Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Das grüne Spitzenduo will regieren
Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir stehen für den Realo-Kurs
- Sie kommen strahlend in die Ufer-Studios im Wedding, dorthin, wo die Grünen zum zweiten Mal eine Urwahl ihrer Spitzenkandidaten ausgezählt haben. Katrin GöringEckardt, die einzige weibliche Bewerberin, wusste von Anfang an, dass sie am Ende hier als Siegerin stehen wird. Für Parteichef Cem Özdemir dagegen war es knapp. Er musste sich gegen zwei Gegenkandidaten, gegen Fraktionschef Toni Hofreiter und den grünen Kieler Umweltminister Robert Habeck, durchsetzen. Es war ein Zittersieg. Am Ende überrundet Özdemir seinen Konkurrenten Habeck um 75 Stimmen.
Ohne Sonnenblumen
Erstmals liegen keine Sonnenblumen bereit, sondern völlig normale bunte Sträuße für das neue RealoDuo der Grünen. Katrin Göring-Eckardt bedankt sich als Erste für den großen Vertrauensbeweis der Basis, die zwei Leute gewählt habe, „die in die Zeit passen.“Sie, eine Bürgerin aus dem alten Osten, Özdemir ein Gastarbeiterkind aus Schwaben. Und beide seien sie Familienmenschen, so Göring-Eckardt – Cem Özdemir bei seinen Kindern, sie bei ihren Enkeln.
Mit den Enkeln wolle er sich aber noch Zeit lassen, ruft Özdemir schnell dazwischen. Keine Frage, die beiden neugewählten Grünen haben gute Laune. „Wir stehen für das neue Deutschland“, sagt Göring-Eckardt. Wenn das stimmt, dann ließe das für Deutschlands Laune hoffen. Sie wollen eine Gesellschaft „ohne Hasser und Hetzer“, sagt die grüne Fraktionschefin. „Wir wollen ein gutes Klima, das gilt für die Natur und die Gesellschaft.“Während Göring-Eckardt sich auch gerne selbst etwas lobt, richtet Cem Özdemir schnell den Blick auf die Verlierer, Toni Hofreiter und Robert Habeck. „Wir brauchen beide im Wahlkampf“, übt Özdemir den Brückenschlag. „Niemand ist als Verlierer hervorgegangen“, betont der grüne Parteichef, und dass er Hofreiters und Habecks Ideen, ihre Kreativität, den frischen Wind brauche.
Die beiden neuen Spitzenkandidaten kommen aus dem Realo-Lager, was ihnen den uneingeschränkten Beifall des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann beschert, aber auch skeptische Fragen der Journalisten. „Ist damit Rot-RotGrün nach der nächsten Bundestagswahl überhaupt noch denkbar? Oder steht jetzt Schwarz-Grün fest?“
„Jede Regierungsbildung wird schwierig“, sagt Katrin Göring-Eckardt, doch es gehe im Wahlkampf nicht um einen Koalitionswahlkampf, sondern um grünes Profil. Und Cem Özdemir meint: „Wir müssen vor allem über uns reden und so stark wie möglich werden.“
Noch einmal wird von Journalisten nachgehakt, ob jetzt Winfried Kretschmann, der Oberrealo der Grünen, der heimliche dritte Spitzenkan- didat sei. Göring-Eckardt antwortet diplomatisch. „Es ist gut, dass wir in unseren Reihen einen der beliebtesten Politiker Deutschlands haben.“Schwarz-Grün aber ist für sie noch lange nicht abgemacht. „Wir haben sieben verschiedene Regierungsvarianten in den Ländern, davon zwei mit der Union.“Es gehe nicht darum, ob die Partei reif sei für SchwarzGrün. „Wir wollen Grüne in die Regierung bringen“, so Göring-Eckardt, und deshalb ein deutlich zweistelliges Ergebnis erreichen. Da herrscht Einigkeit an der Spitze. Cem Özdemir fuchst die Frage nach Schwarz-Grün ohnehin allmählich. „Winfried Kretschmann und ich haben in Baden-Württemberg am Wahlabend beide Daumen gedrückt, dass es bei der SPD bleibt.“Erst, als dies nicht möglich war, habe man das neue Bündnis geschmiedet.
In die gleiche Richtung
Özdemir zeichnet als seine Zielvorstellung das Bild einer sozialen Gesellschaft, in der kein Kind zurückgelassen werde. Er wünscht sich eine Politik, die den Planeten in besserem Zustand an die Kinder übergibt. Das vornehmste Ziel der deutschen Politik aber sei es, Europa stark zu machen, sagt Özdemir, der sich in den letzten Jahren vor allem als Außenpolitiker profilierte.
Nicht nur Europa, auch die Grünen will er natürlich stark machen. Er ziehe dabei mit Göring-Eckardt nicht nur an einem Strang, sondern auch in die gleiche Richtung, so Özdemir. Das ist, wie man hört, in der grünen Parteizentrale nicht immer der Fall.