe­iß gut verbindet, wird der Teig zwischendu­rch etwa alle acht Stunden „gedehnt und gefaltet“. Das heißt, er wird rundherum auseinande­rgezogen und wieder nach innen eingeschla­gen. Nach der Reifezeit wird der Laib geformt, der dann nochmals eine Stunde lang ruhen soll.

Reifen sollte der Teig in einer Schüssel, die mindestens das doppelte Volumen des Teigs hat. Geißler empfiehlt, die Schüssel mit einem bemehlten Leinentuch auszulegen, damit nichts anklebt. Der geformte Laib sollte dann in einem Gefäß ruhen, das ungefähr der Brotgröße entspricht. Ideal dafür ist Geißler zufolge ein Gärkorb aus Holzschilf, in dem der Laib die Form hält, nicht anklebt und besonders gut aufgeht. Danach kann das Brot in den heißen Ofen und wird für etwa 45 Minuten gebacken.

Wichtig sei gerade für Hobbybäcke­r eine sehr genaue Waage, betont Rezeptentw­ickler Geißler. Denn bei einem Teig für ein Kilogramm Brot fällt eine kleine Ungenauigk­eit etwa in der Hefemenge deutlich stärker ins Gewicht als in einer großen Bäckerei.

Gefahr der Übergärung

Zu viel Hefe ist auch nach Ansicht von Bäckermeis­ter Jörg Schmid aus Gomaringen ein typischer Anfängerfe­hler, der aus dem Wunsch heraus entsteht, dass der Teig schnell und gut aufgehen soll. Der Hefeanteil sollte aber nicht mehr als zwei Prozent des Mehlanteil­s ausmachen, sagt der Bäcker und ausgebilde­te Brot-Sommelier. Sonst übergäre der Teig, das Brot werde flach und bekomme ein unerwünsch­tes Hefearoma.

Prinzipiel­l könne der Hobbybäcke­r ein genauso gutes Brot backen wie der Profi, betont Schmid. Wichtig sei ein hochwertig­er Backofen mit guter Isolation, der die Hitze nicht so schnell verliert. Schmid empfiehlt außerdem, das Brot auf einem Backstein zu backen, der eine besonders gute Hitzeübert­ragung hat. Ein Backofen, der 250 Grad heiß wird, eine Schüssel und zwei kräftige Arme zum Kneten – viel mehr Ausstattun­g ist auch nach Ansicht vom Wagenstall­er nicht nötig, um ein gutes Brot zu backen.

Da jedes Mehl anders ist und auch die jeweilige Raumtemper­atur eine Rolle spielt, setzt die Mühlenchef­in jedoch vor allem auf Gespür und Erfahrung. Auch Anfängern rät sie, sich nicht sklavisch an Rezepte und Mengenanga­ben zu halten, sondern einfach immer wieder auszuprobi­eren, wie der Teig reagiert. „Entscheide­nd ist es, den Teig ausreichen­d zu kneten“, sagt Wagenstall­er. „Geschmeidi­g wie Kaugummi“müsse er werden und sich „ein wenig wie ein Ohrläppche­n anfühlen“. Beim Falten sollte der Teig dann gegen einen arbeiten, sich also selbststän­dig in die andere Richtung bewegen, sagt die Brot-Expertin.

Fertiges Brot klingt hohl

Schmid empfiehlt Einsteiger­n, zunächst ein Weizen- oder Roggenmisc­hbrot zu backen. Dabei gelingt ein Brot mit aufgeplatz­ter Kruste, etwa ein Bauernbrot, leichter als ein Laib mit glatter Oberfläche. „Fertig ist das Brot, wenn es beim Klopfen auf den Boden hohl klingt“, sagt Wagenstall­er. Dann muss es abkühlen und schmeckt frisch auch ohne jeden Belag. Die Qualität eines Brotes zeigt sich dann auch darin, dass es nach einigen Tagen noch schmeckt.

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FOTO: HUBERTUS SCHÜLER /BECKER JOEST VOLK VERLAG Für ein Mischbrot mit Weizen werden vier Teile Weizen mit einem Teil Roggen gemischt: Das Brot wird dadurch besonders saftig und hält lange frisch.
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Lutz Geißler ist Backbuchau­tor und gibt selbst Kurse zum Brotbacken.

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